Strukturierte Informationssammlung: Pflegeplanung mit der SIS

Pflegeplanung mit SIS: Richtig fragen, fachkundig dokumentieren
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Inhaltsverzeichnis

In den vergangenen Jahren hat die Erstellung der Pflegedokumentation im Pflegealltag ein ausuferndes Ausmaß angenommen. Durch das zunehmende Auseinandersetzen mit der Bürokratie blieb dem Pflegepersonal weniger Zeit für die Pflege und Betreuung. Darunter haben die Motivation der Pflegekräfte und die Attraktivität des gesamten Berufsstandes gelitten. Aus diesem Grund hat sich Bundesministerium für Gesundheit, im Jahr 2014, für eine Entbürokratisierung der Pflege ausgesprochen. Die Strukturierte Informationssammlung (kurz „SIS“) ist eines der daraus resultierenden Ergebnisse. Sie stellt das erste Element des Strukturmodells dar, welches zum Einstieg in einen vierstufigen Pflegeprozess dient.

Wir haben im Folgenden zusammengefasst, was Sie rund um die Strukturierte Informationssammlung wissen müssen.

Welche Ziele verfolgt die Strukturierte Informationssammlung (SIS)?

Das Ziel besteht darin, die Maßnahmenplanung in einer Pflegeeinrichtung individuell an den Bedürfnissen eines Pflegebedürftigen auszurichten. Die Strukturierte Informationssammlung kombiniert die Selbsteinschätzung des Pflegebedürftigen mit der fachlichen Einschätzung der Pflegekraft. Pflegerische Herausforderungen werden im Zuge der Strukturierten Informationssammlung nicht mehr isoliert betrachtet, sondern ermöglichen die Einschätzung der Gesamtsituation. Auf diese Weise wird dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff Rechnung getragen. Die SIS basiert auf dem entbürokratisierenden Strukturmodell.

Von wem stammt das entbürokratisierende Strukturmodell?

Das Strukturmodell zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation ist von der ehemaligen Ombudsfrau Elisabeth Beikirch erarbeitet worden. Das übergeordnete Ziel der Ombudsfrau bestand darin, die Rechte der Pflegekräfte gegenüber Behörden zu stärken und eine Entbürokratisierung der Pflege zu erreichen.

Das Modell ist mit den Verbänden der Einrichtungs- und Kostenträger, dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung sowie mit den Ländern und Juristen abgestimmt. Es wurde erfolgreich in über 60 Einrichtungen erprobt. Die maßgeblichen Spitzenverbände haben Ende 2014 gemeinsam beschlossen, das Strukturmodell flächendeckend einzuführen. Die Teilnahme ist für Pflegeeinrichtungen freiwillig.

Welche Grundprinzipien herrschen beim Strukturmodell vor?

1. Die konsequente Beachtung von Individualität und Selbstbestimmung Pflegebedürftiger.
2. Die schriftliche Dokumentation des Pflegeprozesses wird auf vier Schritte begrenzt. Dieser umfasst1. die Strukturierte Informationssammlung als Einstieg in den Pflegeprozess,

2. die individuelle Maßnahmenplanung,

3. den Pflegebericht,

4. den Behandlungsbogen und die Zusatzdokumente im Hinblick auf das Risikomanagement.
3. Die Strukturierte Informationssammlung erfolgt auf Basis von sechs wissenschaftsbasierten Themenbereichen.
4. Pflegerisiken werden erfasst. Die Risikoeinschätzung erfolgt rational und fachlich begründet.
5. Im Pflegebericht wird aufgezeichnet, was von der Pflegeplanung abweicht.
Das Strukturmodell besteht aus 5 Grundprinzipien.

