Pflegefehler: Vermeidung, rechtliche Grundlagen und Haftung

Definition von Behandlungsfehler, Beispiele und Dokumentation, rechtliche Grundlagen und Haftung
Betreuung Pflege Demenz
©Halfpoint - stock.adobe.com
Inhaltsverzeichnis

Die Deutschen werden immer älter – aus diesem Grund besteht ein enormer Bedarf an qualifizierten Pflegefachkräften. Nachwuchskräfte und qualifiziertes Personal sind heutzutage nicht leicht zu finden. Neben dem Fachkräftemangel stellen die Belastungen, die der Beruf mit sich bringt, Herausforderungen für die Mitarbeiter dar.

Darüber hinaus stehen Pflegekräfte im Alltag vor der Schwierigkeit, im Rahmen der Pflege und Versorgung alles richtig zu machen. Pflege- und Behandlungsfehler lassen sich, trotz aller Sorgfalt, nicht ausschließen. Wo Menschen arbeiten, unterlaufen Fehler – das gilt ebenso für Pflegeheime und Krankenhäuser.

Was ist ein Pflegefehler?

Ein Pflegefehler entsteht durch das Tun oder Unterlassen einer Pflegeperson im Rahmen der professionellen Pflege. Haftungsrechtlich ist er mit dem sogenannten Behandlungsfehler gleichzusetzen, dessen Definition indirekt aus dem § 630a Abs. 2 BGB abgeleitet werden kann. Dort heißt es:

Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.

§ 630a Abs. 2 BGB

Übertragen auf die Pflege bedeutet das: Wenn das Ergreifen oder Unterlassen der betreffenden pflegerischen Maßnahmen nicht dem aktuellen Standard der Pflege entspricht oder vom wissenschaftlichen Erkenntnisstand abweicht, liegt laut Definition ein „Pflegefehler“ vor.

Die Aufdeckung und die Vermeidung von Pflegefehlern sind wichtige Bestandteile der professionellen Pflege. Auf welche Art und Weise dies in einer Pflegeeinrichtung geschieht, legt die Fehlerkultur des Pflegeheims bzw. der Einrichtung fest. In der Praxis bleiben Fehler oftmals unentdeckt und damit ohne Folgen.

Vorsätzlich oder fahrlässig verursachte und aufgedeckte Fehler haben straf- und zivilrechtliche Konsequenzen.

Pflegefehler können unterschiedlicher Natur sein. Zu den gängigen Pflegefehlern zählen:

  • Unterlassene Prophylaxe oder Krankheitsbeobachtung
  • Druckgeschwür durch Wundliegen (Dekubitus) durch falsche Lagerung
  • Falsche oder unterlassene Versorgung von Wunden
  • Umsetzung nicht legitimierter pflegerischer Zwangsmaßnahmen
  • Umsetzung nicht-ärztlicher Leistungen, für welche die Pflegeperson keine Berechtigung hat
  • Exsikkose (Austrocknen) oder Mangelernährung
  • Medikationsfehler

Pflegefehler haben Konsequenzen in Form von straf- und zivilrechtlicher Haftung. Schadenersatz und Zahlungen von Schmerzensgeld sowie die Bestrafung des Fehlverhaltens sind die Folgen. Bei schwerwiegenden Fehlern kann der Pflegeperson oder der Einrichtung die Pflegeerlaubnis entzogen werden.

Eine korrekt geführte Dokumentation ist essentiell um nachvollziehen zu können, ob und aus welchem Grund Pflegefehler im Rahmen der Versorgung begangen wurden. Ein Verstoß gegen die Dokumentationspflichten stellt nicht automatisch einen Haftungsfall dar. Die Dokumentation ist in jedem Fall ein beweiserleichterndes Instrument.

Was sind Behandlungsfehler?

Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn ein diagnostischer oder medizinischer Eingriff

  • nicht aus medizinischer Sicht indiziert war.
  • nicht nach den aktuellen medizinischen Erkenntnissen umgesetzt worden ist.
  • wenn die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde.
  • unterlassen wurde, obwohl er medizinisch notwendig war.

Was im Bereich der Pflege der Pflegefehler ist, stellt im medizinischen Bereich – zum Beispiel im Krankenhaus – den Behandlungsfehlen dar.

Haftung für Pflegefehler – Rechtliche Grundlagen

Die rechtliche Grundlage für das Zustandekommen eines Vertrages bilden

  • der Behandlungsvertrag zwischen Patienten und Krankenhaus sowie
  • der Heimbetreuungsvertrag zwischen Heimbewohnern und dem Heimträger (hauptsächlich miet- und dienstvertragliche Elemente).

