Verkürzte Muskeln und Sehnen

Bewegungseinschränkungen bei der Pflege berücksichtigen
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Inhaltsverzeichnis

Wie verändert sich der Bewegungsapparat, wenn Menschen über längere Zeit liegen oder sich kaum noch bewegen können? Welche Folgen hat es, wenn Muskeln oder Sehnen an Elastizität verlieren – etwa in Hüfte, Rücken oder Fingern? Gerade in der Pflege älterer oder bewegungseingeschränkter Menschen spielen solche Veränderungen eine große Rolle. Sie erschweren nicht nur die Mobilisation, sondern erhöhen auch das Risiko für Schmerzen, Stürze oder Haltungsschäden.

Dieser Beitrag zeigt, woran Sie verkürzte Muskeln und Sehnen erkennen, welche Ursachen dahinterstecken – und welche pflegerischen Maßnahmen und Übungen helfen, Mobilität zu fördern und Folgeprobleme zu vermeiden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Veränderung bei Bewegungsmangel: Längeres Liegen oder Sitzen ohne Ausgleich verändert den Bewegungsapparat. Muskeln verkürzen sich, Sehnen verlieren an Elastizität. Die Mobilität nimmt ab, Schmerzen und Sturzrisiken nehmen zu.
  • Ursachen für Muskel- und Sehnenverkürzungen: Bewegungsmangel, Bettlägerigkeit, Überlastung, Fehlhaltungen, Übergewicht, Verletzungen oder angeborene Anomalien.
  • Folgen muskulärer Dysbalancen: Einseitige Muskelbelastung verursacht Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und ein erhöhtes Verletzungsrisiko, insbesondere an Hüfte, Rücken, Beinen oder Fingern.
  • Typische Krankheitsbilder bei Sehnenverkürzungen: Kamptodaktylie, Morbus Dupuytren und Hammerzehen schränken Bewegungen ein und erfordern häufig langfristige Therapien.
  • Pflegerische Maßnahmen zur Beweglichkeitserhaltung: Dehnübungen, Wärmeanwendungen, gezielte Lagerung, aktive Bewegungsförderung sowie Unterstützung durch Physio- und Ergotherapie.

Was können die Ursachen für verkürzte Muskeln und Sehnen sein?

  • Bewegungsmangel z. B. langes Sitzen: Längeres Sitzen ohne Ausgleich führt zu verkürzten Muskeln, vor allem im Hüft- und Rückenbereich.
  • Bettlägerigkeit: Bei längerer Bettlägerigkeit bauen sich Muskeln ab und verkürzen sich, da sie kaum beansprucht werden.
  • Ein Übermaß an Aktivität: Das führt dazu, dass sich die Muskeln auch im Ruhezustand nicht mehr entspannen können.
  • Hohes Körpergewicht: Übergewicht belastet das Muskel-Skelett-System dauerhaft und begünstigt muskuläre Fehlbelastungen.
  • Muskuläre Dysbalance: Eine unbehandelte muskuläre Dysbalance kann eine Reihe an Folgeerkrankungen nach sich ziehen, wie z. B. Hohlkreuz, Probleme mit der Bandscheibe usw.
  • Schon- und Fehlhaltung: Eine Schonhaltung soll Schmerzen vermeiden, verstärkt aber Verspannungen und kann auf Dauer chronische Beschwerden oder weitere orthopädische Probleme auslösen.
  • Folge von Verletzungen: Nach Verletzungen kann es durch reduzierte Bewegung schnell zu Verkürzungen betroffener Muskelgruppen kommen
  • Angeborene Anomalien (z. B. Skoliose, unterschiedlich lange Beine usw.): Diese führen oft zu ungleichmäßiger Muskelbelastung und langfristiger Verkürzung.
  • Einseitige Belastung (etwa der Beine): Wird eine Körperseite stärker beansprucht, verkürzen sich dort bestimmte Muskeln schneller.

Was ist eine muskuläre Dysbalance?

