Warum Sie immer auch den Ernährungszustand Ihrer Pflegekunden im Auge behalten sollten

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Wie die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) mitteilt, haben mehr als 80 % der durchschnittlich 80-jährigen Patienten, die in eine Klinik kommen, ein hohes Risiko für Mangelernährung oder sind akut mangelernährt – mit zum Teil dramatischen Folgen. Im folgenden soll aufgezeigt werden, wie Sie sachgerecht handeln, wenn nicht mehr sichergestellt ist, dass Ihr Pflegekunde ausreichend isst und trinkt.

Was sind die Ursachen von Mangelernährung im Alter?

Es gibt viele Ursachen, warum gerade ältere Menschen eine Mangelernährung aufweisen. Ältere Menschen sind oft weniger hungrig, denn das Sättigungsgefühl stellt sich eher ein. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich der Magen bei älteren Menschen langsamer entleert. Wichtig und oftmals unterschätzt sind Geruchs- und Geschmacksstörungen: Sie vermindern den Genuss beim Essen und führen dazu, dass die Betreffenden Mahlzeiten auslassen.

Auch Kau- und Schluckbeschwerden sind häufige Ursachen für eine zu geringe Nahrungsaufnahme. Wichtig sind außerdem unerwünschte Arzneimittelwirkungen wie Mundtrockenheit oder Übelkeit. Schließlich kann nahezu jede akute oder chronische Erkrankung auch eine Mangelernährung auslösen. Doch neben den körperlichen Ursachen kommen psychosoziale Hintergründe dazu, wie z.B. Einsamkeit.

Allein zu kochen und zu essen macht den Betroffenen keine Freude. Immer bedeutsamer werden außerdem Demenzen. Die meisten Patienten verlieren im Verlauf der Erkrankung deutlich an Gewicht. In frühen Stadien sind dafür eher neurologische und hormonelle Faktoren verantwortlich. Schreitet die Krankheit fort, führen die kognitiven Defizite zu immer größeren Problemen auch beim Essen.

Welche Faktoren beeinflussen die Ernährung negativ?

Damit Sie zielgerichtet handeln können, wenn Ihr Kunde unter Einschränkungen in der selbstständigen Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme leidet, ist wichtig, dass Sie schon frühzeitig etwaige Risiken erkennen. Um Ihre pflegebedürftigen Kunden hinsichtlich ihrer Ernährung einschätzen zu können, sollten Sie die Risiken ermitteln, die die Ernährung Ihres Kunden beeinflussen.

Wenn mehrere Faktoren aufeinandertreffen

Oftmals ist jedoch nicht ein Risiko allein Grund für eine unzureichende Ernährung Ihres Kunden. In der Regel kommen mehrere Risiken zusammen, die eine mangelhafte Ernährung Ihres Kunden verursachen. Daher empfiehlt der Expertenstandard zur Ernährung, dass in der ambulanten Pflege im Rahmen des Erstkontakts eine Einschätzung (Screening) bzgl. Mangelernährung durchgeführt werden soll. Daneben muss eine erneute Einschätzung aber grundsätzlich nach Ereignissen erfolgen, z. B. bei fieberhaften Infektionskrankheiten, aber auch einschneidenden Lebensereignissen.

Was müssen Sie zum Screening wissen?

In der Literatur wird immer wieder empfohlen, dass zur Einschätzung eines Ernährungsdefizits ein anerkanntes Screening- Instrument, beispielsweise das MNA, genutzt werden soll. Der Expertenstandard Ernährung relativiert diese Aussage. Demnach müssen Sie beachten, dass alle Ergebnisse, die Sie mithilfe der verschiedenen Screening-Instrumente ermittelt haben, nur als Hinweis auf ein Risiko einer Mangelernährung dienen können.

