Vaginale Atrophie & „UTI“-Verwechslungen: GSM & asymptomatische Bakteriurie im Pflegealltag

Ältere Frau guckt in die Kamera und steht in ihrem Wohnzimmer
KI generiert mit ©Midjourney
Inhaltsverzeichnis

Trockene Schleimhaut, Brennen, positive Teststreifen – aber kein Infekt? Wir zeigen, wie Pflegekräfte GSM erkennen, Antibiotika sparen und Seniorinnen besser verstehen.

Vaginale Atrophie bei Seniorinnen wird häufig übersehen oder mit Harnwegsinfekten verwechselt. Dies führt oft zu unnötigen Antibiotikagaben und vermeidbaren Belastungen für die Frauen. In der Pflege und im Qualitätsmanagement ist es entscheidend, UTIs (Urinary Tract Infection bzw. Harnwegsinfektionen) von asymptomatischer Bakteriurie (ABU) zu unterscheiden und gleichzeitig die Haut- und Schleimhautgesundheit zu erhalten.

GSM erkennen: Symptome & Folgen bei Seniorinnen

Das Genitourinary Syndrome of Menopause (GSM) ist ein Sammelbegriff für Beschwerden, die durch den Östrogenmangel nach der Menopause entstehen. Typische Zeichen erkennen Pflegekräfte häufig im Alltag.

Brennen, Trockenheit, Dyspareunie/Intimschmerz, Reizblasen-Symptome

Pflegekräfte sollten auf diese Symptome achten:

  • Scheidentrockenheit bei Seniorinnen kann sich durch Jucken, Brennen oder Schmerzen beim Wasserlassen äußern. Auch ohne bakterielle Infektion kann ein brennendes Gefühl auftreten.
  • Dyspareunie oder Intimschmerz sind auch bei nicht-sexueller Aktivität möglich.
  • Reizblasen-Symptome wie ein häufiger Harndrang oder nächtliches Wasserlassen können GSM-bedingt auftreten und eine überaktive Blase (overactive Bladder=OAB) bzw. Dranginkontinenz simulieren.

Haut-/Schleimhautschutz & alltagstaugliche Pflege

Um die Seniorin bestmöglich zu versorgen, empfehlen sich folgende Schritte:

  • Intimpflege und Hautschutz: Geeignet sind milde, pH-neutrale Reinigungsprodukte, Feuchtigkeitsgele sowie Schutzcremes in der Dammregion (Perineum).
  • Katheter vermeiden: Das reduziert das Risiko von katheterassoziierten Harnwegsinfektionen (CAUTIs) und Hautschäden.
  • Trinkmanagement und Toilettenprogramm: Eine regelmäßige Flüssigkeitszufuhr und angepasste Toilettenintervalle unterstützen die Seniorin. Eine Beobachtung der Ausscheidungen durch die Pflegekraft (oder die Seniorin teilt ihre Beobachtungen mit) helfen dabei, die Situation einzuschätzen.

UTI vs. ABU: Entscheidungsbaum für die Pflege

Eine differenzierte Betrachtung vermeidet Fehlbehandlungen. Eine ABU liegt dann vor, wenn Bakterien im Urin vorhanden sind, aber keine Symptome bestehen. Bei einer UTI gibt es zusätzlich zum Bakterienvorkommen auch typische Beschwerden.

Teststreifen/Leukozyten ohne Symptome (ABU)

Mittels eines Teststreifen lässt sich unkompliziert feststellen, ob Bakterien im Urin vorhanden sind.

Variante 1Erklärung
Der Urin Teststreifen ist positiv, aber es liegen keine Symptome vor: In dieser Situation liegt häufig eine ABU vor, bei der nicht automatisch Antibiotika verabreicht werden muss.Ein positiver Teststreifen zeigt häufig Leukozyten (weiße Blutkörperchen) im Urin, manchmal auch Nitrit. Leukozyten sind ein Zeichen für eine Immunreaktion, also dass das Immunsystem auf etwas im Harntrakt reagiert. Bei Symptomen wie Brennen, Schmerzen beim Wasserlassen (Dysurie) oder Fieber ist dies ein Hinweis auf einen echten Harnwegsinfekt (UTI), der in der Regel ärztlich behandelt werden muss.
Variante 2Erklärung
Schmerzen beim Wasserlassen (Dysurie) ohne Bakterien oder sterile Pyurie (trüber, eitriger Urin ohne Bakterien) kann durch GSM oder eine Reizblase verursacht sein.Brennen oder ein häufiger Harndrang können auch auftreten, wenn keine Bakterien nachweisbar sind, zum Beispiel durch vaginale Atrophie/GSM oder eine Reizblase (OAB). Hier spricht man von steriler Pyurie.
Variante 3Erklärung
Übelriechender Urin ohne Infektion kann harmlos sein und zum Beispiel durch Ernährung oder Dehydration entstehen.Veränderungen in der Farbe oder dem Geruch des Urins müssen nicht automatisch einen Infekt bedeuten, sondern es kann mehrere Ursachen geben:
  • Dehydration (aufgrund einer zu niedrigen Flüssigkeitszufuhr ist der Urin konzentriert)
  • Ernährung (nach dem Konsum von Spargel oder Kaffee kann der Urin streng riechen)
  • Medikamente oder Vitamine haben ebenfalls Einfluss
  • Eine mechanische Reizung des Harntraktes kann sich ebenfalls auswirken

