Ab welchem Pflegegrad gibt es Verhinderungspflege?

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Inhaltsverzeichnis

Mit der Abschaffung des alten Pflegestufen-Systems ist es für Pflegebedürftige einfacher geworden, Leistungen aus der Pflegekasse zu beziehen. Die Einstufung in Pflegegrad 1 ermöglicht es, Hilfsbedürftigen mit geringen Einschränkungen im Alltag Pflegegeld zu gewähren. Sind pflegende Angehörige durch Krankheit verhindert oder möchten eine Auszeit von der Betreuung der Pflegeperson nehmen, besteht Anspruch auf Verhinderungspflege. Einige Pflegekassen bezeichnen die Verhinderungspflege auch als Ersatzpflege. Lassen Sie sich daher, wenn Sie einen Antrag auf diese Leistung stellen möchten, von der anderen Bezeichnung der Pflegeleistung nicht verwirren, Ab welchem Pflegegrad die Inanspruchnahme möglich ist und welche Leistungen Pflegende erhalten, wird im Folgenden erläutert.

Wann besteht Anspruch auf Verhinderungspflege?

Eine Frage die viele Menschen, die einen Angehörigen zu pflegen haben, immer wieder beschäftigt ist die Folgende: Ab welchem Pflegegrad gibt es Verhinderungspflege? Da mit der Pflege eines Angehörigen stets eine gewisse zusätzliche körperliche und geistige Belastung verbunden ist, ist der Wunsch nach etwas Pause von Verantwortlichkeiten der Pflege durchaus nachvollziehbar. Hier haben wir einmal die Möglichkeiten der Inanspruchnahme einer Verhinderungspflege oder Ersatzpflege zusammengefasst.

Ab Pflegegrad 2 sind die Voraussetzungen für die Kostenübernahme der Behandlungspflege gegeben. Mit der Abschaffung der Pflegestufen wurden Personen mit Pflegestufe 0 und Pflegestufe 1 automatisch in Pflegegrad 2 eingestuft. Damit können Pflegende von weniger bedürftigen Menschen ebenfalls auf Antrag die Kostenerstattung erhalten. Die Einstufung in den Pflegegrad nimmt bei gesetzlich Versicherten ein Gutachter des MDK vor. Bei Privatpatienten ist MEDICPROOF zuständig. Wichtig ist, dass im Fall einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der zu pflegenden Person, ein Antrag auf Verschlimmerung gestellt werden kann. In diesem Fall erfolgt eine erneute Untersuchung und unter Umständen auch eine neue Einstufung. 

Wie erfolgt die Einstufung in den Pflegegrad?

So wird der Pflegegrad bestimmt

Die Gutachter berücksichtigen folgende Kriterien:

  • Mobilität

Es geht darum, inwieweit sich der Pflegebedürftige im eigenen Hause noch fortbewegen kann. Kann er noch selbständig Treppen steigen, ist er auf einen Rollstuhl, auf Krücken oder einen Treppenlift angewiesen?

  • kognitive und kommunikative Fähigkeiten

Hierbei wird geprüft, ob sich der Betreffende örtlich und zeitlich orientieren kann und zur selbstständigen Entscheidungsfindung in der Lage ist. Es wird darauf geachtet, ob eine Gesprächsführung möglich ist und der Pflegebedürftige zur Mitteilung seiner Bedürfnisse fähig ist. 

  • Verhalten und Psyche

Hier liegt der Fokus auf nächtlicher Unruhe und möglichen Störungen der Motorik. Liegt ein aggressives oder ängstliches Verhalten vor und benötigt der Betreffende diesbezüglich Hilfe im Alltag?

  • Selbstversorgung

Ein wichtiger Punkt ist die Selbstversorgung des Hilfsbedürftigen. Es geht darum, ob dieser sich selbstständig waschen und an- und auskleiden kann. Ob eine Betreuung bei Zubereitung von Essen und Trinken notwendig ist, fällt ebenso in diesen Bereich. 

  • Bewältigung und Umgang mit den Anforderungen von Krankheit und Therapie

Hier wird überprüft, ob eine Pflegekraft notwendig ist, um den Pflegebedürftigen bei der Einnahme von Medikamenten, Infusionen oder Sauerstoff zu unterstützen.

