Chronische Wunden in der Pflege: Reinigung und Ursachen

Erfolgreiches Wundmanagement in der Pflege
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Inhaltsverzeichnis

Chronische Wunden führen zu erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensqualität. Mit jeder chronischen Wunde sind neben körperlichen Beeinträchtigungen und Schmerzen auch Einschränkungen der Selbständigkeit und des sozialen Lebens verbunden. Hauptsächliche Gründe dafür sind mangelnde Bewegungsfähigkeit und Belastungen, die durch Wundgeruch und -exsudat hervorgerufen werden. Aufgabe der Pflege ist die Förderung und Erhaltung des gesundheitsbezogenen Selbstmanagements und des Wohlbefindens der Betroffenen.

Was ist eine chronische Wunde?

In der Fachliteratur besteht weitgehende Einigkeit darüber, Wunden dann als chronisch zu bezeichnen, wenn diese innerhalb von vier bis zwölf Wochen nach Wundentstehung – hier spielen Wundart und Kontextfaktoren eine bedeutende Rolle – unter fachgerechter Therapie keine Heilungstendenzen zeigen. Zu den drei häufigsten Wundarten zählen Dekubitus, diabetisches Fußsyndrom und gefäßbedingter Ulcus cruris.

Chronische Wunden sind überwiegend das Resultat von Komplikationen bestehender Grunderkrankungen, wie der chronisch venösen Insuffizienz, der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit oder des Diabetes mellitus. Eine Heilung dieser Wunden und eine Rezidivprophylaxe sind nur dann zu erreichen, wenn die Grunderkrankung behandelt und das Verständnis des Patienten/Bewohners für die Krankheit und den Umgang damit gefördert wird.

Betroffene verfügen über individuelle Vorstellungen zur Entstehung der Wunde und deren Therapie und erleben Ängste im Umgang mit der Wunde. Eine wertschätzende und verstehende Haltung sowie eine bedürfnisorientierte Pflegeplanung, Information, Schulung und Anleitung der Betroffenen sind wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Behandlung von Menschen mit chronischen Wunden.

Was sind mögliche Ursachen für chronische Wunden?

Die Entstehung einer chronischen Wunde hat, wie bei vielen anderen Erkrankungen auch, häufig nicht nur eine einzelne Ursache. Um die Bewohner, die Angehörigen, aber auch die Mitarbeiter von Einrichtungen über diese Faktoren zu informieren, empfehlen wir, unsere Übersicht zu nutzen:

Innere Ursachen:

  • Verengung der großen Blutgefäße (Makroangiopathie)
  • Verengung der kleinen Blutgefäße (Mikroangiopathie)
  • Erhöhte Infektionsneigung
  • Sensibilitäts- und Gefühlsstörungen in den Händen, Beinen und Füßen (Polyneuropathie)

Äußere Ursachen:

  • Zu enges Schuhwerk
  • Kompressionsstrümpfe

Venöses Ulcus cruris

  • Chronische venöse Insuffizienz
  • Ödeme

Arterielles Ulcus cruris

  • Periphere arterielle Durchblutungsstörungen

Dekubitus

  • Hoher Auflagedruck durch Liegen oder Sitzen ohne Bewegung
  • Lange Druckverweildauer in Zusammenhang mit:
  • Durchblutungsstörungen
  • Fieber
  • Schwitzen
  • Nicht kontrollierter Harn- oder Stuhlabgang (Inkontinenz)
  • Geringes Körpergewicht/Untergewicht (Kachexie)
  • Übergewicht (Adipositas)
  • Scherkräfte
  • Flüssigkeitsmangel
  • Diverse Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus, Anämie, Herzinsuffizienz)

Tipp

Nehmen Sie die Übersicht zu Bewohner- und Angehörigengesprächen mit und verdeutlichen Sie die Ursachen bzw. den Zusammenhang zwischen der bestehenden Krankheit und der Entstehung einer chronischen Wunde. Thematisieren Sie dieses auch bei Ihrer nächsten Übergabe oder Dienstbesprechung. Damit wird die Sensibilität für die Zusammenhänge zwischen Erkrankung und Wundentstehung bei allen Pflegekräften erhöht.

Befragung erleichtert den Umgang mit chronischen Wunden

Nicht nur Erkrankungen können die Ursache für die Entstehung chronischer Wunden sein. Einwirkungen von außen können ebenfalls dazu beitragen. Eine genaue Anamnese und Datenerhebung sind für Sie bei der Planung Ihrer Prophylaxen besonders hilfreich.