Ebenso wird im Expertenstandard erläutert, dass einzelne Werte, wie beispielsweise das Körpergewicht oder der BMI (Body-Mass-Index), in einem Screening-Verfahren nicht überbewertet werden sollen. Denn diese Parameter sind erst durch eine Verlaufsbeobachtung und im Zusammenhang mit weiteren Parametern aussagekräftig.

Daneben besteht bei der Ermittlung des BMI die Gefahr, dass es schnell zu fehlerhaften Messungen kommt, und letztlich ist auch die Aussagekraft nur begrenzt. Entsprechend den Vorgaben des Expertenstandards sollen Sie im Rahmen Ihres Screenings, neben der Erfassung von Körpergewicht, Körpergröße und BMI, die folgende Kriterien überprüfen:

  • grobe Anzeichen für einen Nahrungs- bzw. Flüssigkeitsmangel, z. B. auffällig niedriges Körpergewicht, zu weit gewordene Kleidung, tief liegende Augen, auf Flüssigkeitsdefizit hinweisende Verwirrtheit, konzentrierter Urin
  • unbeabsichtigter Gewichtsverlust (mehr als 5 % in 1-3 Monaten, mehr als 10 % in 6 Monaten, zu weit gewordene Kleidung)
  • auffällig geringe Ess- und Trinkmengen
  • erhöhter Energie-, Nährstoff- und Flüssigkeitsbedarf, bzw. erhöhte Verluste, etwa aufgrund von Erkrankungen, außergewöhnlicher Mobilität oder hoher Außentemperaturen, Absorptionsstörungen, starker Blutverlust, Erbrechen, heftiger Durchfall

Nach der Risikofeststellung folgt ein Assessment

Wenn Sie anhand des Screenings eine Mangelernährung feststellen, sollten Sie ein tieferes Assessment-Instrument, z. B. PEMU nutzen. PEMU ist aktueller in der Anwendung und das Ergebnis kann sofort in der Pflegeplanung benutzt werden.

Was tun bei Mangelernährung oder Dehydration?

Wann immer möglich, sollten Sie durch prophylaktische Maßnahmen erreichen, dass Ihr Kunde die optimale Ernährung und Flüssigkeitszufuhr erhält. Hierzu sollten Sie zielgerichtet erfassen, über welche Ressourcen und Fähigkeiten Ihr Kunde in Bezug auf seine Ernährung verfügt, und diese in Ihre Anamnese und Pflegeplanung aufnehmen.

Bei der Planung Ihrer Maßnahmen müssen Sie immer die individuelle Situation Ihres Kunden berücksichtigen. Beraten Sie Ihren Kunden und seine Angehörigen sowie alle an der Versorgung Beteiligten nachweislich über Ihre Feststellungen und die Hintergründe der Risiken einer Mangelernährung und Dehydration.

Besprechen Sie die notwendigen Maßnahmen mit Ihrem Kunden und seinen Angehörigen und weisen Sie sie gegebenenfalls in die Durchführung der notwendigen Maßnahmen ein. Übergeben Sie zusätzlich einen Beratungsbogen.

Was gehört in die Dokumentation?

All Ihre durchzuführenden Maßnahmen sollten Sie in der Pflegeplanung dokumentieren. Ergänzend dazu sollten Sie einen Trink- und Essplan führen, auf dem Sie die tatsächlich angereichte Menge an Nahrung und Flüssigkeit festhalten. Notieren Sie auch, welche Leistungen die Angehörigen Ihres Kunden erbringen. Dies können Sie beispielsweise in der Pflegeanamnese oder in der Pflegeplanung schriftlich festhalten.

Werten Sie die von Ihnen geführten Nachweise regelmäßig aus, und prüfen Sie den Erfolg, der von Ihnen durchgeführten Maßnahmen. Bei Einschränkungen in der selbstständigen Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme Ihres Kunden wird der MDK auch prüfen, ob Sie den Hausarzt Ihres Kunden nachweislich über das bestehende Risiko informiert haben. Schreiben Sie hierzu eine Telefonnotiz oder dokumentieren Sie im Pflegebericht, dass Sie diese Stellen informiert haben.