  • Alltag und soziale Kontakte

Dieser Punkt umfasst die Frage, ob sich der Betroffene im häuslichen Umfeld zu beschäftigen weiß. Darunter fallen die Fragen, ob er Hobbys nachgeht und soziale Kontakte zu Nachbarn, Freunden oder Verwandten pflegt.

Nach Überprüfung dieser einzelnen Pflegegrad-Module werden Punkte vergeben. Für jeden einzelnen Grad ist eine bestimmte Punktespanne vorgesehen. Mit steigender Punktezahl erhöht sich der Pflegegrad. Wie die Einstufung erfolgt, wird im Folgenden näher definiert.

Verhinderungspflege bei Pflegegrad 2

Die Einstufung in Pflegegrad 2 erfolgt, wenn der Gutachter eine erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit festgestellt hat. Aus den vorab beschriebenen Kriterien müssen zwischen 27 und 47,5 Punkte ermittelt worden sein.

Tipp

Während neue Antragsteller begutachtet werden müssen, wurden Inhaber der alten Pflegestufen 0 und 1 automatisch in Pflegegrad 2 eingestuft.

Die Leistungen bei Pflegegrad 2

Pflegegeld

Monatlich erhalten Pflegebedürftige 316 Euro. Die Vorraussetzung ist, dass sie von einer Privatperson daheim betreut werden.

Vergleich:

Nach der alten Regelung wurden 244 Euro für Inhaber der Pflegestufe 1 gezahlt. Demenzkranke gehörten der Pflegestufe 0 an und bekamen 123 Euro monatlich erstattet.

Damit ergibt sich bei Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 2 ein Plus von 72 Euro monatlich. Demenzkranke profitieren von einem Plus von 193 Euro, wenn sie von Angehörigen daheim betreut werden.

Verhinderungspflege

Ist die Pflegeperson durch Urlaub oder Krankheit verhindert, kann eine Ersatzpflegeperson einspringen. Die Pflegeversicherung übernimmt die Kosten für diese Form der Verhinderungspflege oder eben Ersatzpflege für maximal vier Wochen pro Jahr. Pflegebedürftige mit Pflegegrad 2 erhalten während der Verhinderungspflege die Hälfte des Pflegegeldes weitergezahlt. Es werden 158 Euro monatlich ausgezahlt. Wird im Kalenderjahr keine Kurzzeitpflege in Anspruch genommen, erhöht sich der Anspruch auf Verhinderungspflege auf sechs Wochen jährlich. Der Leistungsbetrag erhöht sich von 1.612 Euro für 28 Tage im Jahr auf 2.418 Euro jährlich.

Kurzzeitpflege

Kurzzeitpflege bezeichnet eine professionelle Betreuung in einer Pflegeeinrichtung. Diese kann beispielsweise nach einem Aufenthalt im Krankenhaus eintreten. Der Zuschuss wird für maximal 28 Tage gewährt und bleibt auf 1.612 Euro pro Jahr begrenzt.

Tipp

Wer im Kalenderjahr keine Verhinderungspflege in Anspruch genommen hat, kann die Kurzzeitpflege bis auf einen Betrag von 3.224 Euro aufstocken. Der Anspruch besteht bis zu acht Wochen jährlich.

Verhinderungspflege bei Pflegegrad 3

Um in Pflegegrad 3 eingestuft zu werden, muss eine “schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit” vorliegen. Der Pflegegrad wird gewährt, wenn bei der Begutachtung 47,5 bis 69 Punkte erreicht wurden.

Die Leistungen bei Pflegegrad 3

Pflegegeld

Das monatliche Pflegegeld beträgt 545 Euro.

Beispiel

Kurt Trommer war bisher in Pflegestufe 2 eingestuft und bekam bis 2017 pro Monat 458 Euro ausgezahlt. Damit ergibt sich für ihn nach neuer Regelung ein Gewinn von 87 Euro monatlich. Von der neuen Regelung profitiert ebenso Elsa Böttcher. Die Demenzkranke war vormals in Pflegestufe 1 eingestuft und bekam ein monatliches Pflegegeld von 316 Euro. Damit werden Kosten in Höhe von 229 zusätzlich erstattet.

Pflegesachleistungen

Wird die Versorgung durch einen ambulanten Pflegedienst übernommen, werden Pflegesachleistungen in Höhe von 1.298 Euro pro Monat gewährt. Demenzkranke bekamen nach alter Regel 689 Euro an Pflegesachleistungen monatlich. Damit hat sich die Leistung nahezu verdoppelt. Diese Leistung kann allerdings tatsächlich nur gewährt werden, wenn ein ambulanter Pflegedienst involviert ist.