Bei einer muskulären Dysbalance sind die funktionell gegenüberliegenden Muskeln bzw. Muskelgruppen (Agonist/Antagonist) unterschiedlich stark ausgeprägt – Stichwort: Muskelverkürzung/Muskelabschwächung.

Muskuläre Dysbalancen können auf drei Ebenen entstehen

FrontalebeneVorder- und Rückseite des KörpersBeispiel, die Oberschenkel-Muskulatur bei Läufern. Deren vordere Oberschenkel-Muskulatur ist durch die „einseitige Belastung“ meist stärker ausgeprägt als die hintere.
SagittalebeneLinke und rechte KörperseiteBeispiel: Je nach dem ob Links- oder Rechtshänder, die Muskulatur eines Arms oder einer Hand ist immer stärker ausgeprägt- Stichwort: Muskuläre Dysbalance
TransversalebeneOberer und unterer KörperbereichBeispiel: Bodybuilder. Deren Oberkörper wird meist trainiert, die Beinmuskulatur aber völlig vernachlässigt. Das Risiko an Rückenbeschwerden zu erkrankten nimmt dadurch deutlich zu. Gleichzeitig sorgt eine derartige muskuläre Dysbalance für eine Zunahme des Verletzungsrisikos.

Was kann die Auswirkung einer muskulären Dysbalance sein?

  • Die Leistungsfähigkeit des Patienten lässt deutlich nach.
  • Das Risiko für Muskelrisse und Zerrungen nimmt zu
  • Muskelreizung
  • Reizung der Gelenke
  • Bänderreizung
  • Sehnenreizung
  • Das Entstehen von Triggerpunkten aufgrund von Überlast wird begünstigt.
  • Sind die Rücken Muskeln betroffen, kann das zu ernsten Rückenschmerzen führen.

Tipp

  • Der Besuch einer Seniorenrückenschule einmal in der Woche ist nicht ausreichend, um verkürzte Sehnen und Muskeln etwa am Hüftbeuger zu verhindern. Eine konstante Mobilisation der zu betreuenden Senioren ist wichtig!
  • Hat die Pflegekraft den Verdacht, dass der zu betreuende Patient von verkürzten Sehnen und/oder Muskeln betroffen ist, dann sollte sie den Physiotherapeuten oder den Hausarzt ansprechen, wenn er das nächste Mal in der Pflegeeinrichtung vor Ort ist.

Verkürzte Sehnen: Die wichtigsten Infos

Grundsätzlich können bei allen Gelenken im menschlichen Körper sich verkürzte Sehnen entwickeln. In der Regel sind aber vermehrt das Hüftgelenk, die Finger, die Knie und die Füße betroffen.

Welche Erkrankungen können eine Verkürzung der Sehnen zur Folge haben?

Kamptodaktylie/Beugekontraktur/echte Sehnenverkürzung

Eine Kamptodaktylie betrifft in der Regel das Mittelgelenk von Ringerfinger und kleinen Finger. Die Erkrankung bzw. die Beugekontraktur ist vor allem für die Pflegekraft deutlich wahrzunehmen, wenn der Patient die betroffenen Finger überstrecken soll – Stichwort: Hammerfinger:

Wissenswert

Was bei der Kamptodaktylie zur Verkürzung oder Schrumpfung der Sehnen führt, ist bis jetzt noch nicht zu hundert Prozent wissenschaftlich belegt.

Morbus Dupuytren

Morbus Dupuytren ist eine Erkrankung der Sehnen in den Fingern und Händen. Diese Erkrankung führt genau genommen nicht zu einer direkten Verkürzung der Sehnen, sondern zu einer krankhaften, aber gutartigen, Veränderung des Bindegewebes in den Handinnenflächen. Eben diese Bindegewebsveränderungen sind der Grund, warum die Sehnen zu „kurz“ werden.

Morbus Dupuytren: Die Symptome

Was genau die Ursache bzw. der Auslöser der Erkrankung ist, ist bis jetzt noch nicht bekannt.

Wie wird Morbus Dupuytren behandelt?