Im Rahmen von Haftungsansprüchen aus dem Vertrag gilt die Beweislastumkehr. Das bedeutet: Der Träger der Einrichtung muss beweisen, dass alles Notwendige getan wurde, um Risiken für die Heimbewohner zu verhindern. Schuldner ist der Einrichtungsträger (= Vertragspartei), die sich für das Verschulden der Pflegekraft verantwortlich zeigen muss (§ 278 BGB).

Bei deliktischen Ansprüchen kann die Pflegekraft oder die Trägereinrichtung Schuldner sein (§§ 823 ff. BGB). Deliktische Ansprüche sind Tun oder Unterlassen im Hinblick auf Leben, Körper und Gesundheit.

Haftung für Behandlungsfehler – Rechtliche Grundlagen

Ein Behandlungsfehler (§ 66 SGB V) wird haftungsrechtlich anerkannt, wenn die Sorgfaltspflicht im Vergleich zum medizinisch anerkannten Standard verletzt wurde. Es entstand nachweislich ein Behandlungsschaden. Für den Behandlungsschaden (Schadensnachweis) ist die beklagte Gesundheitseinrichtung verantwortlich.

Aus strafrechtlicher Sicht müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein, damit ein Haftungsfall vorliegt:

  • Verletzung der objektiven Sorgfaltspflicht mit
  • strafrechtlicher Schuld.

Zivilrechtlich haftet ein Arzt, gem. § 276 BGB, nach einem objektiv-typisierenden Haftungsmaßstad. Das heißt er haftet, wenn er die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die von ihm zu erwarten gewesen wäre. Er wäre fachlich und persönlich in der Lage gewesen, die verlangte Sorgfalt aufzubringen.

Verstößt der Arzt gegen bewährte Handlungsregeln oder wissenschaftliche Erkenntnisse, begeht er einen „groben Behandlungsfehler“. Dann gilt im Zivilrecht die Beweislastumkehr.

Aufdeckung von Pflegefehlern: Wie kann sich Pflegepersonal absichern?

Beispiel: Eine ambulante Pflegkraft übernimmt die Pflege und Versorgung einer an Demenz erkrankten Frau, welche dem Pflegegrad 2 (ehem. Pflegestufe) zugeordnet ist.

Der Hausarzt hat angeordnet, dass der Frau Kompressionsstrümpfe der Klasse 3 anzuziehen sind. Sie leidet unter einer starken Ödembildung. Die Strümpfe sollen angezogen werden, wenn die Beine abgeschwollen sind. Trotz Umstellung des Tourenplanes gelingt es der Pflegekraft nicht die Frau anzutreffen, wenn sie noch im Bett liegt. Aufgrund der Demenz versteht sie nicht die Hinweise im Bett liegen zu bleiben, bis die Pflegefachkraft eintritt. Wie kann sich die ambulante Pflegekraft in diesem Fall absichern, damit kein Pflegefehler vorgeworfen werden kann?

Lösung: Aus pflegefachlicher Sicht können Kompressionsstrümpfe oder -verbände sachgerecht anlegt werden, wenn dies im Liegen bei entstauten Venen und abgeschwollenen Beinen erfolgt. Zum Beispiel morgens im Bett oder nach 1/2 Stunde Ruhepause.

Die Pflegebedürftige kann den Hinweisen aufgrund ihrer Demenz nicht mehr nachkommen. Die Pflegefachkraft hat in diesem Fall zu entscheiden, was in dieser Situation pflegerisch angezeigt ist. Sie muss dementsprechend richtig handeln und dies dokumentieren.

Da die Kompressionsstrümpfe zwingend nach dem Nachtschlaf oder eine Ruhepause anzulegen sind, ist zu dokumentieren: Die Patientin ist bereits aufgestanden, aus diesem Grund konnten die Kompressionsstrümpfe nicht angelegt werden.

Tritt dieser Fall mehrmals auf, ist folgendermaßen vorzugehen:

Das Problem muss mit dem behandelnden Arzt und dem Betreuer bzw. pflegenden Angehörigen abgesprochen werden. Das Gespräch ist in der Pflegedokumentation zu vermerken.
Es ist zu eruieren, ob der Pflegeeinsatz früher am Morgen durchgeführt werden kann, um die Pflegebedürftige liegend anzutreffen.
Die Pflegebedürftige kann nach der Grundpflege dazu aufgefordert werden sich hinzulegen und sich auszuruhen. Die Pflegefachkraft vervollständigt währenddessen die Pflegedokumentation. Kurz bevor sie geht, zieht sie ihr die Kompressionsstrümpfe an.
Gegebenenfalls ist zu überprüfen, ob das Tragen der Kompressionsstrümpfe – in Abhängigkeit des Gesundheitszustandes – noch notwendig ist.

