Diagnoseverfahren bei Demenz

Ablauf der Testverfahren auf dem Weg zur passenden Therapie
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Inhaltsverzeichnis

Unter einer Diagnose wird in der Medizin das Identifizieren von Krankheiten verstanden: Was bedeuten die Symptome? An welcher Krankheit leidet dieser Mensch?

Das Wort „Diagnose” stammt aus dem Griechischen und bedeutet – salopp übersetzt – „den Durchblick haben”. dia steht für „durch”, gnosis wird mit „Erkenntnis” übersetzt. Das Ziel der Diagnose ist es, Krankheiten anhand der erkennbaren Merkmale möglichst präzise zu bestimmen. Nur so kann der Arzt sie angemessen behandeln.

Menschen, die unter dem Verdacht einer Demenz stehen, sollten sich dringend ärztlich untersuchen lassen. Selbstgeführte Demenztests sind dabei nicht ratsam. Nur eine exakte und kompetente Diagnose kann eine richtige Therapie ermöglichen. Dabei gibt es verschiedene Methoden zur Diagnose einer Demenz.

Was ist der ICD-Diagnoseschlüssel? 

Damit medizinische Fachkräfte global zusammenarbeiten können, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine einheitliche Klassifikation der Krankheiten geschaffen: die International Classification of Diseases (ICD).

Der ICD-Schlüssel besteht aus einem bis zu 5-stelligen Code aus einer Kombination von Buchstaben und Ziffern, wobei die ersten drei Stellen die grobe Diagnose kennzeichnen, welche mit weiteren Angaben verfeinert werden kann.

Beispiel: Der ICD-Code F00.1 bezeichnet „Demenz bei Alzheimer-Krankheit, mit spätem Beginn“.

Tipp

Die deutschsprachige Website bietet sowohl eine Stichwortsuche als auch einen guten Überblick über die Systematik der ICD-Codes. Hier findet man auch detailliertere Beschreibungen zu den Krankheiten, zum Beispiel die folgende Erläuterung des Codes F00.1: „Demenz bei Alzheimer-Krankheit mit Beginn ab dem 65. Lebensjahr, meist in den späten 70er Jahren oder danach, mit langsamer Progredienz und mit Gedächtnisstörungen als Hauptmerkmal.”

Nach § 295 und § 301 des 5. Sozialgesetzbuchs (SGB-V) sind in Deutschland Ärzte und Krankenhäuser zur Diagnoseverschlüsselung nach ICD verpflichtet.

Welche Arten der Diagnose von Demenz gibt es? 

Für die meisten Symptome kommen mehrere Krankheiten in Frage. Selbst bei der Diagnose „Alzheimer” ist zwischen zwei Typen zu unterscheiden. Beim Parkinson-Syndrom muss der Arzt zwischen bis zu acht verschiedenen Diagnosen unterscheiden. Es gibt mehrere Krankheitsbilder und mehrere mögliche Ursachen.

Dies ist auch bei Demenz der Fall und birgt Gefahren bei der Diagnose einer Demenz. Der Diagnostiker kann sich irren. Dies führt unter Umständen zu einer Fehldiagnose oder auch einer Scheindiagnose, also zur Diagnose einer Demenz, wo in Wirklichkeit gar keine Demenz vorliegt. Manchmal stellen ratlose Mediziner auch aus purer Verzweiflung eine Verlegenheitsdiagnose: Sie benennen eine Krankheit, welche extrem allgemein ist und letztlich nichts aussagt. 

Die größte Herausforderung der Diagnostik bei Demenz besteht darin, unter mehreren möglichen Krankheitsdefinitionen die richtige herauszufinden. Dazu hat die Medizin verschiedene Herangehensweisen entwickelt:

  • Ausschlussdiagnose
  • Verdachtsdiagnose resp. Arbeitsdiagnose
  • Differentialdiagnose

Wie funktioniert eine Verdachts- oder Arbeitsdiagnose bei Demenz? 