Stellen Sie bei der Aufnahme Ihrer Bewohner gezielt Fragen in Bezug auf bestehende Wunden. Hierbei sollten Sie unbedingt die Zeiträume der Wundbehandlung erfragen. Auch Angaben zur Häufigkeit des Auftretens und zur Wundbehandlung selbst enthalten wichtige Informationen für Sie. Nutzen Sie das Wissen Ihrer Bewohner und deren Angehöriger und erheben Sie die Daten mit Hilfe unseres Fragebogens:

  1. Wie häufig ist bei Ihnen bereits eine Wunde aufgetreten?
  2. Können Sie sich noch erinnern, ob die Wunden zu einer bestimmten Jahreszeit aufgetreten sind?
  3. Tritt die Wunde regelmäßig auf, z. B. alle 2 Monate?
  4. Wissen Sie noch, wie die Wunde behandelt wurde?
  5. Wie lange hat die Wundheilung gedauert?
  6. Welche Größe und Tiefe hatte die Wunde? Können Sie das beschreiben?
  7. Haben Sie generell Hautprobleme? Wenn ja, welche?
  8. Welche Produkte verwenden Sie zur Hautpflege?
  9. Haben Sie das Gefühl, dass Ihnen Baden oder Duschen guttut?
  10. Nutzen Sie bei der Körperpflege lieber warmes oder kälteres Wasser?
  11. Machen Sie Wechselbäder?
  12. Welche Größe und Tiefe hatte die Wunde?

Tipps für den Verbandswechsel bei chronischen Wunden

Je sensibler Sie beim Verbandswechsel vorgehen, desto geringer wird die Pflegeabwehr ausfallen. Mit den folgenden Tipps und Hinweisen erfahren Sie, worauf Sie achten müssen:

  1. Lösen Sie Verbände richtig ab: Falsches Ablösen von Folienverbänden kann zu schmerzhaften Hautläsionen und Rissen führen. Lösen Sie Folien und Klebeverbände, indem Sie sie stückweise überdehnen und auseinanderziehen.
  1. Wärmen Sie die Spüllösung im Wasserbad auf Körpertemperatur an.
  1. Pflegen Sie die Umgebungshaut der Wunde mit einem Hautschutz. Auf diese Weise greift das Wundsekret die gesunde Haut nicht an.
  1. Nutzen Sie einen geeigneten Kompressionsverband: Um die Wundheilung zu unterstützen, wird der Arzt vermutlich einen Kompressionsverband anordnen. Hier gibt es Unterschiede:
  • Langzug-/Gummifadendauerbinde:

Dies ist eine bis 10 cm breite, hoch elastische Binde mit großer Dehnbarkeit. Dies bewirkt einen niedrigen Arbeits- und einen hohen Ruhedruck. Sie muss nachts sowie bei mehr als 10-minütiger Bettruhe abgewickelt werden, da sie einschnürt.

  • Kurzzugbinde/elastische Binde:

Dies ist eine 8 bis 10 cm breite Binde mit geringer Dehnbarkeit. Sie bewirkt starke Kompression mit hohem Arbeitsdruck und niedrigem Ruhedruck. Ihr Pflegekunde kann sie auch nachts tragen.

  1. Verwenden Sie eine schmerzstillende Wundauflage: Hält der Wundverband die Wunde feucht und absorbiert Exsudat, dann entstehen automatisch weniger Schmerzen in der Wunde. Trocknet die Wunde hingegen aus, führt dies zu Schmerzen. Die optimale Wundversorgung muss der Arzt anordnen.

Gegen Wundschmerzen hilft ein mit Ibuprofen versetzter Schaumverband). Hier wird der Wirkstoff in die Wunde eingebracht. Beachten Sie, dass auch hier der Arzt den Schaumverband zuvor anordnen muss.

Wie geht man mit chronischen Wunden bei Demenz um?

Versorgen Sie einen dementen Pflegekunden, können unterschiedliche Komplikationen auftreten: Ihr Pflegekunde

  • wehrt den Verbandswechsel bzw. die Wundbehandlung ab,
  • entfernt den Verband,
  • berührt oder manipuliert die Wunde, oder
  • behindert die Wundbehandlung durch unwillkürliche Bewegungen.

Wir möchten Ihnen hier einige Möglichkeiten und Lösungsansätze anbieten, die Ihnen den Umgang mit Demenzpatienten erleichtern sollen.

Lösungsansätze für die Wundbehandlung von Pflegekunden mit Demenz

Pflegekunden mit einer beginnenden Demenz haben Einbußen ihres Urteilsvermögens, können aber auf viel Lebenserfahrung zurückgreifen. Daher sind sie der Meinung, selbst zu wissen, was für ihre Wunden gut ist. Entsprechend legen sie Hand an, etwa wenn die Wunde schmerzt oder der Verband unansehnlich geworden ist.

