Verhinderungspflege ambulant

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Inhaltsverzeichnis

Der Pflegebereich gliedert sich in unterschiedliche Pflegeformen. Als Maßstab gilt die Pflegebedürftigkeit. Welche Form der Pflege angewandt wird, ist vom Grad der Pflegebedürftigkeit abhängig. Die Einteilung richtet sich nach den Vorgaben des SGB XI. Als pflegebedürftig gilt eine Person, wenn sie sechs Monate und länger auf Unterstützung bei der Körperpflege oder im Haushalt angewiesen ist. Die Einteilung wird in unterschiedliche Pflegestufen vorgenommen. Eine grobe Einteilung kann in stationäre und ambulante Pflege vorgenommen werden. Die hier besprochene Verhinderungspflege wird der ambulanten Pflege untergeordnet.

Die einzelnen Pflegeformen im Überblick

Stationäre Pflege

Die Pflegeperson ist in einer Einrichtung untergebracht und wird dort verpflegt. Es wird in teilstationäre und vollstationäre Pflege unterschieden. Die Betreuung übernehmen ausgebildete Pflegekräfte.

Ambulante Pflege

Die Pflegebedürftigen werden im häuslichen Umfeld betreut. Die Pflegekasse übernimmt die vom behandelten Arzt festgelegten Maßnahmen.

Tagespflege

Die Tagespflege kann mit der teilstationären Pflege gleichgesetzt werden. Damit pflegende Angehörige keinen Verdienstausfall erleiden, wird eine Ersatzpflege zu den Arbeitszeiten sichergestellt. Die Tagespflege ist stationär wie ambulant durchführbar.

Verhinderungspflege

Die hier besprochene Verhinderungspflege besitzt Parallelen zur Tagespflege. Pflegende Angehörige werden bei Krankheit, Urlaub oder kurzzeitigen Auszeiten durch eine Ersatzpflege entlastet. Die Pflegekasse übernimmt die Kosten für einen begrenzten Zeitraum.  

Nachtpflege

Ist der Pflegebedürftige auf Betreuung bei Nacht angewiesen, greift die Nachtpflege. Nachtpflege führen Pflegedienste ambulant durch. Die Betreuung kann ebenso in einem Pflegeheim erfolgen.

Intensivpflege

Bei akuten oder lebensbedrohlichen Krankheiten kommt die Intensivpflege in Betracht. Der Pflegende überwacht die Körperfunktionen und ist speziell geschult. Die Sterbebegleitung zählt zu dieser Pflegeform.

Vollzeitpflege

Bei hohem Pflegeaufwand wird die Vollzeitpflege sichergestellt. Die Betreuung kann ambulant oder stationär erfolgen. Bei ambulanter Vollzeitpflege kann eine Haushaltshilfe hinzugezogen werden.

Kurzzeitpflege

Die Kurzzeitpflege ähnelt der Verhinderungspflege. Sie kann in Anspruch genommen werden, wenn der pflegende Angehörige eine Vertretung benötigt. Möglich ist eine Kurzzeitpflege maximal vier Wochen pro Jahr.

Palliativpflege 

Diese Pflegeart trifft auf Patienten mit lebensbedrohlichen oder unheilbaren Erkrankungen zu. Die Pflege wird stationär durchgeführt und geht in die Sterbebegleitung über.

Hospizpflege

Diese Form der stationären Pflege ermöglicht unheilbar Kranken ein würdevolles Sterben und wird stationär durchgeführt.

Definition: Was bedeutet Verhinderungspflege?

Verhinderungspflege ermöglicht pflegenden Angehörigen eine Auszeit. Die Leistungen der Pflegeversicherung können von Pflegebedürftigen in Anspruch genommen werden, die von Angehörigen im häuslichen Umfeld betreut werden. Die Ersatzpflegeperson kann mit dem Pflegebedürftigen verwandt oder verschwägert sein. Nachbarn oder Freunde kommen ebenfalls in Frage. 

Beispiel

Frau Krieger pflegt seit sechs Jahren ihren Mann Kurt im eigenen Haus. Es handelt sich um einen Vollzeit-Job. Muss Frau Krieger einen Arzttermin wahrnehmen, oder sie hat sich mit ihrer Freundin zu einem Theaterbesuch verabredet, muss dieser Ausfall überbrückt werden. Für einen Aufenthalt im Krankenhaus musste ebenfalls eine Überbrückung gefunden werden. Kurt Krieger wird während der Abwesenheit der Gattin von einem ambulanten Pflegedienst, der Schwägerin oder Nachbarn betreut. Frau Krieger ist als Betreuerin für ihren Mann registriert und bekommt Pflegegeld gezahlt. Kann Frau Krieger die Pflege nicht übernehmen, wird von Verhinderungspflege gesprochen. Kurt Krieger wird nicht wie gewohnt von der Ehefrau gepflegt, sondern eine andere Betreuungsperson überbrückt den Zeitraum des Ausfalls.