In der Regel startet der Arzt mit einer Arbeitsdiagnose. Er trifft eine erste Annahme über die Erkrankung. Dazu bedient man sich der Erfahrung, der Statistik (Häufigkeit von Erkrankungen) und den sofort verfügbaren Diagnose-Informationen. Bei Demenz treten dazu oft auffällige Symptome auf, die auf eine Demenzerkrankung hinweisen können.

Von hier aus unternimmt der Mediziner weitere Abklärungen. Insbesondere versucht er, die Erkrankung durch gezielte Suche nach weiteren Symptomen, die für oder gegen eine Demenz sprechen, einzugrenzen.

Wenn der Arzt bei der Arbeitsdiagnose bleibt, dann vermerkt er dies mit dem Präfix „V.a.” resp. „Verdacht auf …”. Damit stellt er klar, dass seine Diagnose nicht mit letzter Sicherheit erfolgte, sondern lediglich ein „begründeter Verdacht” ist.

Wie funktioniert eine Differenzialdiagnose bei Demenz? 

Bei der Differenzialdiagnose analysiert der Arzt systematisch alternative Erklärungsmöglichkeiten für die beobachteten Symptome. Dazu listet er alle Erkrankungen auf, welche bei der fraglichen Symptomatik vorliegen könnten und versucht dann, mittels Ausschlussdiagnose die Krankheit zu bestimmen.

Eine sorgfältig durchgeführte und dokumentierte Differenzialdiagnose ist wichtig, um Behandlungsfehler zu vermeiden. Wenn eine mangelhafte Differentialdiagnose zu Behandlungsfehlern führt, so kann dies für den Arzt rechtliche Konsequenzen haben.

Wie funktioniert eine Ausschlussdiagnose bei Demenz? 

Wenn mehrere alternative Erkrankungen in Frage kommen, kann eine Ausschlussdiagnose helfen:

  • Man startet mit einer Arbeitsdiagnose: Welche Erkrankung ist bei den beobachteten Symptomen die wahrscheinlichste?
  • Dann weitet man das Suchfeld aus: Welche anderen Ursachen könnten diese Symptome noch haben?
  • Durch gezielte Untersuchungen schließt man diese alternativen Ursachen-Erklärungen aus.

Beispielsweise wird man bei psychosomatischen Störungen abklären, ob wirklich nur psychogene Krankheitsfaktoren vorliegen oder etwa auch körperliche Ursachen existieren.

Diagnoseverfahren: Wie wird die Diagnose bei Demenz gestellt?

Beim Erstkontakt nimmt der Arzt eine Anamnese vor. Er befragt den Patienten (Eigenanamnese) und eine Drittperson (Fremdanamnese) systematisch zu Ereignissen und Krankheitsvorgeschichten.  Demenz hat viele typische Symptome, wie unter anderem Vergesslichkeit, Persönlichkeitsveränderung, Verlust des Geruchssinns und Verwirrung. Bestätigt der Patient diese Symptome, kann der Arzt bereits erste Schlüsse ziehen. Zusätzlich führt er einige grundlegende Untersuchungen vor. Je nach Fall wird er aufgrund einer Arbeitsdiagnose weitere Untersuchungsschritte vornehmen, die eine Demenz bestätigen oder ausschließen können.

Anamnese bei Demenz

Die Anamnese ist eine Befragung. Der Arzt versucht, vom Patienten selbst oder im Fall von Demenz oft durch Drittpersonen Auskünfte zu erhalten, welche ihm weiterhelfen.

Inhalte der Anamnese sind je nach Fall:

  • Beschreibung der Symptome, ist der Patient verwirrt? Vergisst er häufig Dinge? Hat seine Persönlichkeit sich verändert?
  • Vorgeschichte (seit wann, wie häufig, usw.)
  • Mögliche Ursachen (Verhalten, Vorfälle, usw.)

