10-R-Regel der Medikamentengabe

Das steckt hinter den 10 Rs: So verabreichen Pflegekräfte Medikamente sicher
Herr mit weißem Bart sitzt am Frühstückstisch und hält in der einen Hand seine Medizin, in der anderen Hand ein Glas Wasser.
Mit einem großen Glas Leitungswasser nimmt der Bewohner seine Medikamente ein. (KI-generiert)
Inhaltsverzeichnis

Aufgrund der großen Anzahl an Patienten und einem dadurch bedingten Fehlerrisiko schreibt das Pflegehandbuch zum Notfallmanagement und zum Qualitätsmanagement in der Pflege den Pflegekräften verschiedene Maßnahmen in Form von Arbeitsanweisungen vor, um eine maximale Medikamentensicherheit zu gewährleisten. Eine dieser Maßnahmen, um Medikationsfehler zu vermeiden, ist die sogenannte 10-R-Regel, die auch in abgewandelter Form (5-R-Regel, 6-R-Regel usw.) in der Pflege praktiziert wird.

Das Wichtigste in Kürze

  • Sicherstellung der richtigen Medikation: Pflegekräfte müssen sicherstellen, dass die richtige Person das richtige Medikament (z.B. Tabletten als häufigste Darreichungsform) in der richtigen Dosierung, Applikationsart und zum richtigen Zeitpunkt erhält.
  • Einhaltung weiterer Sicherheitsaspekte: Neben der korrekten Verabreichung spielen auch die Anwendungsdauer, die Aufbewahrung von Arzneimitteln sowie mögliche Wechselwirkungen mit Nahrungsmitteln eine zentrale Rolle für eine wirksame und sichere Medikamentengabe. So können etwa Milchprodukte die Aufnahme bestimmter Antibiotika beeinträchtigen, Grapefruit die Wirkung vieler Herz- und Blutdruckmedikamente verstärken und Alkohol die Nebenwirkungen von Sedativa oder Schlafmitteln erheblich erhöhen. Auch pflanzliche Präparate wie Johanniskraut können durch Enzyminduktion die Wirksamkeit anderer Arzneimittel (z. B. Immunsuppressiva) deutlich herabsetzen.
  • Dokumentationspflichten erfüllen: Jede Medikamentengabe, insbesondere bei Betäubungsmitteln, erfordert eine lückenlose Dokumentation inklusive Verordnung, Abgabe, Lagerung und Verabreichung.
  • Fehlermanagement im Fokus: Ein strukturiertes Risikomanagement hilft, Medikationsfehler frühzeitig zu erkennen, zu melden und zukünftige Fehler durch klare Arbeitsanweisungen zu vermeiden.

Was bedeutet die 10-R-Regel zur qualitätsgesicherten Medikamentengabe?

1. Die richtige Person
2.Das richtige Medikament
3.Die richtige Dosierung
4.Die richtige Applikationsart
5.Der richtige Zeitpunkt
6.Die richtige Dauer der Anwendung
7.Die richtige Aufbewahrung
8.Das richtige Risikomanagement
9.Die richtige Dokumentation
10.Die richtige Entsorgung
Beim Einsatz von Medikamenten muss auf einiges geachtet werden.

1. Richtige Person: Überprüfen Sie erst wer Ihnen gegenüber ist

Die erste Frage der 10-R-Regel: Bevor die Pflegekraft dem Patienten das Medikament verabreichen darf, hat sie zu überprüfen, ob sie den richtigen Patienten vor sich hat. Hierfür hat sie verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl.

  • Die Pflegekraft kann den Patienten direkt ansprechen. „Guten Tag, Frau X, Herr X“.
  • Die Pflegekraft kann überprüfen, welcher Name am Bett des Patienten steht.
  • (Im Krankenhaus) Das Namensarmband des Patienten überprüfen.

Tipp

Um Medikamentenverwechslungen zu vermeiden, sollten Medikamentendispenser immer mit dem Namen des Patienten, dessen Zimmernummer und Geburtsdatum beschriftet werden.

2. Richtiges Medikament: Vor dem Austeilen der Medikamente muss die Pflegekraft die Arzneimittel kontrollieren

Um zu verhindern, dass dem Patienten versehentlich ein falsches Medikament gegeben wird, ist das 4-Augen-Prinzip eine sinnvolle Maßnahme. Allerdings ist es für Krankenhäuser, Seniorenpflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediensten nicht gesetzlich verpflichtend, dass bei der Medikamentenvorbereitung mindestens zwei Personen anwesend sein müssen. Es kann aber durch das Qualitätsmanagement der Pflegeeinrichtung in Form einer verpflichtenden Arbeitsanweisung vorgegeben werden.