Zusätzlich empfahl die Ombudsfrau verschiedene Maßnahmen, welche sich auf die Grundstruktur der Pflegedokumentation beziehen:

  • Die individuelle Planung der Pflegemaßnahmen wird auf die Grund- und Behandlungspflege beschränkt.
  • Die Dokumentation der Grund-/Behandlungspflege und Maßnahmen des Risikomanagements sind verpflichtend.
  • Nachweise von Einzelleistungen entfallen im Pflegealltag für routinemäßig wiederkehrende Abläufe in der grundpflegerischen Pflege und Betreuung.
  • Veränderungen sind im Rahmen der Qualitätssicherung zu überwachen.

Wie ist der SIS-Behandlungsbogen aufgebaut?

Der Behandlungsbogen der Strukturellen Informationssammlung besteht aus verschiedenen Feldern:

  • Feld A: Name der pflegebedürftigen Person, Zeitpunkt, Art des Gesprächs (Erstgespräch/Folgegespräch), Handzeichen der Pflegekraft. Der Einrichtung bleibt freigestellt, ob die SIS vom Pflegebedürftigen bzw. seinem Angehörigen unterschrieben wird. 

  • Feld B: Selbsteinschätzung des Pflegebedürftigen. Seine Antworten werden in Zitatform notiert.

  • Feld C1: Nach der Selbsteinschätzung des Pflegebedürftigen führt das Pflegepersonal die fachliche Einschätzung anhand der sechs SIS-Themenbereiche durch (Feld C1). Hier werden die fachlichen Einschätzungen und Beobachtungen im Hinblick auf den Unterstützungsbedarf zu den sechs SIS-Themenfeldern dokumentiert. Wird ein Themenfeld nicht gebraucht oder kann aus bestimmten Gründen nicht abgefragt werden, ist dies zu vermerken.

  • Feld C2: Dieses Feld dient der Einschätzung von Pflegerisiken (Risikomatrix) und basiert auf den Erkenntnissen aus den Feldern B und C1.
Strukturierte Informationssammlung – Behandlungsbogen © ppm-online.org

Welche Grundsätze sind vom Pflegepersonal im Erstgespräch zu beachten?

Im Gespräch gelten die folgenden Grundsätze:

  • Die Einschätzung soll möglichst umfassend erfolgen.
  • Die pflegebedürftige Person wird individuell betrachtet.
  • Alle sechs Themenbereiche werden situationsgerecht in der SIS dokumentiert.

Mit welchen Fragen gestalten Pflegekräfte die Selbsteinschätzung im Erstgespräch erfolgreich?

Damit sich der Gesprächspartner öffnet und frei erzählt, sind offene Fragen von Vorteil. Diese können nicht mit „ja“ oder „nein“ abgetan werden, sondern erfordern eine ausführliche Antwort. Dies führt zu tiefergehenden Informationen.

Beispiele für offene Fragen:

  • Die letzten Monate waren sicherlich schwierig für sie. Wie sehr fühlen Sie sich belastet?
  • Wie sehen Sie selbst das Ergebnis der letzten Behandlung?

Entscheidend ist, dass Sie eine Frage stellen und dann deren Antwort abwarten. Auf diese Weise muss der Pflegebedürftige nicht über mehrere Fragen gleichzeitig nachdenken. Bleiben Sie geduldig, wenn sich der Gesprächsverlauf nicht optimal gestaltet.

Zusätlich gilt für ein erfolgreiches Erstgespräch:

Wählen Sie einfache und leicht Wörter, die für Verständlichkeit in der Kommunikation sorgen.
Betrachten Sie die pflegebedürftige Person individuell.
Behalten Sie den Gesprächsleitfaden unter Kontrolle.
Stellen Sie bei Bedarf Rückfragen zum Verständnis.
Achten Sie auf nonverbale Zeichen.
Notieren Sie das Gesagte im Originalton des Gesprächspartners.

Wichtig

Wenn das Erstgespräch optimal verläuft, erhalten Sie von Ihrem Gegenüber alle gewünschten Informationen. Erfahrung und Routine in der Fragestellung reifen, je mehr Gespräche geführt werden. Sinnvoll ist es, wenn Sie sich vorher einen Gesprächsleitfaden zurechtlegen. Dieser lässt sich auf Basis der gewonnenen Erfahrungen anpassen und erweitern.