Die Gesamtheit der Lebensumstände, der Vorfälle, der Gewohnheiten und Aktivitäten des Patienten können wertvolle Hinweise liefern und entsprechend Gegenstand der Anamnese sein. Dabei geht es darum, mögliche alternative Ursachen für Vergesslichkeit auszuschließen, zum Beispiel durch Alkoholkonsum oder Drogen verursachten Gedächtnisverlust.

Demenz-Diagnose: Körperliche Untersuchung

Nach der Anamnese folgt eine gründliche körperliche Untersuchung:

  • Palpation (Abtasten)
  • Auskultation, also Abhören des Körpers mit dem Stethoskop
  • Reflextests
  • Gleichgewichts-Tests

Mit diesen Untersuchungen stellt der Arzt fest, ob Organe geschwächt sind, ob das Nervensystem Dysfunktionen aufweist, das Herz schwach ist und vieles mehr. Dies ist nicht nur wichtig, um den Patienten angemessen behandeln zu können, sondern auch, um frühzeitig Gesundheitsgefährdungen zu entdecken, wie sie durch Belastungen, aber auch durch medikamentöse Maßnahmen hervorgerufen werden können.

Demenz-Diagnose: Bildgebende Verfahren

Ein aufwendigeres Verfahren besteht darin, mit bildgebenden Verfahren Schäden am Gehirn festzustellen. Heute erfolgt dies mittels Computertomographie (CT) bzw. Magnetresonanztomographie (MRT). Alzheimer-typische Veränderungen am Gehirn werden mit diesen Methoden sichtbar. Es gibt noch weitere Verfahren wie PET oder SPECT, welche jedoch nur bei selteneren Formen der Demenz notwendig sind.

Demenz-Diagnose: Labordiagnostik 

Die Labordiagnostik umfasst ein weites Feld von Untersuchungsobjekten. Zu den häufigsten zählen die Untersuchung von:

  • Blut
  • Urin
  • Stuhl
  • Gewebe
  • Sputum (Spucke)

Die Untersuchungen erfolgen durch optische, chemische oder immunologische Verfahren. Anhand standardisierter Laborwerte kann in der Labormedizin schnell ein Set wertvoller Diagnosedaten für den behandelnden Arzt produziert werden. Typische Beispiele solcher Werte sind der Blutzucker oder die Blutfettwerte (Cholesterin, etc.). Gerade Bluttest können eine Früherkennung von Demenz ermöglichen.

Aber auch der Liquor cerebrospinalis, welches eine Flüssigkeit im zentralen Nervensystem ist, kann untersucht werden. Dieses enthält unter anderem ein besonderes Protein, welches als Grundlage des diagnostischen Liquornachweises dient. Durch Analyse des Liquors können zum Beispiel Entzündungsprozesse im Gehirn entdeckt werden.

Das Nervenwasser wird aus dem unteren Wirbelsäulen-Kanal mit einer Kanüle entnommen. 

Demenz-Diagnose: Gentests

Nur ca. 1 % der Alzheimer-Fälle sind vererbt. Bisher kennt man nur drei Gene, welche für eine sehr seltene vererbbare Form von Alzheimer verantwortlich sind. Wenn nun ein Patient bereits sehr früh an Alzheimer erkrankt (deutlich vor dem 65. Lebensjahr), kann unter Umständen ein Gentest sinnvoll sein. Der Gentest kann eine spätere Alzheimer-Erkrankung mit fast 100-prozentiger Sicherheit vorhersagen. Aus diesem Grund bestehen auch ethische (und psychologische) Bedenken, diesen Test durchzuführen. Wer will schon wissen, dass er mit Sicherheit das Alzheimer-Schicksal erleiden wird?

Diagnoseverfahren: Funktionstests 

Funktionstests untersuchen mit gezielten, isolierten Prüfungen die „Funktionstüchtigkeit” des Körpers oder bestimmter Organe. Dieser Test wird häufig bei der Ermittlung von Demenz verwendet.