Digitalisierung als Sicherheitsfaktor

Auch wenn das Vier-Augen-Prinzip in vielen Einrichtungen empfohlen wird, können moderne digitale Dokumentationssysteme, elektronische Medikationspläne und automatisierte Dispenser die Kontrolle deutlich erleichtern. Diese Technologien reduzieren menschliche Fehlerquellen, verbessern die Nachvollziehbarkeit und können in vielen Fällen die zweite Kontrolle durch eine weitere Pflegekraft ergänzen oder sogar ersetzen.

Was passiert bei Medikationsfehlern?

Passieren bei der Pflegekraft bei der Medikation Fehler, muss sie sofort den Vorgesetzten informieren. Im schlimmsten Fall sind sofort der Notarzt bzw. Giftnotruf zu verständigen.

Wissenswert

Macht der Patient Schadensersatzansprüche bei der ausführenden Pflegekraft geltend, werden diese üblicherweise von der Haftpflichtversicherung der Pflegeeinrichtung beglichen.

3. Die richtige Dosierung dank Medikamentenplan

Bei der Vorbereitung der Medikamente muss auf die richtige Dosierung erachtet werden. Um dies zu überprüfen, hilft ein Blick in die Verordnung des Arztes bzw. in den Medikamentenplan des Patienten.

Achtung

Eine versehentliche Falschdosierung ist zu dokumentieren und umgehend dem Vorgesetzten zu melden. Das weitere Vorgehen in so einem Fall ist im Pflegehandbuch der Senioreneinrichtung nachzulesen.

4. Die richtige Applikationsart ist abhängig von der Aufnahmegeschwindigkeit des Medikaments

Bei der 10-R-Regel wird mit „richtige Applikationsart“ gemeint, dass die Pflegekraft darauf achten muss, wo und wie das Arzneimittel richtig verabreicht wird. Hierbei spielt natürlich auch die Aufnahmegeschwindigkeit des Medikaments eine wichtige Rolle.

Auf welche Art und Weise können Medikamente verabreicht werden?

Topisch/LokalMedikamente und Arzneimittel können topisch bzw. lokal verabreicht werden. Das bedeutet, dass das Arzneimittel direkt am gewünschten Wirkungsort verabreicht wird.
ParenteralWerden Arzneimittel parenteral verabreicht, wird dabei der Verdauungstrakt umgangen. Meist werden die Medikamente parenteral verabreicht, die auf einen Wirkstoff basieren, der durch die Magensäure zerstört werden könnte. Unter diese Kategorie fallen folgende Medikationsapplikationen wie Injektionen:

1. Intravenös

2. Muskulär

3. Subkutan
EnteralEnteral wirkende Medikamente entfalten ihre Wirkung erst im Verdauungstrakt.
SublingualBei sublingualen Arzneimitteln wird der Medikamentenwirkstoff über die Mundschleimhaut aufgenommen.
RektalDie rektale Verabreichung wird vor allem eingesetzt, wenn Patienten keine Medikamente schlucken können oder unter Übelkeit/Erbrechen leiden. Typische Präparate sind Fieberzäpfchen, Schmerzmittel oder Antiemetika.
Übersicht der wichtigsten Applikationsarten in der Medikamentengabe

PEG-Sonde als Sonderform

Alles rund um die Medikamentenvergabe über PEG haben wir Ihnen in folgendem Beitrag zusammenstellt.

5. Warum ist der richtige Zeitpunkt bei der Medikamentenverabreichung so wichtig?

Bei vielen Medikamenten muss für deren Wirkung ein konstanter Wirkstoffspiegel im Blut vorhanden sein. Damit das gewährleistet werden kann, ist es wichtig, dass sich an das vorgegebene Zeitschema zwecks der Medikamentenverabreichung im Medikamentenplan gehalten wird.

Werden Medikamente auf leeren Magen eingenommen, wirken sie deutlich schneller. Doch bei manchen Arzneimitteln ist es wichtig, dass der Patient etwas gegessen hat, um die Magenschleimhaut nicht zu schädigen.