Wer kann Verhinderungspflege beantragen?

Verhinderungspflege kann bei häuslicher Pflege beantragt werden. Nach § 39 SGB XI besteht Anspruch auf Kostenerstattung, wenn die Pflegeperson wegen Urlaub, Krankheit oder einem anderen Grund verhindert ist. Pflegebedürftige können die Leistung für Angehörige, Verwandte, Nachbarn oder Freunde beantragen, welche sich eine Auszeit von der häuslichen Pflege nehmen.

Um einen Antrag stellen zu können, muss der Antragsteller Pflegegrad 2 oder eine höhere Einstufung besitzen. Die Pflege muss von Angehörigen, Freunden, Bekannten oder Hilfskräften durchgeführt werden. Für professionelle Pflegekräfte wird keine Verhinderungspflege gezahlt. Das Geld bekommt der Antragsteller überwiesen. Die Höhe richtet sich nach dem Pflegegrad. Verhinderungspflege steht zur freien Verfügung und kann direkt an die Pflegeperson ausgezahlt werden.

Verhinderungspflege und Pflegegeld

Wird Verhinderungspflege in Anspruch genommen, zahlt die Pflegekasse (bei der die Pflegeversicherung abgeschlossen wurde) das Pflegegeld zur Hälfte weiter. Der Zeitraum ist auf vier Wochen pro Jahr beschränkt. Wird ein Klinikaufenthalt notwendig, wird für vier Wochen das volle Pflegegeld gezahlt. Bei stationärer Rehabilitation bleibt der Leistungsanspruch ebenfalls erhalten. Das volle Pflegegeld erhalten Pflegebedürftige bei einer ärztlich verordneten häuslichen Krankenpflege durch ausgebildete Pfleger. Nach § 34.2 Pflegeversicherungsgesetz muss ein Anspruch auf hauswirtschaftliche Versorgung und Grundpflege gegeben sein.   

Verhinderungspflege beantragen – was ist zu beachten?

Um Verhinderungspflege erhalten zu können, muss der Antragsteller sechs Monate oder länger zuhause gepflegt worden sein. Wichtig ist, dass die verhinderte Betreuungsperson als Pflege namentlich in den Unterlagen erscheint.

Im Zusammenhang mit der Beantragung der Leistung gilt es, mit einigen Ungereimtheiten aufzuräumen.   

Verschiedene Pflegekassen bestehen darauf, Verhinderungspflege im Voraus zu beantragen. Dies ist rechtlich nicht vorgeschrieben. In § 39 Nr. 2 Absatz zwei heißt es dazu:

“Anspruchsvoraussetzung ist nicht, dass die Leistung im Voraus beantragt wird”.

Die Beantragung im Voraus lässt sich schwer realisieren. Niemand weiß, wann er im Kalenderjahr zeitlich ausfallen wird und welche Tage oder Stunden abgesichert werden müssen.

Tipp

Wird im Antrag ein Zeitraum für die Verhinderungspflege abgefragt, bietet es sich an, das ganze Jahr anzugeben. Ein Grund der Verhinderung muss nicht genannt werden. Es genügt “sonstiges” anzukreuzen oder “Verhinderung” in das entsprechende Textfeld einzutragen.

Werden Urlaub oder Krankheit als Gründe genannt, geht die Pflegekasse von einer ganztägigen Verhinderung aus. Das Pflegegeld wird entsprechend gekürzt und für die Verhinderungspflege bleiben 42 Tage zur Verfügung. 

Tipp

Pflegekunden sollten nicht die Begriffe “Antrag” und “Abrechnung” miteinander verwechseln. Der Antrag auf Verhinderungspflege ist nicht die Abrechnung. Wer das Geld ausgezahlt haben möchte, muss die Verhinderungspflege gesondert abrechnen und die entsprechenden Nachweise vorlegen.

Fälschlicherweise wird vermehrt angenommen, dass ein Leistungsanspruch erst vorliegt, wenn der Pflegegrad seit sechs Monaten und länger besteht. Ob Verhinderungspflege gewährt wird, hängt nicht mit der Einstufung in den Pflegegrad, sondern mit dem Beginn der ambulanten Pflege zusammen. Die Pflegeperson muss den Pflegebedürftigen ein halbes Jahr zuhause betreut haben, damit ein Leistungsanspruch vorliegt. Die Einstufung in Pflegegrad 2 oder höher ist zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend.   