Konservative Behandlungsmethoden (keine OP) sind bei Morbus Dupuytren nicht ausreichend. Ein operativer Eingriff ist hier der einzige Weg.

Hammerzehe/Digtus Malleus

Bei der Hammerzehe bzw. Digtus malleus sind die Sehnen im Bereich der Zehen und Füße verkürzt. Dadurch kommt es zu einer Beugekontraktur im End- und Mittelfußgelenk.

Was sind die Symptome von Digtus malleus?

Das auffälligste Symptom von Digtus malleus ist die besonders auffällige Krallen- oder Hammerzehe.

Was ist der Auslöser von Digtus malleus?

  • Falsches Schuhwerk
  • Neuromuskuläre Erkrankungen
  • Rheumatische Erkrankungen
  • Kompartmentsyndrom
  • Poliomyelitis
  • Hohlfuß
  • Spreizfuß

Wie wird diese Form der Sehnenverkürzung behandelt?

Die Sehnenverkürzung, die zur Hammerzehe führt, kann sowohl mit konservativen als auch operativen Maßnahmen behandelt werden.

Wissenswert

  • Eine weitere Erkrankung, die zu einer Verkürzung der Sehnen führen kann, ist Morbus Sudeck
  • Eine Sehnenverkürzung wird nur dann operativ behandelt, wenn sie zu derartigen starken Schmerzen und/oder Bewegungseinschränkungen beim Patienten führt, dass der äußerst schmerzhafte Eingriff die einzige Möglichkeit einer Besserung darstellt.

Welche konservativen Behandlungsmethoden bei einer Sehnenverkürzung gibt es?

Häufig lassen sich Beschwerden durch eine konservative Behandlung spürbar lindern oder im Verlauf sogar aufhalten, insbesondere bei frühzeitiger Intervention und regelmäßiger Anwendung. Dies sind die wichtigsten konservativen Maßnahmen:

  • Dehnübungen: Gezielte Dehnübungen helfen, die verkürzte Sehne sanft zu verlängern und die Flexibilität der betroffenen Körperregion zu verbessern. Wichtig ist, die Übungen regelmäßig und unter Anleitung, beispielsweise durch einen Physiotherapeuten, durchzuführen, um Überdehnungen oder Schmerzen zu vermeiden.
  • Wärmeanwendung vor der Mobilisation: Wärme durch Wärmekissen oder warme Handtücher erhöht die Durchblutung und entspannt die Muskulatur. Besonders bei älteren oder bewegungseingeschränkten Patienten erleichtert Wärme den Einstieg in Dehn- oder Bewegungsübungen und reduziert das Risiko schmerzhafter Muskelverkrampfungen.
  • Physiotherapie: Ein individuell abgestimmter Therapieplan mit dem Ziel, muskuläre Dysbalancen auszugleichen und gezielt zu kräftigen, ist bei Sehnenverkürzungen zentral. Die physiotherapeutische Behandlung kombiniert aktive und passive Mobilisation, Dehnung, Kräftigung und Gangschulung.
  •  Massagen: Regelmäßige Massagen lockern das umliegende Gewebe, verbessern die Durchblutung und bereiten verkürzte Sehnen optimal auf Dehnübungen vor. Auch Triggerpunktbehandlungen können Spannungen reduzieren und damit Schmerzen lindern.
  • Bewegungsförderung im Alltag: Ob beim Waschen, Anziehen oder bei kleinen Spaziergängen: Jede Alltagsbewegung wirkt dem Muskelabbau entgegen. Pflegekräfte sollten Bewegungsanlässe aktiv fördern – auch wenn die Bewegung zunächst nur minimal erscheint.
  • Ergotherapie zur Alltagserleichterung: Bei Einschränkungen durch Sehnenverkürzungen, etwa an Händen oder Füßen, hilft Ergotherapie dabei, Bewegungsabläufe alltagsnah zu trainieren und praktische Hilfsmittel wie Greifhilfen oder spezielles Schuhwerk in den Alltag zu integrieren.