Lösungsansatz:

  • Ein Appell an die Einsichtsfähigkeit ist vermutlich vergeblich, da Ihr Pflegekunde diesen schnell vergisst, wenn Sie nicht da sind.
  • Erschweren Sie das Entfernen des Verbandes und lassen Sie Ihren demenzerkrankten Pflegekunden nicht lange unbeobachtet. Raten Sie dies auch Angehörigen zuhause.
  • Beziehen Sie Ihren Pflegekunden mit in die Wundbehandlung ein. Möglicherweise entwickelt er hierdurch ein besseres Gespür für sein Handeln.
  • Wenn er den Verband entfernt hat, fragen Sie ohne Vorwurf nach dem Grund. Wenn Sie hierüber etwas erfahren, können Sie dem Impuls zur Manipulation an der Wunde möglicherweise entgegenwirken.

Pflegekunden mit fortgeschrittener Demenz vergessen, dass sie eine Wunde haben. Sie entdecken den Verband zufällig. Dieser lädt zum Nesteln ein und unversehens liegt die Wunde frei.

Lösungsansatz:

  • Ihr Pflegekunde sollte immer etwas anderes Interessanteres in der Nähe haben, an dem er nesteln kann.
  • Probieren Sie Folgendes: Wenn Ihr Pflegekunde etwa einen Verband am Bein hat, legen Sie einen farbigen Verband am Arm an. Auf diese Weise schaffen Sie einen Gegenreiz.
  • Fühlschnüre mit verschiedenen Handschmeichlern oder eine Nesteldecke regen ebenfalls zum Tasten an, sodass der Verband weniger interessant wird.

Verhinderung des Heilungsprozesses: Suchen Sie nach den Gründen

Um Komplikationen zu vermeiden kann der Arzt bei Patienten über der eigentlichen Wundbehandlung einen Zinkleinverband ansetzen, da dieser mühsamer zu entfernen ist. Auf diese Weise können die Pflegekräfte meistens rechtzeitig eingreifen und verhindern, dass die Pflegekunden die Verbände entfernen.

Stellen Sie sich nun jedoch folgende Situation vor: Ein Pflegekunde reagiert auf den Zinkleinverband, indem er immer stiller wird oder oft weint und kaum noch isst. Einen Zusammenhang zu der Wunde stellt zunächst niemand her, denn beim Verbandswechsel äußert der Pflegekunde keine Schmerzen. Es wird ein Schmerzmittel angeordnet und tatsächlich verbessert sich der Allgemeinzustand des Patienten in den nächsten Wochen.

Fazit: Das Beispiel zeigt, dass es nicht nur darauf ankommt, das unerwünschte Verhalten abzustellen. Vielmehr muss die Ursache für die Abwehr oder Wundmanipulation herausgefunden werden. Eine orientierte Person kann es bewusst aushalten, wenn die Wunde schmerzt, juckt oder der Verband drückt. Eine Person mit Demenz reagiert einzig auf den unangenehmen Reiz und versucht, sich Linderung zu verschaffen. Zudem kann sie nicht gezielt mitteilen, was sie stört.

Oberste Priorität: Sorgen Sie unbedingt für Schmerzfreiheit

Chronische Wunden schmerzen nicht nur beim Verbinden, sondern dauerhaft. Der Grund hierfür ist eine permanente Nervenreizung. Sind Schmerzen vorhanden, informieren Sie sofort den Arzt. Eine angemessene Schmerzbehandlung besteht aus einer Dauermedikation und einer Zusatzdosis für den Verbandswechsel.

Wichtig: Rechtzeitige Medikamentengabe

Achten Sie darauf, dass Ihr Pflegekunde die Zusatzmedikation mindestens eine halbe Stunde vor Verbandswechsel erhält. Sonst kann sie nicht rechtzeitig wirken.

Mit der folgenden Skala möchten wir Ihnen die Einschätzung von Wundschmerzen bei Ihren demenziell veränderten Pflegekunden erleichtern. Sollten Sie dabei mehr als fünf Punkte mit einer merklichen Ausprägung bewerten, sprechen Sie unbedingt mit dem Arzt, damit Ihr Pflegekunde Schmerzmittel erhält.

Schätzen Sie bitte ein, wie stark die einzelnen Kriterien ausgeprägt sind:

(0 = keine Veränderung, 1 = leicht, 2 = mittel, 3 = stark)

  • Der Pflegekunde äußert Schmerzen verbal oder nonverbal.
  • Er nimmt in Ruhe eine Schonhaltung ein.
  • Er bewegt sich weniger als sonst, oder aber er ist motorisch viel unruhiger als üblich.
  • Er schützt schmerzhafte Körperzonen, etwa durch Abwehr, Zurückziehen.
  • Er schläft schlechter als sonst.
  • Seine Mimik ist stark verkrampft.
  • Er hilft beim Waschen und Ankleiden weniger mit als sonst.
  • Er zieht sich zurück und zeigt kaum noch Interesse.
  • Er ist herausfordernder in seinem Verhalten (gerät z.B. leichter in Streit).