Wie erfolgt die Selbsteinschätzung des Pflegebedürftigen?

Der Pflegebedürftige schuldert seine Selbsteinschätzung im Hinblick auf seine Lebens- und Pflegesituation. Ermittelt werden die individuellen Wünsche, Bedürfnisse und die Einstellung des Pflegebedürftigen im Hinblick auf die künftige Pflege und Betreuung.

Formulierungshilfen (Beispiele) für den Einstieg ins Erstgespräch:

  • Was bewegt Sie im Augenblick?
  • Welche Wünsche haben Sie für Ihren Aufenthalt in unserer Pflegeeinrichtung?
  • Was können wir für Sie tun?

Ist die pflegebedürftige Person kognitiv nicht in der Lage das Erstgespräch zu führen, sind ein Angehöriger bzw. ein Vormund beim Gespräch anwesend.

Wichtig

Dokumentieren Sie die Aussagen des Pflegebedürftigen in Zitatform auf dem Behandlungsbogen. Auf diese Weise wird eine ungewollte Eigeninterpretation vermieden.

Anwendungsbeispiel:

Die Pflegekraft dokumentiert im Themenbereich „Bewegung und Mobilität“ das Gesagte der pflegebedürftigen Frau Müller:

Zitat Frau Müller„Meine Kinder kümmern sich so gut um mich. Ich komme zu Hause nicht alleine die Treppe hoch. Die Kinder unterstützen mich und motivieren mich zum Weitergehen. Ich habe eine wunderbare und fürsorgliche Familie. Mich macht es traurig, dass Sie keine Zeit mehr haben, meine Pflege und Betreuung zu übernehmen.“
Die Pflegekraft notiert das Gesagte wortgetreu als direktes Zitat.

Welche Themenfelder beinhaltet die Strukturierte Informationssammlung?

Auf die Selbsteinschätzung folgt die fachliche Einschätzung der Pflegesituation durch die Pflegekraft anhand sechs wissenschaftsbasierter Themenfelder (Feld C1).

Die Themenfelder der SIS nehmen Bezug auf die Module des Neuen Begutachtungsassessment (kurz „NBA“) und umfassen:

Damit das Pflegepersonal eine umfassende Perspektive der Pflegesituation erhält, wurden eine weitere Kategorie ergänzt:

  • Im Rahmen der  stationären Pflege wurde der Bereich „Wohnen/Häuslichkeit“ hinzugefügt.
  • Für die ambulante Pflege wurde der Themenbereich „Haushaltsführung“ ergänzt.

Welchen Leitfragen folgt die Fachkraft in Feld C1 der SIS?

Leitfragen „kognitive und kommunikative Fähigkeiten“

Der Themenbereich „kognitive und kommunikative Fähigkeiten“ befasst sich mit den Leitfragen: 

Kann der Pflegebedürftige sich zeitlich, örtlich und persönlich orientieren und ist er in der Lage zu interagieren? Schätzt er Gefahren und Risiken angemessen ein und erkennt sie als solche?

Dazu zählen zum Beispiel die folgenden Aspekte:

Gestaltung des Tagesablaufs
Erkennen von Personen
Schlaf-Wach-Rhythmus
Vorhandensein der Sinne (Riechen, Schmecken, Tasten, Hören)
Zeitliche Strukturen
Treffen von Entscheidungen
Ausführen bestimmter Handlungen

Herausfordernde Verhaltensweisen sind ebenfalls zu dokumentieren und zu beschreiben, zum Beispiel aggressiv-abwehrende Reaktionen, nächtliche Unruhe und Weglaufen.