Verhinderungspflege

Der Zuschuss für die Verhinderungspflege bleibt bei allen Pflegegraden konstant. Es ist von maximal 1.612 Euro für einen Monat pro Jahr auszugehen. Die Kombination mit der Kurzzeitpflege ist möglich. Die Verhinderungspflege kann für sechs Wochen in Anspruch genommen werden und lässt sich bis 2.418 Euro jährlich austocken.  Für den Zeitraum der Verhinderungspflege wird die Hälfte des Pflegegeldes weiterhin gewährt. Damit liegt der monatliche Betrag bei 272,50 Euro.

Kurzzeitpflege

An dieser Regelung ändert sich nichts. Die Pflegekasse zahlt maximal 1.612 Euro für einen Zeitraum von maximal 28 Tagen. Wird keine Pflegevertretung gebraucht, kann die ungenutzte Verhinderungspflege angerechnet werden. Der Zuschuss für die Kurzzeitpflege summiert sich auf 3.224 Euro für bis zu acht Wochen im Jahr. Während der Kurzzeitpflege wird die Hälfte des Pflegegeldes weitergezahlt. Der Pflegebedürftige erhält damit 545 Euro.

Verhinderungspflege bei Pflegegrad 4

Um den Pflegegrad 4 zu erhalten, muss nachweislich eine schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit vorliegen, die eine umfassende Pflege notwendig macht. Hat die Begutachtung ein Ergebnis zwischen 70 und 89 Punkten ergeben, ist die Einstufung in diesen Grad gerechtfertigt. 

Die Leistungen bei Pflegegrad 4

Pflegegeld

Es wird ein Pflegegeld in Höhe von 728 Euro monatlich gezahlt.

Diesem Pflegegrad waren die Pflegestufen 2 mit eingeschränkter Alltagskompetenz und die Pflegestufe 3 gleichgestellt. Während sich für Pflegebedürftige der Pflegestufe 3 keine Änderungen ergeben, bekommten die vorab in Stufe 2 eingeordneten Personen 183 Euro mehr Leistung.   

Verhinderungspflege

Der Zuschuss für die Verhinderungspflege ist im SGB festgelegt und beträgt einheitlich 1.612 Euro für bis zu vier Wochen pro Jahr. Wurde die Kurzzeitpflege nicht in Anspruch genommen, stehen dem Pflegebedürftigen maximal 2.418 Euro Verhinderungspflege für bis zu sechs Wochen zu. Die Hälfte des Pflegegeldes wird weitergezahlt. Dies entspricht einem Betrag von monatlich 364 Euro.

Verhinderungspflege bei Pflegegrad 5

Um den höchsten Pflegegrad und damit die umfangreichsten Leistungen zu erhalten, muss eine schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit vorliegen, der eine umfassende tägliche Pflege erfordert. Der Pflegebedarf ist als hoch einzuschätzen und kommt 90 bis 100 Punkten bei der Begutachtung gleich. Angehörige, die die Pflege übernehmen, stoßen spätestens bei diesem Pflegeumfang nicht selten an Ihre eigenen Grenzen der Belastbarkeit. Hier ist es sehr sinnvoll, einen ambulanten Pflegedienst zumindest mit einem Teil der Aufgaben der Pflege zu betrauen.

Die Leistungen bei Pflegegrad 5

Pflegegeld

Wer in diesen Pflegegrad eingestuft wurde, kann ein monatliches Pflegegeld von 901 Euro beanspruchen.

Bislang wurden bei einer vergleichbaren Pflegebedürftigkeit 728 Euro gezahlt. 

Pflegesachleistungen

Wer von einem ambulanten Pflegedienst versorgt wird, kann Pflegesachleistungen beanspruchen. Bei Pflegegrad 5 werden monatlich 1.995 Euro bereitgestellt. Auch hier gilt natürlich – die Inanspruchnahme eines ambulanten Pflegedienstes ist unerlässlich für die GEwährung der Pflegesachleistung.

Verhinderungspflege

Es greift die erläuterte Abrechnung. Pflegende Angehörige erhalten bei Ausfall eine Erstattung von 1.612 Euro für maximal 28 Tage. Damit kann eine Ersatzpflegeperson finanziert werden. Wurde keine Kurzzeitpflege genutzt, kann für die Vertretung Verhinderungspflege in Höhe von maximal 2.418 Euro gezahlt werden. Das Pflegegeld wird anteilig in Höhe von 450,50 Euro monatlich weitergezahlt. 