Der Expertenstandard zur Pflege von Menschen mit chronischen Wunden

Aufgabe der Pflege ist die Förderung und Erhaltung des gesundheitsbezogenen Selbstmanagements und des Wohlbefindens der Betroffenen. Sie sollten Maßnahmen zur Heilung der Wunde, zur Symptom- und Beschwerdekontrolle und zur Rezidivprophylaxe erlernen und das Erlernte in ihren Alltag integrieren und umsetzen. Wundheilung und Rezidivprophylaxe sind nur in enger Zusammenarbeit mit den Betroffenen, deren Angehörigen und den beteiligten Berufsgruppen zu erreichen. Akutversorgung ist nicht angebracht, da sie weder mit dem chronischen Charakter der Erkrankung noch den Alltagsbedürfnissen der Patienten/Bewohner zu vereinbaren ist.

Der Expertenstandard richtet sich an Pflegefachkräfte in der ambulanten Pflege, der stationären Altenhilfe und im Krankenhaus. Die Thematik ist jedoch so komplex, dass eine allgemeine pflegerische Expertise nicht in jedem Fall zu allen notwendigen Aufgaben befähigt und spezielle Kompetenzen notwendig sind. Zusätzlich müssen Pfleger die Möglichkeit haben, Fachexperten anlassbezogen beratend und unterstützend hinzu ziehen zu können.

Einrichtungen, in denen nur selten Menschen mit chronischen Wunden betreut werden, können auf eine vollständige Einführung des Expertenstandards verzichten. Es sollte aber dafür Sorge getragen werden, dass die erforderliche Kompetenz zur Anwendung des Expertenstandards immer verfügbar ist.

Der Expertenstandard orientiert sich an der Logik professionellen Handelns, er kann jedoch nicht vorschreiben, wie dieses Handeln umgesetzt wird. Hier kommt dem Management von Einrichtungen die Aufgabe zu, für eindeutige und effektive Verfahrensregelungen Sorge zu tragen. Dies trifft auch auf die ambulanten Pflegedienste zu.

In der Literaturanalyse wurden auch Fragestellungen zu direkten Wundtherapie, z. B. Auswahl von Verbandsmaterial, aufgenommen, die juristisch gesehen nicht zum Aufgabenbereich von Pflegekräften gehören. Dies geschah, weil die Pflegefachkräfte im Rahmen der Durchführungsverantwortung die sachgerechte Anordnung der Therapie einschätzen können müssen. Bereits viele Ärzte im niedergelassenen Bereich verlassen sich auf die Fachkompetenz pflegerischer Fachexpertinnen und ordnen die Wundversorgung bereits dem pflegerischen Verantwortungsbereich zu.

Die folgende Tabelle zeigt einen Auszug aus dem Expertenstandard zur Verbesserung des Umgangs mit chronischen Wunden:

Zum Umgang mit der obigen Tabelle haben wir für Sie zwei Fragebögen zur Struktur- und Prozessqualität zusammengestellt. Diese dienen der Analyse der Pflegequalität und begleiten die Umsetzung des Expertenstandards zur Pflege von Menschen mit chronischen Wunden:

Alle Aspekte die von Ihnen mit „Nein“ beantwortet werden, müssen Sie unbedingt in Ihrer Jahresplanung für umzusetzende Maßnahmen aufnehmen. Stimmen Sie auch Ihren Fortbildungsplan auf die weniger bekannten Themen ab.

Weiterführende Informationen

Möchten Sie mehr über den angemessenen Umgang mit chronischen Wunden erfahren? Benötigen Sie ergänzende Tipps zu diesem Thema? Sind Fragen offengeblieben? Dann werfen Sie gern einen Blick auf unsere weiteren Artikel, Links und Dokumente:

Fazit

Pflegekunden mit chronischen Wunden haben oft genaue Vorstellungen zur Entstehung der Wunde und deren erfolgreicher Behandlung. Zugleich erleben Sie Ängste im Umgang mit der Wunde. Betroffene Menschen wünschen sich vorrangig Normalität in ihrem Alltag. Abhängig von der individuellen Lebenssituation müssen daher zur Erreichung einer bestmöglichen Lebensqualität bei den Pflegezielen entsprechend andere Prioritäten gesetzt werden.

Eine wertschätzende und verstehende Haltung und Kommunikation sowie eine bedürfnisorientierte Pflegeplanung, Information, Schulung und Anleitung der Betroffenen und des Pflegepersonals sind wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Behandlung von Menschen mit chronischen Wunden.