Kann man Verhinderungspflege ambulant rückwirkend beantragen?

Verhinderungspflege kann rückwirkend abgerechnet werden. Der Leistungsanspruch verfällt nicht mit Ende des Kalenderjahres. In § 45 SGB I kann nachgelesen werden, dass die Beantragung bis vier Jahre nach Durchführung der Verhinderungspflege möglich ist. Bewilligt wird die Leistung, wenn entsprechende Nachweise vorgelegt werden. Ist den Pflegenden nicht bewusst, dass ihnen Verhinderungspflege zusteht, kann das Geld nachträglich beantragt werden. Die Quittungen und Rechnungen müssen lückenlos vorgelegt werden, um die Leistung zu erhalten. Kosten, die sich nicht mit Nachweisen belegen lassen, werden nicht erstattet.

Wie ist der Kostennachweis zu erbringen?

Hierfür gibt es keine vorgeschriebene Form. Die Verhinderungspflege gilt als nachgewiesen, wenn sie durch Quittungen oder Rechnungen belegt wird. Die Nachweise sollten chronologisch abgeheftet oder aufgeklebt werden. Dies erleichtert die Vorgehensweise bei der Abrechnung und verkürzt den Termin der Auszahlung.

Was sind die finanziellen Leistungen bei Verhinderungspflege?

Der Leistungsanspruch auf Verhinderungspflege ist jährlich auf 1.612 Euro begrenzt. Der Zeitraum darf längstens sechs Wochen umfassen.

Die Höhe der Leistungen im Überblick:

Pflegegrad 1   –   0 Euro

Pflegegrad 2   –   474 Euro (316 Euro x 1,5)

Pflegegrad 3   –   817,50 Euro (545 Euro x 1,5)

Pflegegrad 4   –   1.092 Euro (728 Euro x 1,5)

Pflegegrad 5   –   1.351,50 Euro (901 Euro x 1,5)

Eine Aufstockung des Betrages ist durch die Einbindung der Kurzzeitpflege möglich. Wurde im Kalenderjahr der kurzzeitige stationäre Aufenthalt nicht genutzt, kann ein Betrag von bis zu 806 Euro auf die Verhinderngspflege übertragen werden. Dies entspricht einer Aufstockung der Leistung auf maximal 2.418 Euro pro Jahr.

Verhinderungspflege durch pflegende Angehörige 

Wird der Pflegebedürftige in Abwesenheit der eingetragenen Pflegeperson durch einen gewerblichen Pflegedienst betreut, kann der volle Betrag beansprucht werden. Wird die Verhinderungspflege durch Angehörige übernommen, sind Einschränkungen zu machen. Der Personenkreis umfasst Menschen, die bis zum zweiten Grad mit dem Gepflegten verwandt oder verschwägert sind.

Konkret erhalten pflegende Eltern, Kinder, Ehepartner oder Großeltern eine begrenzte Verhinderungspflege. Ist die Pflegevertretung nicht mit dem Gepflegten verwandt und lebt mit ihm in einer häuslichen Gemeinschaft, trifft die Regelung ebenfalls zu. Die Erstattung bleibt auf die Summe des für diesen Zeitraum gezahlten Pflegegeldes beschränkt. 

Tipp

Wer Verhinderungspflege anstatt Pflegegeld in Anspruch nimmt, muss mit einer geringeren Leistung rechnen.

Eine Beschränkung auf die Höhe des Pflegegeldes erfolgt nicht, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Verhinderungspflege der Erzielung von Erwerbseinkommen dient. Ist dies der Fall, können nahe Verwandte die volle Leistung erhalten. Wird der Pflegebedürftige durch nicht im Haushalt lebende Freunde, Bekannte, Nachbarn oder andere Privatpersonen betreut, besteht der volle Leistungsanspruch.  

Kann man Verhinderungspflege stundenweise beantragen?

Ab und an sind Pflegepersonen nicht ganztags verhindert. Sie gehen für wenige Stunden aus dem Haus, um Besorgungen zu machen oder sich einen Besuch im Kino oder Theater zu gönnen. Wird die Ersatzpflege für Stunden benötigt, ergeben sich Unterschiede in der Abrechnung. Es ergeben sich Vorteile, wenn tatsächlich eine stundenweise Verhinderungspflege beantragt wird. Diese Vorzüge beziehen sich auf die Anrechnung des Pflegegeldes und die zeitliche Begrenzung der Leistung.