Welche Leistungen werden bei Pflegegrad 1 gewährt?

Der Pflegegrad 1 wird bei geringen Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit angesetzt. Diese Menschen sind geistig und körperlich fit und beweglich. Ein Anspruch auf Verhinderungspflege besteht nicht. Das alte Pflegestufensystem schloss die Gewährung eines Pflegegeldanspruches aus. Dies hat sich mit der neuen Regelung teilweise geändert. Das trägt vor allem der Tatsache Rechnung, dass auch dieser Personenkreis häufig auf eine gewisse Pflege von Angehörigen oder anderen Pflegepersonen angewiesen ist. Mit den neuen Einstufungen besteht hier zwar nach wie vor kein Anspruch auf Pflegegeld oder auch eine Leistung zur Ersatzpflege.

Allerdings leistet hier die Pflegekasse auf eine andere Art einen Beitrag um die Pflegeperson zu entlasten. So leistet die Pflegekasse in einem solchen Fall einen Entlastungsbeitrag von maximal 125,00 Euro im Monat. Durch diesen Entlastungsbeitrag soll die zu pflegende Person in die Lage versetzt werden, die folgenden Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen:

  • Teilnahme an einer Betreuungsgruppe für leicht Pflegebedürftige. Hier erfolgt eine geistige und körperliche Aktivierung der Person, die dazu führen kann, dass ein möglicher geistiger und körperlicher Verfall, dem viele ältere Menschen mit bestimmten Einschränkungen leider schnell ausgesetzt sind, verlangsamt oder gar weitgehend vermieden wird.
  • einen Alltagsbegleiter für Gespräche, als Unterstützung für Besuche beim Amt, für Spaziergänge oder eine Einkaufshilfe
  • eine Haushaltshilfe, die beim Putzen, dem Abwasch oder anderen beschwerlichen Hausarbeiten wie dem Waschen von Gardinen oder dem Fensterputzen hilft

Allein durch diese Leistung werden Angehörige, die vorher diese Formen der Pflege womöglich zur Gänze selbst übernommen haben, stark entlastet. Insofern kann sich ein Antrag auf Erteilung eines Pflegegrades auch schon bei kleineren Einschränkungen lohnen.

Tipp

Alte Pflegestufen wurden nicht in den Pflegegrad 1 umgewandelt. Eine Neubeantragung ist erforderlich. 

Das Gutachten des Medizinischen Dienstes oder MEDICPROOF muss 12,5 Punkte ergeben, um den Pflegegrad 1 zu erhalten.

Was bringt in einer solchen Situation eine Pflegeversicherung?

Tatsächlich kann eine frühzeitig abgeschlossene Pflegeversicherung für weitere Entlastund der Pflegeperson aber auch der zu pflegenden Person führen. Denn die Leistungen der Pflegekasse aus der Ersatzpflege und der Kurzzeitpflege zusammengenommen, reichen oftmals gerade mal aus, um der Pflegeperson einen klassischen JAhresurlaub zu ermöglichen. Doch gerade Angehörige, die einen nahen Verwandten wie zum Beispiel die eigenen Eltern pflegen, sind dadurch im Alltag oftmals besonders belastet.

Die zusätzlichen Leistungen aus einer privaten Pflegeversicherung können dabei genutzt werden, um weitere Kurzzeitpflegezeiten in einer stationären Pflegeeinrichtung im Jahr zu ermöglichen.

Übrigens: 

Als Pflegeperson gilt in Deutschland, wer mindestens eine Pflegebedürftige Person nicht erwerbsmäßig in deren eigenen häuslichen Umgebung mindestens zehn Stunden in der Woche versorgt. Die Pflege muss dabei an mindestens zwei Tagen in der Woche erfolgen. Für diesen Personenkreis trägt die Pflegekasse seit dem 01. Januar 2017 Beiträge zur Rentenversicherung, zur Unfallversicherung und zur Arbeitslosenversicherung. Dies gilt, wenn die zu pflegende Person einen Pflegegrad zwischen 2 und 5 aufweisen kann. Die Beiträge werden zur Gänze von der Pflegekasse getragen – die Pflegeperson selbst ist beitragsfrei gestellt.