Zeigen alle Maßnahmen keinen Erfolg, kann sich die Pflegefachkraft durch ein Informationsschreiben gegen einen Pflegefehler absichern. Das Schreiben ist von dem Betreuer der Pflegebedürftigen zu unterschreiben und in der Pflegedokumentation abzulegen.

Das Schreiben ist folgendermaßen aufgebaut:

Name, Adresse und Geburtsdatum der Pflegebedürftigen
Lieber Herr Richter,

als Betreuer der o. g. Pflegebedürftigen weise ich Sie auf die folgende Notwendigkeit hin: Die vom Arzt verordneten Kompressionsstrümpfe oder -verbände sind vor dem Aufstehen oder nach einer 1/2 Stunde Hochlagern der Beine anzulegen. Ich treffe Ihre Betreute, trotz Umstellung meiner Tourenplanung, an, nachdem sie schon aufgestanden ist. Aufgrunddessen kann ich das Ziel der pflegerischen bzw. ärztlichen Behandlung nicht sicherstellen. Dies kann zu unerwünschten Folgen für die o.g. Person führen.
Ich bestätige, diese Information erhalten zu haben.

(Ort, Datum, Unterschrift des Betreuers)

Wie geht man bei der Aufdeckung eines Pflegefehlers vor?

Frage: Ich bin Pflegedienstleitung eines Pflegeheims. Wir haben eine demenzerkrankte Bewohnerin, die sturzgefährdet ist. Aus diesem Grund hat das Amtsgericht zugestimmt, dass wir in der Nacht das Bettgitter hochmachen. Eine Pflegekraft des Wohnbereichs hat vergessen dies zu tun. Die Bewohnerin ist aufgestanden, auf dem Gang des Wohnbereiches herumgelaufen und schwer gestürzt. Seit dem Vorfall frage ich mich was wir tun sollen, wenn einer Pflegekraft ein Fehler unterläuft.

Antwort: Sie als Pflegedienstleitung können nicht in jedem Fall ausschließen, dass es im Pflegealltag zu Fehlern kommt. Als verantwortliche PDL ist es Ihre Aufgabe, den Schaden zu begrenzen und Auslöser von Fehlerquellen zu lokalisieren. Auf diese Weise können Sie und Ihr Team von den Fehlern lernen und die Abläufe verbessern.

Die gewissenhafte und kontinuierliche Aufdeckung von Fehlern kann in der Folge Schlimmeres verhindern.

Kommt es im Pflegeheim zur Aufdeckung eines Pflegefehlers, kann dieses vom Heimbewohner auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagt werden.

Ist ein Pflegefehler unterlaufen ist es wichtig, dass die Pflegeperson Ruhe bewahrt und Schritt für Schritt vorgeht:

Den Vorgesetzten umgehend über den Vorfall informieren.
Notieren aller am Schaden beteiligten Personen und Zeugen.
Wenn zum Beispiel ein Heimbewohner gestürzt ist wird, neben dem Sturzprotokoll, ein Gedächtnisprotokoll erstellt.
Beweismittel, wie zum Beispiel die Pflegedokumentation, sichern und ggf. Fotos machen.
Überlegen, wie sich hinsichtlich des Vorfalls gegenüber Angehörigen und ggf. der Presse positioniert wird.
Der Vorgesetzte muss die Haftpflichtversicherung informieren und das weitere Vorgehen mit einem dort tätigen Anwalt abstimmen.

Pflegefehler – Die Dokumentation als wichtiges Instrument und Beweismittel

Wichtig ist, dass in einer anstehenden Auseinandersetzung alle wichtigen Fakten geordnet vorliegen. Aus diesem Grund sollte, gemeinsam mit dem Mitarbeiter, der den Pflegefehler begangen hat, ein Protokoll über den Vorfall anfertigt werden:

Wann passierte der Vorfall (Datum/Uhrzeit)? Montag, 26.01.2015, 23:45 Uhr
Wo geschah der Vorfall? Pflegeheim „Heiliger Geist“, Wohnbereich C, auf dem Gang auf Höhe von Zimmer 34
Wer wurde durch den Vorfall geschädigt oder wer ist betroffen? Bewohnerin Lydia Breyer, Zimmer 23
Wer war an dem Vorfall beteiligt? Pflegefachkraft Isa Schmidt, Am Tau 7, 53123 Bonn, Tel.: 0123 4556
Gab es Zeugen, zum Beispiel Angehörige? Falls ja, Daten angeben