Das bedeuten die verschiedenen Schlagworte rund um das Verabreichen von Medikamenten

Vor dem EssenEtwa 30-60 Minuten vor einer Mahlzeit
Mit dem EssenHier darf der Patient bereits erste Bissen zu sich genommen haben und nimmt dann das Medikement im Laufe der weiteren Mahlzeit zu sich
Nach dem EssenBei den meisten Medikamenten wird angegeben, wie lange nach dem Essen das Medikament frühestens eingenommen werden darf. Das ist von Medikament zu Medikament unterschiedlich
Auf nüchternen Magen2 Stunden nach einer Mahlzeit oder 30-60 Minuten vor einer Mahlzeit
Unabhängig vom EssenEs spielt keine Rolle, ob der Patient etwas gegessen hat oder nicht

Zu welcher Tageszeit das Medikament eingenommen werden muss, kann in der Verordnung des Arztes oder der Packungsbeilage nachgelesen werden.

Achtung

Gerade bei Senioren, die oft viele Medikamente einnehmen müssen, sollte bezüglich des richtigen Einnahmezeitpunktes betrachtet werden, dass sich verschiedene Medikamente bei gleichzeitiger Einnahme gegeneinander in ihrer Wirkung beschränken können. Ein gutes Beispiel sind hier Schilddrüsentabletten, die bei einer Unterfunktion verschrieben werden und Eisentabletten. Beide hemmen gegeneinander die Aufnahme des jeweilig anderen Wirkstoffs.

Wie können Lebensmittel die Wirkung von Medikamenten beeinflussen?

GrapefruitVerschiedenen Arzneimittel sollten auf keinen Fall mit Grapefruitsaft verabreicht werden, da es dadurch zu einer verstärkten Wirkung des Medikaments kommen kann.
MilchprodukteAntibiotika und Schilddrüsenhormone gehören zu den Arzneimitteln, die nicht direkt mit Milch oder Milchprodukten eingenommen werden sollten. Es empfiehlt sich ein Abstand von mindestens zwei Stunden.
AlkoholDie Pflegekraft muss unbedingt darauf achten, dass die zu betreuenden Senioren bei der Einnahme keinen Alkohol trinken. Durch Alkohol wird die Wirkung der Arzneimittel nur verstärkt.
Kaffee und TeeAuch Tee und Kaffee sollten nicht gemeinsam mit Medikamenten zu sich genommen werde, da sich dadurch die Aufnahme des Wirkstoffs verschlechtert. Es empfiehlt sich, dass Tabletten immer nur mit Leitungswasser bzw. einem stillen Mineralwasser eingenommen werden.
EiweißPatienten, die MAO-Hemmer einnehmen müssen, sollten eiweißreiche Lebensmittel meiden. Das enthaltene Tyramin kann durch den MAO-Hemmer nicht mehr abgebaut werden, wodurch es zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen kann.
Vorsicht bei diesen Lebensmitteln in Kombination mit Medikamenten

6. Die richtige Anwendungsdauer in Absprache mit dem Arzt

Die richtige Anwendungsdauer einzuhalten ist notwendig, damit die Behandlung überhaupt erfolgversprechend sein kann. Alle Medikamente müssen genau für den Zeitraum eingenommen werden, den der Arzt in seiner Verordnung vorgibt. Die Medikamente dürften auf keinen Fall in Eigenregie abgesetzt oder länger eingenommen werden als vom behandelnden Arzt angegeben – Pflegekräfte sollten sich auch hier an den Medikationsplan halten.

7. Was muss bei der Aufbewahrung von Medikamenten beachtet werden?

  • Medikamente und Arzneimittel sollten niemals direkter Sonneneinstrahlung oder großer Hitze ausgesetzt werden.
  • Medikamente dürfen niemals im Badezimmer aufbewahrt werden.
  • Arzneimittel, die besonders empfindlich gegen Licht oder Feuchtigkeit sind, sollten nur in ihrer Originalverpackung aufbewahrt werden.
  • Müssen Medikamente bei Temperaturen zwischen 2 und 8 Grad gelagert werden, gehören sie in den Kühlschrank. War die Umgebungstemperatur über einen längeren Zeitraum zu hoch oder zu niedrig, ist das Arzneimittel zu entsorgen und durch ein neues zu ersetzen.