Beide Möglichkeiten im Vergleich:

Verhinderungspflege ambulant regulär

  • Die Ersatzpflege umfasst mehr als acht Stunden am Tag.
  • Die Leistungen sind begrenzt.
  • Das Pflegegeld wird für den Zeitraum der Versorgung gekürzt.

Verhinderungspflege ambulant stundenweise

  • Die Ersatzpflege umfasst weniger als acht Stunden am Tag.
  • Die Kurzzeitpflege wird nicht auf die Verhinderungstage angerechnet.
  • Das Pflegegeld wird für den Zeitraum der Versorgung nicht gekürzt.

Beispiel

Beate Pohlmann pflegt ihren Vater seit mehr als sechs Monaten in seiner Wohnung. Heute nimmt sie sich eine Auszeit und verbringt den Tag mit den Enkelkindern im nahen Schwimmbad. Insgesamt ist Beate Pohlmann zehn Stunden nicht als Pflegeperson verfügbar. Während dieses Zeitraumes kümmert sich eine Ersatzpflege um den Vater. Die Pflegeperson schaut zweimal für jeweils eine Stunde bei dem Pflegebedürftigen vorbei. Die Verhinderungspflege wird für zwei Stunden in Anspruch genommen.

Für die Pflegekasse ist die Abwesenheit von zehn Stunden maßgeblich. Die Abrechnung erfolgt nach der beschriebenen regulären Verhinderungspflege. Die Auszeit von zehn Stunden bildet die Grundlage für die Berechnung. Richtig wäre, eine stundenweise Verhinderungspflege für die zwei Stunden Ersatzpflege abzurechnen.

Dies hat Beate Pohlmann nicht bedacht. Ihr wurde daraufhin das Pflegegeld gekürzt und der Zeitraum wurde auf die maximale Verhinderungspflegezeit von 42 Kalendertagen jährlich angerechnet. Um keine Nachteile hinnehmen zu müssen, ist stundenweise Verhinderungspflege bis zu einer maximalen Zeitspanne von 7 Stunden und 59 Minuten zu beanspruchen.

Welche Unterschiede bestehen zwischen Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege?

Die Verhinderungspflege ist eine Kurzzeitpflege, da der Zeitraum begrenzt ist. Der Unterschied zwischen beiden Pflegeformen liegt in der Pflegeumgebung. Bei der Verhinderungspflege verbleibt der Pflegebedürftige in seinem eigenen Zuhause. Die Kurzzeitpflege wird stationär in einer Pflegeeinrichtung durchgeführt.

Verhinderungspflege kann stundenweise oder tageweise beansprucht werden. Die Betreuung muss nicht zwingend von professionellen Pflegekräften durchgeführt werden. Ersatzpflege kann von Angehörigen oder Bekannten übernommen werden. Die Leistungen für die Verhinderungspflege sind unabhängig vom Pflegegrad. Ab Pflegegrad 2 wird ein jährlicher Pauschalbetrag von 1.612 Euro gewährt.

Kurzzeitpflege in einer Einrichtung kann maximal 56 Tage jährlich beansprucht werden. Der Zuschuss ist mit dem Pauschalbetrag für die Verhinderungspflege identisch und wird für die Pflegegrade 3 bis 5 gezahlt. Kurzzeitpflege kann beansprucht werden, wenn Angehörige die Pflegeperson seit sechs Monaten oder länger betreuen.

Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege lassen sich miteinander kombinieren, wenn eine der Leistungen im Kalenderjahr nicht in Anspruch genommen wurde.   

Muss Verhinderungspflege versteuert werden?

Bei einem Blick in den Gesetzestext ist zu lesen: Einnahmen für Leistungen zur Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung sind bis zur Höhe des Pflegegeldes steuerfrei. § 37 SGB XI gibt vor, dass Steuerfreiheit besteht, wenn die Leistung von Personen erbracht wird, die eine sittliche Pflicht erfüllen.

Steuerfrei ist die Verhinderungspflege für Angehörige, wenn die Jahressumme des Pflegegeldes nicht überschritten wird. Es wird nicht vom maximalen Budget ausgegangen, sondern von der tatsächlich geleisteten Zahlung.

Eine sittliche Pflicht liegt vor, wenn die Pflege von Angehörigen, Freunden oder nahestehenden Personen ausgeübt wird. Wenn die Ersatzpflegeperson nicht mehr als einen Pflegebedürftigen betreut, wird davon ausgegangen. Steuerfreies Einkommen ist in der Steuererklärung anzugeben. Ein Verweis auf die sittliche Pflicht ist ratsam.