Zeuge 1: Pflegekraft Rita Rost, Amelsweg 3, 53123 Bonn, Tel.: 0123 77889 Zeuge 2: …
Schilderung des VorfallsFrau Breyer wurde gegen 23:45 Uhr von der Zeugin Rita Rost auf dem Flur des Wohnbereichs C auf dem Boden liegend aufgefunden. Frau Breyer war mit ihrem Nachthemd bekleidet. Sie war ansprechbar und litt unter starken Schmerzen. Die Bettgitter am Bett von Frau Breyer waren nicht hochgestellt.
Eingeleitete MaßnahmenEs wurde durch die Zeugin erste Hilfe geleistet und umgehend der Rettungsdienst und die PDL informiert. Frau Breyer wurde ins Krankenhaus gebracht. Ein Oberschenkelhalsbruch wurde diagnostiziert, der operativ behandelt wurde.
Datum26.01.2019
Unterschrift beteiligte PersonIsa Schmidt
Unterschrift ZeugenRita Rost
Unterschrift PDLAnnegret Meins

Pflegefehler: Beratung in Anspruch nehmen

Bei der Haftpflichtversicherung arbeiten erfahrene Anwälte, deren Beratung in Anspruch genommen werden kann. Zum Beispiel im Hinblick auf das Verhalten gegenüber Krankenkassen oder Patienten, wenn diese Schadensersatzansprüche stellen oder der Schritt der Klage gegangen wird. Die Haftpflichtversicherung wird im ersten Schritt versuchen, mit einem Anwalt die Schadenersatzansprüche außergerichtlich abzuwehren bzw. zu regulieren.

Eine weitere Anlaufstelle stellt das as Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) dar. Das KDA hat ein anonymisiertes Fehlerberichtssystem für typische und seltene Pflegefehler eingerichtet. In der moderierten Datenbank können anonym kritische Vorfälle gemeldet werden, ohne dass Sanktionen zu befürchten sind.

Darüber hinaus unterstützt das Berichtssystem Einrichtungen des Gesundeitswesens, durch Aufklärung, bei der Fehlervermeidung. Die Einführung des Fehlermeldesystems wurde 2014 im Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) verankert.

Wie lassen sich Pflegefehler vermeiden?

Pflegefehler in einer Pflegeeinrichtung lassen sich vermeiden, indem:

  • die Einrichtungsleitung für entsprechendes Fehler- und Risikomanagement sorgt, zum Beispiel durch Benennung eines Beauftragten.
  • Risiken systematisch erfasst und bewertet werden. Grundlage hierfür bilden die aktuellen pflegewissenschaftlichen und medizinischen Erkenntnisse.
  • das Fachwissen zu jeder Zeit auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand ist (z. B. durch regelmäßige Fortbildungen).
  • das Tun im Team regelmäßig reflektiert wird.
  • sich die Pflegepersonen und Einrichtungsleitung ihrer Verantwortung gegenüber Heimbewohnern zu jedem Zeitpunkt bewusst sind.
  • ausschließlich Tätigkeiten von Pflegepersonen ausgeführt werden, für die sie qualifiziert und berechtigt sind.
  • alle Maßnahmen und Vorfälle rund um die Pflege sowie Aussagen Beteiligter korrekt dokumentiert werden.
  • Pflegekräfte sich im Vorfeld über hausinterne Strukturen und Abläufe bei unsicheren Situationen. informieren.
  • Anordnungen, die nicht korrekt oder angemessen erscheinen, hinterfragt werden.

Pflegefehler: Was können betroffene Pflegebedürftige tun?

Erleiden Pflegebedürftige einen Schaden, den eine Pflegeperson oder ein ambulanter Pflegedienst zu verantworten haben, kann Schadenersatz geltend gemacht werden. Zum Beispiel im Rahmen einer Klage.

Beispiel:

Frau Müller ist bettlägerig und in Pfleggrad 2 (ehem. Pflegestufe) eingegliedert. Weil ihr Sohn dringend eine Geschäftsreise antreten muss, sucht er eine Alternative zur Betreuung seiner Mutter. Er erkundigt sich bei der zuständigen Pflegeversicherung. Die Pflegeversicherung teilt ihm mit, dass ein ambulanter Pflegedienst die Pflege und Betreuung der Mutter, die in Pflegegrad 2 (ehem. Pflegestufe) eingruppiert ist, übernehmen wird.

Anschließend beauftragt der Sohn Pflegedienst „Annerose“. Als der Angehörige nach zwei Wochen zurückkehrt, hat die Mutter eine offene Wunde („Dekubitus“ = Druckgeschwür durch Wundliegen) am Oberschenkel.