Anwendungsbeispiele:

Zitat Frau Müller: „Mein Sohn kümmert sich sehr gut um mich. Er hat viel Stress in seinem Job. Immer wenn er Zeit hat, hilft er mir, wo er nur kann. Er kocht mir Essen und hilft mir beim Umziehen. Abends ziehe ich mich auf mein Zimmer zurück damit er Zeit mit seiner Frau hat.“
Notiz der Pflegekraft:Herr Müller ist ihre Bezugsperson. Sie kann sich zu Hause räumlich gut orientieren und sich sprachlich gut verständigen. Sie ist in der Lage, situativ zu handeln. Ihren Tagesablauf kann sie nicht ohne Hilfe strukturieren.

2. Leitfragen „Mobilität und Bewegung“

Hinter dem Sektor „Mobilität und Bewegung“ stecken die Leitfragen: 

In welchem Umfang ist der Pflegebedürftige in der Lage, sich selbstständig außerhalb seines Zimmers/seiner Wohnung/seines Wohnbereichs frei zu bewegen? Ist es dem Pflegebedürftigen, im Rahmen seines Bewegungsradius, möglich, an der Alltagswelt im Pflegeheim teilzuhaben?

Dazu zählen zum Beispiel die Kriterien:

Möglichkeiten zur Bewegung zwischen Örtlichkeiten
Bettlägerigkeit
Körperliche Beeinträchtigungen
Veränderung der Körperposition
Motivation zur Bewegung
Personelle Unterstützung

Herausfordernde Verhaltensweisen in diesem Zusammenhang sind zu berücksichtigen. Beispiel: Frau Müller versucht sich häufig ohne Hilfe durch das Zimmer zu bewegen, obwohl personelle Unterstützung notwendig ist. Stürze sind die Folge.

Anwendungsbeispiele:

Zitat Frau Müller:„Ich hatte einen Schlaganfall. Seitdem fällt es mir schwer zu laufen, ich benutze einen Rollator. Die Wohnung kann ich ohne meinen Sohn nicht verlassen. Ich sitze gerne in meinem Schaukelstuhl und höre Radio.“
Notiz der Fachkraft:Die Mobilität von Frau Müller ist eingeschränkt. Durch den Schlaganfall spürt sie ihr rechtes Bein wenig. Sie benötigt Unterstützung beim Hinsetzen, wenn sie ihren Rollator abstellt. Ihr Bewegungsradius ist auf die Wohnumgebung beschränkt.

Leitfragen „Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen“

Im Bereich „Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen“ wird eruiert, wie es um den Gesundheitszustand des pflegebedürftigen Bewohners bestellt ist: 

Welche gesundheitlichen Einschränkungen bestehen? Welche besonderen individuellen Belastungen liegen vor? Welche für die Pflege und Betreuung relevanten Einschränkungen liegen vor?

Dazu zählen zum Beispiel:

Umgang mit Medikamenten und benötigten Hilfsmitteln (zum Beispiel Brille, Prothese)
Wundversorgung
Schmerzen
Inkontinenz
Unterstützung bei der Kontaktaufnahme mit Arzt und Therapeut

Anwendungsbeispiele:

Zitat Frau Müller:“Ich verspanne mich immer, wenn ich in meinem Bett liege. Massagen erleichtern mir die Schmerzen. Außerdem muss mein Sohn mich immer wieder daran erinnern, dass ich meine Blutdrucktabletten nicht vergesse. Meine Tabletten für die ganze Woche richtet er mir im Voraus. Wissen Sie, ich bin ganz schön vergesslich.“
Notiz der Fachkraft:Frau Müller leidet unter chronischen Rückenschmerzen. Sie ist bei einem Physiotherapeuten in Behandlung, der die Muskelverspannungen mit Massagen löst. Sie ist nicht in der Lage, ihre Medikamente eigenständig zu richten.