Beispiele: Prophylaktische Maßnahmen im Bereich Essen

  1. Verteilen Sie Nahrungsmenge Ihres Kunden auf mehrere kleine und abwechslungsreiche Mahlzeiten. Beachten Sie hierbei, dass Ihre Kunden zumeist großen Wert auf Regelmäßigkeit der Essenszeiten legen und Abstand zwischen der ersten und letzten Mahlzeit des Tages nicht größer als 12 Stunden sein soll.
  2. Achten Sie darauf, dass Ihr Kunde möglichst Besteck und Geschirr verwendet, das er eigenständig handhaben kann, beispielsweise Besteck und Griffverstärkung und Geschirr mit Tellerranderhöhung.
  3. Sorgen Sie für eine angenehme Atmosphäre beim Essen, und bedenken Sie, dass auch das Auge mit isst.
  4. Überprüfen Sie die Ernährung Ihres Kunden, und passen Sie die beispielsweise mit seinen Liebesgerichten an. Legen Sie besonderen Wert auf energiereiche Mahlzeiten. Bei Vorliegen und Kau- und Schluckstörungen sollten Sie darauf achten, dass die Konsistenz der Nahrung den Bedürfnissen Ihres Kunden entspricht.
  5. Besprechen Sie die Probleme mit dem Hausarzt Ihres Kunden, und legen Sie gemeinsam die notwendige Nahrungszufuhrmenge fest. Überlegen Sie ebenso mit dem Arzt, ob zusätzliche Therapiemaßnahmen, wie z.B. Logopädie oder zahnärztliche Behandlung, erforderlich sind. Bitten Sie den Arzt auch zu überprüfen, ob die von ihm verordneten Medikamente negative Auswirkungen auf den Ernährungszustand Ihres Kunden haben.
  6. Dokumentieren Sie die Nahrungsaufnahme Ihres Kunden in einem Essprotokoll.
  7. Führen Sie regelmäßig Gewichtskontrollen durch. Ziel sollte es sein, dass Ihr Kunde sein Gewicht hält bzw. sein gewünschtes Körpergewicht erreicht. Falls erforderlich, passen Sie Ihre Maßnahmen entsprechend an.

Beispiele: Prophylaktische Maßnahmen im Bereich Trinken

  1. Fragen Sie Ihre Kunden, welche alkoholfreien Getränke er gerne zu sich nimmt. Sorgen Sie dafür, dass diese immer vorhanden sind.
  2. Bieten Sie Ihrem Kunden die Getränke in von ihm bevorzugten Gefäßen an.
  3. Stellen Sie Getränke immer in Reichweite Ihres Kunden, und bieten Sie ihm wieder an, einen Schluck zu trinken.
  4. Sorgen Sie dafür, dass es für Ihren Kunden zur Gewohnheit wird, zum Essen und bei der Medikamentengabe ein ganzes Glas Mineralwasser oder Tee zu trinken.
  5. Wechseln Sie immer wieder die Getränke. Geeignet sind vor allem Mineralwasser, Früchte- und Kräutertees, Frucht- und Gemüsesäfte. Aber auch gegen Kaffee, schwarzen Tee und alkoholische Getränke in Maßen ist bei guter Verträglichkeit nichts einzuwenden.
  6. Sprechen Sie die erforderliche Trinkmenge mit dem Hausarzt Ihres Kunden ab. Als grobe Orientierung können Sie von einem Flüssigkeitsbedarf von 1.500-2.000 ml pro Tag ausgehen.
  7. Erstellen Sie einen Trinkplan, und kontrollieren Sie die tägliche Trinkmenge Ihres Kunden. Werten Sie die Ergebnisse aus und besprechen Sie die Änderungen in den Pflegemaßnahmen.