
Ein Raunen geht durch das Kollegenteam, als die Tochter von Frau Meier sich der Wohnküche nähert. Keiner erwidert ihren Blick, als sie sich beim Eintreten auffordernd umsieht. Niemand möchte derjenige sein, der diesmal angesprochen wird. Alle erahnen, dass wieder lange kritisierende Ausführungen über all das kommen werden, was aus Sicht der Tochter mal wieder nicht geklappt hat. Viele von Ihnen kennen sicher auch solche oder ähnliche Situationen. Diese Tipps helfen Ihnen für eine verstehende Begleitung.
Der verstehende Boden
Niemand ist ohne Grund immer unzufrieden und so herausfordernd wie die Tochter von Frau Meier. Von daher ist es zunächst hilfreich, sich bewusst zu machen, was die mögliche Ursache für das Verhalten sein kann. Der Weg bis zur Entscheidung des Heimeinzuges ist oftmals geprägt von einer vielseitigen intensiven Emotionalität.
Da sind Trauer, Hilflosigkeit und Überforderung, die den Boden in der alltäglichen Begleitung ausmachten. Da sind der Druck des Umfeldes mit seinen Erwartungen sowie der Wunsch auf ein Eigenleben mit den ganz persönlichen Bedürfnissen. Und da sind die nicht erfüllbaren, manchmal unausgesprochenen Erwartungen der Betroffenen, die bei vielen Angehörigen große Schuldgefühle hinterlassen. Bei manchen bewirken gerade diese Schuldgefühle, dass sie sich zurückziehen. Andere dagegen fangen an zu kämpfen und das zeigt sich ggf. über eine sehr fordernde Art den Mitarbeitern in einer Einrichtung gegenüber.
6 Tipps für Ihre konstruktive Begleitung
1. Gehen Sie offen auf die Angehörigen zu
Nutzen Sie dabei die Chance der Teamarbeit. Überlegen Sie gemeinsam, wer in Ihrem Team das Gefühl hat, einen guten und wertschätzenden Kontakt zu dem Angehörigen aufbauen zu können. Kommt der betreffende Angehörige dann zukünftig in Ihr Haus, gehen Sie offen auf ihn zu.
2. Beteiligen Sie die Angehörigen
Der Weg der Beteiligung gestaltet sich vielseitig. Bieten Sie Angehörigen die Teilhabe an Ihren Planungen, ggf. auch Vorbereitungen und Durchführungen bei Festen und individuellen Aktivierungsangeboten an. Nicht jeder wird darauf zurückgreifen wollen, aber dieses Angebot signalisiert, dass Angehörige grundsätzlich willkommen sind. Gleichwohl bieten Sie auch den Angehörigen Informationen über Ihre regelmäßigen Angebote im Haus an. Informieren Sie diese zudem rechtzeitig über Änderungen und Neuerungen, etwa wenn Angebote gestrichen werden oder sich Tage und Zeiten verändern.
3. Erwartungen und Wünsche der Angehörigen
Klären Sie Erwartungen und Wünsche der Angehörigen ab. Das räumt von vornherein Missverständnisse und unrealistische Forderungen aus und Sie haben so die Chance, in diesem Gespräch Ihre Möglichkeiten und Grenzen klar zu benennen. So bekommen Angehörige auch Ihr Bemühen mit, dass Sie Ihren möglichen Rahmen für den betreff enden Bewohner ausschöpfen.
4. Greifen Sie Gefühle der Angehörigen auf
Scheuen Sie sich nicht, die ggf. hinter dem fordernden Verhalten liegenden Gefühle wie die große Sorge, Hilflosigkeit und Angst oder auch die mögliche Trauer anzusprechen und entsprechend zu begleiten.
5. Bewerten Sie nicht
Mischen Sie sich grundsätzlich nicht in Familienangelegenheiten ein. Wenn Angehörige Ihnen ihr Erleben erzählen, geben Sie den gezeigten Gefühlen Raum und begleiten Sie diese entsprechend. Vermeiden Sie aber jegliche persönlichen Bewertungen der Familiensituationen oder vermittelnde Aktionen außerhalb Ihrer Einrichtung.
6. Wechseln Sie den Blickwinkel
Fordern Menschen uns durch Ihr Verhalten heraus, hilft es manchmal, den Fokus nicht nur auf das Anstrengende im Miteinander zu richten.
Anregungen, wie Sie für sich sorgen
Egal, wie viel Verständnis und Wissen Sie haben, je nach eigener Befindlichkeit gelingt es nicht immer, diese Gelassenheit im Umgang aufzubringen. Sorgen Sie auch für sich und suchen Sie sich gerade nach solchen herausfordernden Situationen bewusst kleine Inseln zum Auftanken. Hiermit sind Momente gemeint, in denen Sie den Alltag kurzzeitig ruhen lassen und sich ganz auf Sie selbst konzentrieren.
Das kann beispielsweise eine genussvolle Tasse Kaffee sein, das bewusste Essen von Süßem oder die Zigarette an einem ruhigen Ort. Lassen Sie ruhig auch mal „verbalen Dampf “ ab gegenüber einem Kollegen Ihres Vertrauens. Sprechen Sie im geschützten Rahmen über das, was Sie dazu empfinden. Wohltuend kann auch eine entspannende Bauchatemübung sein, bei der Sie bewusst 10-mal tief ein- und wieder ausatmen, bevor Sie sich der nächsten Aufgabe zuwenden.