4. Leitfragen „Selbstversorgung“

Im Feld „Selbstversorgung“ geht es um die situationsgerechte Erfassung, inwieweit der pflegebedürftige Bewohner in der Lage ist sich eigenständig zu versorgen. In welchem Umfang ist es ihm möglich Körperpflege zu betreiben, sich anzuziehen, selbstständig zu essen und zu trinken? Kann er Leistungen aus dem Bereich der Behandlungspflege übernehmen?

Zu den Leistungen der Behandlungspflege zählen zum Beispiel

  • die Gabe von Injektionen (z. B. Thrombosespritzen),
  • die Durchführung der Medikation,
  • Verbandswechsel und
  • Wundversorgung.

Fachliche und ethische Konflikte sind bei diesem Themenbereich nicht ausgeschlossen. Häufig haben Pflegebedürftige ein anderes Bild von ihrem Können als eine Pflegeperson. Treten in diesem Zusammenhang Konflikte auf, sind diese in der SIS zu dokumentieren.

Fallbeispiele:

Zitat Frau Müller:„Seit meinem Schlaganfall, habe ich Mühe mich anzukleiden und mich zu duschen, immer öfter lassen meine Beine mich im Stich. Der ambulante Pflegedienst hat mir geholfen, mich im Sitzen zu duschen. Mein Sohn kocht mir essen vor, welches ich mir in der Mikrowelle nur noch erwärmen muss, wenn er auf der Arbeit ist. Seine Eintöpfe schmecken vorzüglich.“
Notiz der Fachkraft:Aufgrund der Bewegungseinschränkungen benötigt Frau Müller Hilfe bei der Körperpflege und beim Ankleiden. Unterstützung leisten ein ambulanter Pflegedienst und ihr Sohn. Zum Duschen benutzt sie einen Duschhocker. Frau Müller isst gerne Eintopf. Sie ist nicht in der Lage zu kochen, kann Essen selbstständig erwärmen.

Leitfragen „Leben in sozialen Beziehungen“

Der Themenbereich „Leben in sozialen Beziehungen“ befasst sich mit der Frage: Ob und inwieweit ist der Pflegebedürftige in der Lage, Aktivitäten in seinem näheren Umfeld sowie dem außerhäuslichen Bereich eigenständig zu gestalten? Benötigt er zum Beispiel Unterstützung bei

  • der Planung von Terminen?
  • der Kontaktaufnahme mit Familie und Freunden?
  • dem Umgang mit belastenden Erfahrungen oder Krankheit?

Fallbeispiele:

Zitat Frau Müller: „Meine drei Enkel kommen mich oft besuchen und erzählen mir von ihren Erlebnissen. Manchmal rufen mich meine alten Freunde an. Das ist immer ein Lichtblick für mich. Nach den Besuchen bin ich müde und ruhe mich gerne in meinem Fernsehsessel aus. Hier mache ich nachmittags immer ein Nickerchen.“
Notiz der Fachkraft:Frau Müller pflegt einen engen Kontakt zu ihren Enkeln und Freunden. Sie erkennt, wann sie Ruhepausen benötigt und ruht sich aus.

Leitfragen „Wohnen/Häuslichkeit“ (stationär) und „Haushaltsführung“ (ambulant)

Der zusätzliche sechste Themenbereich befasst sich mit der Frage: Ist es der pflegebedürftigen Person möglich, die eigene Haushaltsführung zu bewältigen?

Dazu zählen zum Beispiel

  • Einkauf
  • Zubereitung von Mahlzeiten
  • Wäschereinigung
  • Regelung von Behördengängen und finanziellen Angelegenheiten
  • Aufräumen und Reinigung der Räumlichkeiten

Fallbeispiele:

Zitat Frau Müller:„Früher habe ich meinen großen Haushalt völlig ohne Hilfe geführt. Ich war alleinerziehend mit meinen drei Kindern. Jetzt bin ich alt, ich habe nicht mehr so viel Kraft, um alles in Eigenregie zu erledigen. Mein Sohn kauft ein, was ich ihm auftrage und meine Tochter wäscht meine Wäsche. Die Haushaltshilfe kümmert sich darum, dass die Wohnung sauber bleibt.“
Notiz der Fachkraft: Alters- und krankheitsbedingt ist Frau Müller nicht in der Lage, ihren Haushalt zu führen. Sie benötigt Unterstützung in allen Belangen der Häuslichkeit. Frau Müller äußert Wünsche und kann mit Hilfe Einkaufslisten erstellen.