8. Richtiges Risikomanagement zur Fehlervermeidung

Der achte Punkt der 10-R-Regel ist das richtige Risikomanagement. Dessen alleinige Aufgabe ist es, eventuelle Risikoquellen im Medikationsprozess frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu entwickeln, um mögliche Fehler zu verhindern. Diese Maßnahmen werden in Form von Arbeitsanweisungen im Pflegehandbuch aufgenommen. Kam es bereits zur Medikationsfehlern, liegt es in der Hand des Risikomanagements der Pflegeeinrichtung, die Ursache zu ermitteln und etwas dagegen zu unternehmen.

9. Was gehört zur Dokumentation von Medikamenten in der Pflege?

Insbesondere bei Arzneimitteln, die unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) fallen, schreibt der Gesetzgeber eine umfassende Dokumentation vor. Diese Vorgaben gelten sowohl für stationäre Pflegeeinrichtungen als auch für den ambulanten Bereich. In einem sogenannten BtM-Buch muss für jedes Medikament und jeden Patienten eine eigene Seite geführt werden. Dokumentiert werden müssen unter anderem:

  • Name des Patienten oder Bewohners
  • Bezeichnung des verordneten Medikaments
  • Datum und Menge bei Anlieferung durch die Apotheke
  • Name des verschreibenden Arztes
  • Angaben zum Empfänger bei Rückgabe an die Apotheke
  • aktueller Bestand des Medikaments im Heim oder Pflegedienst
  • Datum und Menge jeder Verabreichung, einschließlich Name und Handzeichen der verantwortlichen Pflegekraft

Eine lückenlose Dokumentation ist nicht nur aus Gründen der Medikamentensicherheit unverzichtbar, sondern spielt auch eine zentrale Rolle bei versicherungstechnischen Fragestellungen (z. B. im Falle von Medikationsfehlern), bei der Beurteilung des Pflegegrades sowie für die Abrechnung mit Kostenträgern.

Inzwischen setzen viele Einrichtungen auf digitale BtM-Dokumentationssysteme, die den manuellen Aufwand reduzieren und gleichzeitig die rechtlichen Anforderungen erfüllen. Diese elektronischen Lösungen bieten zusätzliche Sicherheit, da sie Zugriffsrechte steuern, Änderungen revisionssicher protokollieren und so die Nachvollziehbarkeit weiter verbessern (AkdÄ – Medikationsfehler).

Wissenswert zur 10-R-Regel

Wie die Dokumentation bei normalen Medikamenten aussehen muss, kann von Pflegeeinrichtung zu Pflegeeinrichtung, Krankenhaus oder ambulanten Pflegedienst unterschiedlich sein.

10. Richtige Entsorgung der Medikamente

Nicht mehr benötigte oder abgelaufene Arzneimittel gehören nicht in Toilette oder Abfluss, da sie sonst über die Abwasserwege in Gewässer und Trinkwasser gelangen können — für Umwelt und Gesundheit ein ernstzunehmendes Risiko. Stattdessen sollten Medikamente laut Umweltbundesamt möglichst über den Restmüll, Schadstoffsammelstellen oder den Recyclinghof entsorgt werden, da bei der anschließenden Verbrennung die Wirkstoffe zuverlässig zerstört werden. Viele Apotheken bieten zudem auf freiwilliger Basis die Rücknahme an, und über arzneimittelentsorgung.de lässt sich bequem herausfinden, welcher Entsorgungsweg in Ihrer Region empfohlen wird.

Besondere Vorsicht ist geboten bei flüssigen Arzneiformen wie Tropfen oder Hustensaft: Hier sind Verpackung und Inhalt unbedingt zusammen zu entsorgen — denn das Ausspülen führt direkt zur Belastung des Wasserkreislaufs. . In Haushalten oder Pflegeeinrichtungen ist es außerdem ratsam, Medikamente kindersicher zu entsorgen (z. B. in Papier gewickelt oder unten in die Tonne), um Missbrauch durch Kinder zu verhindern.

5 R-Regel oder 6 R-Regel

Neben der umfangreichen Variante der 10 R-Regel, findet man als Standard auch häufig das Regelwerk der 5 R-Regel oder 6 R-Regel.

1. Die richtige Person
2. Das richtige Medikament
3. Die richtige Dosierung
4. Die richtige Applikationsart
5. Der richtige Zeitpunkt
[6. Die richtige Dauer der Anwendung]

Hinweis

Die „10-R-Regel zur qualitätsgesicherten Medikamentengabe“ wurde durch das Deutsche Institut Averosa entwickelt (www.averosa.de).