Klinische Funktionsdiagnostik

Die meisten von uns kennen sie: die einfachen Funktionstests, welche jeder Arzt immer wieder mal durchführt:

  • Zehenspitzenstand: Damit werden die Kraft der Wadenmuskulatur, die Achillessehne und allgemein der Fuß untersucht.
  • Patellasehnenreflex: Der Arzt schlägt sanft mit einem Hämmerchen unterhalb der Kniescheibe auf das Knie, um zu prüfen, ob der Körper ordnungsgemäß mit einer reflexartigen Streckung des Kniegelenkes reagiert.
  • Steinmann-Zeichen: Der Arzt greift die Ferse und das Knie, dann rotiert er den Unterschenkel nach innen und außen, um mögliche Meniskus-Verletzungen festzustellen.
  • Belastungstests wie der 6-Minuten-Gehtest oder der Schellong-Test erlauben es, die Reaktionen des Körpers auf Belastungen wie Stehen, Gehen, Treppensteigen, usw. zu analyiseren.

Demenz-Diagnose: Psychometrische Tests

Bei Verdacht auf Demenz werden psychometrische Tests durchgeführt. Hier prüft der Arzt in einem ersten Schritt das Denk- und Erinnerungsvermögen.

Ein gängiger Test ist der sogenannte Uhrentest. Der Patient wird angewiesen, in einem vorgegebenen Kreis die zwölf Ziffern einer Uhr einzuzeichnen und die Stellung der Zeiger zu einer vorgegebenen Uhrzeit. Der Test entlarvt Schwächen im räumlichen Vorstellungsvermögen und letztlich auch in der Erinnerungsleistung.

Ebenfalls verbreitet ist der Mini-Mental Status Test (MMST): Dieser prüft durch einfache, standardisierte Tests das räumliche Orientierungsvermögen, die Merkfähigkeit, die Erinnerungsfähigkeit, die Aufmerksamkeit, die Rechenfähigkeit und die Sprache. Er benötigt keine besonderen Hilfsmittel und dauert lediglich 10 bis 15 Minuten.

Apparative Funktionsdiagnostik 

In allen medizinischen Fachgebieten existiert eine eigene Fachdiagnostik. Es würde zu weit führen, diese Untersuchungsmethoden im einzelnen zu beschreiben. Stattdessen weisen wir hier nur selektiv auf häufige Untersuchungen hin:

GastroenterologieWasserstoffatemtest, Säuremessung von Speiseröhre oder Magen, Harnstoff-Atemtest, Ösophagusmanometrie zur Diagnose von Schluckstörungen
KardiologieEKG (Ruhe-, Langzeit-, Belastungs-EKG), Blutdruckmessung, Echokardiographie.
PneumologieLungenfunktionstests, Blutgasanalysen, Bronchoprovokation
HNORhinomanometrie
NeurologieElektroenzephalographie; die Untersuchung der elektrischen Aktivität des Gehirns. Das Resultat wird in Form eines EEG (Elektroenzephalogramm) dargestellt. Daneben existieren die Elektroneurografie (ENG) und die Elektromyografie) als Standardmethoden der Neurologie.

Fazit zu den Diagnoseverfahren bei Demenz

Die moderne Medizin hat ein komplexes, durchdachtes und äußerst effektives Diagnostik-System entwickelt. Dieses erlaubt es, eine Erkrankung wie Demenz Schritt für Schritt zu bestimmen und sinnvolle Therapie-Maßnahmen einzuleiten. Selbst in Notfallsituationen können Ersthelfer auf ein gelerntes Diagnose-Schema zurückgreifen. In der Altersmedizin reicht die Palette der Diagnostik von einfachen Gedächtnistests über Laboruntersuchungen bis hin zu Computertomographie und Gentests.

Entscheidend ist aber letztlich nicht der Erkenntniswille des Arztes, sondern das Wohl des Patienten und dessen Angehörigen.