Wie werden Pflegerisiken im Strukturierten Informationsmodell abgebildet?

Pflegerisiken werden in der Risikomatrix abgebildet. Die Risikomatrix setzt die sechs Themenfelder und die Eingangsfragen mit den Expertenstandards in Zusammenhang. Auf diese Weise wird eine fachliche Einschätzung zu Pflegerisiken ermöglicht.

Welche Rolle spielen Expertenstandards in den SIS-Themenbereichen?

Die Expertenstandards finden in der Strukturierten Informationssammlung, im Rahmen der Risikomatrix, Beachtung. Expertenstandards sind Instrumente, die entscheidend zur Weiterentwicklung und Qualitätssicherung in der Pflege beitragen. Berücksichtigt werden pflegewissenschaftliche Erkenntnisse aus Theorie und Praxis. Sie definieren Ziele und Maßnahmen in unterschiedlichen Bereichen der ambulanten und pflegerischen Versorgung. Die Expertenstandards sind gesetzlich in § 113a SGB XI verankert.

Die Expertenstandards wurden durch das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) entwickelt. Sie umfassen acht Bereiche:

  1. Dekubitusprophylaxe
  2. Schmerzmanagement
  3. Chronische Wunden
  4. Förderung der Harnkontinenz
  5. Sturzprophylaxe
  6. Entlass-Management
  7. Ernährungsmanagement
  8. Demenz

Wichtig für die ambulante Pflege:

In jeder MDK-Prüfung zählt die Anwendung von Expertenstandards als Kriterium für die Mindestqualität und die Transparenz. Bei der Überprüfung der Pflegedokumentation wird festgestellt, ob nach Expertenstandards gearbeitet wird.

Wie ist die Risikomatrix auszufüllen?

Die Fachkraft legt, mit dem Ankreuzen von „ja“ und „nein“, fest, wie Sie die SIS-Themenfelder im Hinblick auf die Expertenstandards einschätzt. Kreuzt das Pflegepersonal „ja“ an, muss zusätzlich entschieden werden, ob eine vertiefende Einschätzung (= Differentialassessment) notwendig ist. Hierfür wird ebenfalls „ja“ oder „nein“ angekreuzt. Beim Ankreuzen von „ja“ erfolgt ein vertieftes Assessment der Pflegerisiken.

In dem Feld „Sonstiges“ lassen sich weitere Pflegerisiken erfassen.

Was ist bei der Maßnahmenplanung zu beachten?

Die Maßnahmenplanung stellt die vierte und letzte Stufe des Pflegeprozesses dar. Aus den gewonnenen Erkenntnissen der Strukturierten Informationssammlung wird eine individuelle Maßnahmenplanung für die pflegebedürftige Person abgeleitet. Die Planung der Maßnahmen erfolgt individuell. Die Dokumentation wird auf die Grund- und Behandlungspflege beschränkt.

Wie lässt sich die SIS in den Pflegealltag integrieren?

Wenn Sie nach dem Strukturmodell arbeiten wollen, reicht es nicht, dass Sie die Formulare der Pflegedokumentation austauschen. Das Strukturmodell umfasst viel mehr als ein einzelnes Formular. Vielmehr müssen die internen Steuerungs- und Kommunikationsprozesse sowie das Qualitätshandbuch angepasst werden. Weiterbildungen können notwendig werden, um eine professionelle Umsetzung zu gewährleisten.

Welche Aspekte anzupassen sind, muss die Pflegeeinrichtung eigenständig entscheiden. Wichtig ist, dass alle Aspekte auf den Prüfstand gestellt werden.

