Kompetenzstufen im Pflegealltag

Im Umgang mit Kollegen ist es wichtig, die Kompetenzstufen zu berücksichtigen.
Junge Frau trägt einen dunkelblauen Schlupfkasack. Zwischen Schulter und Ohr hat sie einen Telefonhörer geklemmt und um den Hals trägt sie ein graues Stethoskop. Sie hält sich mit der einen Hand ihren schwangeren Bauch, in der anderen Hand hält sie ein silbernes Tablet. Hinter ihr ist eine weiße Uhr zu sehen und zwei eingerahmte Urkunden.
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Kennen Sie das auch? Sie stehen gemeinsam mit einer Kollegin in einer bestimmten Pflegesituation am Bett und denken sich zum gefühlt 100. Mal: „Macht sie das denn immer noch falsch? Ich habe sie doch schon so oft darauf hingewiesen und ihr erklärt, wie man es richtig macht!“ Ärger und Unverständnis auf beiden Seiten sind die Folge: Sie ärgern sich über die scheinbar vertane Zeit und dass die Kollegin Ihnen offenbar nie richtig zugehört hat. Ihre Kollegin spürt Ihren Ärger und fragt sich vielleicht, was sie nun schon wieder falsch gemacht hat.

In der Akutsituation am Bett ist es sicher nicht angemessen, sich genauer hiermit zu befassen. Hier geht es in erster Linie darum, die Handlung für den Pflegekunden fachlich korrekt zu Ende zu bringen. Aber in der Folge sollten Sie in einer stillen Minute eine Analyse der Situation durchführen.

Tipp

Haben Sie schon einmal daran gedacht, dass sich Ihre scheinbar unwissende und unbelehrbare Kollegin auf einer anderen Kompetenzstufe als Sie befinden könnte?Die Wissenschaftlerin Patricia Benner hat 1994 ein Stufenmodell zum Kompetenzerwerb in der Pflege erstmals beschrieben und definiert. Sie unterschied darin folgende, vom fachlichen Niveau her unterschiedliche Typen vom Anfänger bis zum Experten:

Die 5 Kompetenzstufen nach Patricia Benner

  1. der Anfänger
  2. der fortgeschrittene Anfänger
  3. der kompetent Pflegende
  4. der erfahrene Pflegende
  5. der Pflegeexperte

Da Anfänger meist über wenig Erfahrung im Praxisfeld verfügen, benötigen sie zunächst Regeln, Verfahrensschritte sowie konkrete Anweisungen. Diese geben ihnen Orientierung und ermöglichen es, in der Praxis danach zu handeln. Objektive Kriterien zur Beobachtung wie beispielsweise die Vitalzeichenwerte können sie ohne Erfahrungen erkennen. Die nicht über Messdaten möglichen Beobachtungsmerkmale bedürfen dagegen einer gewissen Erfahrung. Der Blick für den Gesamtzusammenhang fehlt und die Konzentration liegt auf einzelnen Aspekten, sodass ihre Handlungen noch nicht vollständig sind.

Fortgeschrittene Anfänger haben bereits erste Erfahrungen gesammelt und wenden formulierte Richtlinien über z. B. die Beobachtung und Einschätzung des zu pflegenden Menschen an. Allerdings verfügen sie noch nicht über die Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu unter- scheiden. Somit benötigen sie Unterstützung beim Setzen von Prioritäten und eventuell bei der Einordnung.

Kompetent Pflegende planen Pflegesituationen und reflektieren ihr Handeln. Meistens arbeiten sie schon bis zu 3 Jahre im selben Berufsfeld und setzen selbstständig Prioritäten. Sie fühlen sich beruflichen Aufgaben und Anforderungen gewachsen. Sie denken und handeln in „vollständigen Handlungen“. Allerdings fehlt es ihnen im Vergleich zu erfahrenen Pflegenden noch an Schnelligkeit und Flexibilität.

Erfahrene Pflegende nehmen eine Pflegesituation auf Grundlage früherer Erfahrungen ganzheitlich wahr und reagieren auf drohende Veränderungen. So nimmt ein erfahrener Pflegender etwa Veränderungen an zu pflegenden Menschen umgehend wahr und leitet auf seiner Erfahrung beruhend geeignete pflegerische Maßnahmen ein. Der Kern des Problems wird schnell erfasst, unerhebliche Möglichkeiten werden ausgeschlossen und Prioritäten gesetzt. Pflegende in dieser Stufe lassen sich von Maximen sowie ihrer pflegerischen Wahrnehmung und Erkenntnis leiten.

Pflegeexperten verfügen über einen großen Erfahrungsschatz und brauchen für ihr Handeln keine Maxime mehr. Vielschichtige Problemstellungen werden direkt erkannt und intuitiv ohne lange Analyse erfasst. Dadurch und durch ein hohes pflegerisches Urteilsvermögen können sie zu pflegende Menschen einschätzen und situativ notwendige und geeignete Handlungen durchführen sowie ihre Kollegen beraten.

Arbeiten Sie mit den Kompetenzstufen

Mir hat diese Übersicht im beruflichen Alltag oft geholfen, toleranter gegenüber Kollegen zu sein – Ihnen in Zukunft auch? Nutzen Sie doch einmal eine freie Minute und ordnen Ihre Kollegen in die einzelnen Kompetenzstufen ein. In der Folge können Sie dann anhand dieses Überblicks besser planen, welchen Kollegen Sie im Alltag mit welchen Tipps und Methoden fördern können, damit er das Niveau seiner Stufe verbessern kann.

Zudem können Sie Ihren persönlichen Stress reduzieren, denn es dürfte klar auf der Hand liegen: Teilen Sie 2 Kollegen, die sich auf der Stufe „Anfänger“ befinden, für eine komplexe Pflegehandlung ein, wird das Ergebnis für Sie immer unbefriedigend sein. Sie können damit also in Zukunft auch Prozesse in Ihrem Team besser steuern.