Damit ein Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld besteht, müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

  1. Der Pflegedienst hat die Pflege nicht fachgemäß ausgeführt.
  2. Der Pflegedienst hat das Fehlverhalten zu verantworten / hat fahrlässig gehandelt.

Der Schadensersatz umfasst den Ersatz von materiellen Einbußen oder die Zahlung von Schmerzensgeld. Schmerzensgeld wird zum Ausgleich von gesundheitlichen oder körperlichen Schäden gezahlt.

Der vertretungsberechtigte Angehörige kann diesen Anspruch für seine Mutter geltend machen – zum Beispiel, indem er den Schritt einer Klage geht.

Ob die Pflegekraft des Pflegedienstes fehlerhaft gehandelt hat, lässt sich mit den sogenannten „Expertenstandards“ aufklären. Die Expertenstandards wurden von dem Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) definiert – Standards, deren Einhaltung überprüfbar ist. Sie gelten verbindlich für Pflegedienste und Pflegeheime und definieren für acht Bereiche den aktuellen wissenschaftlichen Pflegestand. Dazu zählen zum Beispiel die Bereiche

  • Sturzprophylaxe,
  • Ernährungsmanagement,
  • Schmerzmanagement sowie
  • die Prophylaxe von Dekubitus (Druckgeschwür durch Wundliegen).

Gesetzlich Versicherte, wie Frau Müller, haben die Möglichkeit bei ihrer Pflegekasse ein Gutachten in Auftrag zu geben. Dieses klärt den Pflegefehler und die Schuldfrage. Laut Gesetz unterstützt die Pflegekasse Betroffene in solchen Fällen. Die Pflegekasse kann das Gutachten eines Sachverständigen beauftragen. Für Frau Müller entstehen hierbei keinerlei Kosten.

Wird bei dem Gutachten ein Pflegefehler offengelegt, kann folgender Fall eintreten:

Der Pflegefehler hat das Druckgeschwür durch Wundliegen (Dekubitus) nicht ausgelöst. Er wäre ebenso aufgetreten, wenn der Pflegedienst den Pflegefehler nicht begangen hätte. Abhängig ist dies von Frau Müllers gesundheitlichen Umständen.

Führte ein Pflegefehler zum Dekubitus (Druckgeschwür durch Wundliegen), kann Frau Müller Anspruch auf Schadensersatz geltend machen. In diesem Fall erstellen Frau Müller, oder der vertretungsberechtigte Sohn, ein Schreiben an den Pflegedienst. Darin wird er aufgefordert, die Haftung „dem Grunde nach“ anzuerkennen.

Erkennt der Pflegedienst die Haftung nicht an, lässt sich der Schadensersatz per gerichtlicher Klage durchsetzen. In diesem Fall ist ein Anwalt zu konsultieren. Ein spezialisierter Anwalt steigert die Aussichten auf eine erfolgreiche Klage.



Wie hoch der Anspruch auf Schadenersatz ausfällt, ist vom Einzelfall abhängig. Die Haftpflichtversicherung des Pflegedienstes – sofern eine besteht – kommt üblicherweise für den Schadenersatz auf.

Pflegefehler – Recht auf Kündigung des Versorgungsvertrages

Im deutschen Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung bzw. der Sozialen Pflegeversicherung wird ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen gesetzlichen Krankenkassen bzw. Pflegekassen und dem Träger einer Einrichtung geschlossen. Auf Basis des Versorgungsvertrages dürfen Einrichtungen pflegerische oder medizinische Leistungen ausführen.

Im Versorgungsvertrag sind die Bedingungen für die Erbringung von Leistungen für Versicherte geregelt.

Die rechtlichen Grundlagen sind in § 100 SGB V, § 111 SGB V und § 72 SGB XI verankert.

Aufgrund schwerer Pflegefehler kann der Versorgungsvertrag, gem. § 74 SGB XI, gekündigt werden.

Fazit: Pflegefehler haben Konsequenzen

Der rechtlich korrekte Umgang mit Pflegefehlern und Betreuungsfehlern sollte in den Einrichtungen im Detail geregelt sein. Ein entsprechendes Fehlermanagement und regelmäßige Weiterbildungen können Ängste und Sorgen bei allen an der Pflege Beteiligten vermeiden oder zumindest verringern.



Nichtsdestotrotz können Pflegefehler in der Praxis vorkommen. In diesem Fall ist umgehend die Einrichtungsleitung zu informieren. Eine korrekt geführte Dokumentation dient als wichtiges Beweismittel.