Möglicherweise stellen Sie in diesem Zusammenhang fest, dass Sie einzelne Formulare oder Regelungen nicht mehr benötigen. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass in der Regel folgende Instrumente anzupassen sind:

  • das Pflegeleitbild,
  • das Pflegekonzept,
  • die Pflegevisite,
  • die Instrumente der Informationsweitergabe,
  • Konzepte von Fallbesprechungen,
  • die Verfahrensanweisung für Erstgespräche,
  • die pflegerischen Standards,
  • die Musterdokumentation,
  • Stellenbeschreibungen.

Sind Weiterbildungen zur Einführung des Strukturmodells erforderlich?

Ja! Die Einführung des Strukturmodells erfordert ein völlig neues Denken in der Pflege und spezifische Kenntnisse. Die Umsetzung in den pflegerischen Alltag ist – ohne intensive Weiterbildung – nicht möglich. Wichtig ist, dass alle Mitarbeiter in eine positive Einstellung gegenüber den Neuerungen haben und die Entscheidung zur Umsetzung mittragen.

Eine Weiterbildung kann im Rahmen von Präsenz- und Onlinekursen erfolgen. Gängige Themen zur Weiterbildung sind:

  • Die Vorbereitung der SIS-Einführung in der Pflegeeinrichtung.
  • Planungshilfen, wie und wann welche Aktivitäten im Hinblick auf das Strukturmodell umzusetzen sind.
  • Die richtige Kommunikation von Maßnahmen bei Mitarbeitern und die Förderung der Verständlichkeit.
  • Die organisatorische Steuerung der Umsetzung sowie Maßnahmen der Erfolgsmessung.
  • Das Definieren von Gesprächsleitfäden, Formulierungshilfen und Herstellen von Praxisbezug durch Fallbeispiele und Anwendungsbeispiele.
  • Der Zusammenhang von SIS und Expertenstandards in der Praxis und der korrekte Umgang mit Expertenstandards.

Können einzelne Elemente des SIS-Modells umgesetzt werden?

Nein! Das SIS-Modell ist urheberrechtlich geschützt. Einzelne Teile können nicht übernommen werden. Jeder Aspekt des Strukturmodells, mit seinen vier Elementen, wurde im Entwicklungs- und Erprobungsprozess fachlich und juristisch sorgfältig abgewogen. Es hat eine unveränderte Verwendung in der vorgesehenen Art und Weise zu erfolgen. Die im Abschlussbericht des BMG getroffenen Aussagen gelten ausschließlich bei Verwendung der durch das BMG und den Pflegebevollmächtigten freigegebenen Fassungen des Strukturmodells (Version 1.1 und ggf. spätere Versionen).

 

Fazit: Richtig planen, fragen und dokumentieren – Das A und O der Strukturierten Informationssammlung

Die Bürokratie war in der Pflegebranche lange Zeit der Motivationskiller Nummer 1. Abhilfe schafft die SIS als Bestandteil einer neuen Grundstruktur der Pflegedokumentation. Der SIS ist es gelungen, die bisherige pflegerische Dokumentationspraxis zu revolutionieren. Sie klärt, wie Beeinträchtigungen in der Selbstständigkeit von Pflegebedürftigen überwunden, verringert oder ausgeglichen werden können.

Die Einführung des Strukturmodells erfordert ein völlig neues Denken in der Pflege, spezifische Einstellungen und Fachkenntnisse. Die Umsetzung in den pflegerischen Alltag ist, ohne intensive Weiterbildung, nicht möglich.

Werden die Neuerungen professionell eingeführt und umgesetzt, trägt das Ihrer Einrichtung bei:

  • zu einer für eine Entbürokratisierung in Ihrer Pflegeeinrichtung,
  • der Motivation des Pflegepersonals,
  • der Attraktivität Ihrer Stellenbeschreibungen und
  • zum positiven Image