Wann sollte eine Urinkultur untersucht werden? Indikationen & Kontamination vermeiden

Zeigen Seniorinnen Symptome wie Fieber, Schmerzen beim Wasserlassen, Schmerzen in den Seiten oder einen allgemeinen Krankheitszustand, dann ist eine Urinkultur sinnvoll. Wichtig dabei ist, eine Verunreinigung zu vermeiden, das heißt:

  • Die Urinprobe sollte aus Mittelstrahlurin gewonnen werden.
  • Der Urin sollte in einen sauberen Probenbehälter abgegeben werden.
  • Beim Sammeln sollte die Hygiene beachtet werden.

Mit dem Pflege-Entscheidungsbaum kann die Pflege im Alltag bei UTI unterstützt werden, um unnötige Antibiotikagaben für die Patientinnen zu vermeiden.

Zusammenfassung

Pflegekräfte müssen wissen, dass Leukozyten im Urin ein Hinweis auf eine Immunreaktion sind, aber keine alleinige Diagnose für einen Infekt darstellen. Wichtig ist, immer die Symptome abzugleichen und gegebenenfalls Entscheidungen nach dem Pflege-Entscheidungsbaum treffen.

Pflege-Routine bei Verdacht ohne klare Symptome

Nicht jedes Brennen, jeder auffällige Geruch oder ein positiver Urintest bedeuten automatisch eine Harnwegsinfektion. Häufig gilt es zunächst zu beobachten und nicht direkt zu behandeln. Pflegekräfte spielen dabei eine zentrale Rolle, um unnötige Antibiotikatherapien zu vermeiden und gleichzeitig die Sicherheit der Seniorinnen zu gewährleisten.

Pflegedienstleitung und Qualitätsmanagement-Verantwortliche können diese Routinen in Pflegekonzepte und Schulungen integrieren, um eine einheitliche Entscheidungsgrundlage für alle Teammitglieder zu schaffen. So lassen sich Qualitätsindikatoren wie der Antibiotikaverbrauch oder die Dokumentation von Infekten gezielt steuern.

Hydrierung, Toilettenrhythmus & Beobachtung

Bei unspezifischen Auffälligkeiten wie verändertem Uringeruch, leichtem Brennen ohne Fieber oder allgemeinen Unruhezuständen sollten die Seniorinnen zunächst ausreichend trinken. Sofern keine ärztlichen Einschränkungen bestehen, sind 1,5 bis 2 Liter Wasser oder Tee täglich ideal, um die Harnwege durchzuspülen und dafür zu sorgen, dass der Urin dünnflüssiger wird.

Ebenso wichtig ist ein regelmäßiger Toilettenrhythmus, um zu verhindern, dass die Blase überläuft oder Harn zurückgehalten wird. Pflegekräfte können hier durch feste Toilettenzeiten und die Beobachtung der Blasenentleerung dazu beitragen, dass die Gesundheit der Seniorin gefördert wird. Auch Unterstützung bei der Intimhygiene kann vorbeugend wirken.

Die Beobachtungsphase bei Auffälligkeiten sollte 24 bis 48 Stunden dauern. In dieser Zeit sollten Pflegekräfte gezielt auf Veränderungen achten, wie:

  • Zunahme oder Rückgang der Beschwerden
  • Farbe, Menge und Geruch des Urins
  • Allgemeinzustand (Appetit, Müdigkeit, Orientierung)
  • Vitalwerte wie Temperatur, Puls und Blutdruck

Dokumentation & Kommunikation nach SBAR-Struktur

Alle Beobachtungen der Pflegekräfte sollten strukturiert dokumentiert werden. Dafür sollten sie idealerweise auf das SBAR-Prinzip zurückgreifen, also Situation, Background (Hintergrund), Assessment (Einschätzung) und Recommendation (Empfehlung). Diese standardisierte Methode erleichtert die Abstimmung mit Arztpraxen oder dem ärztlichen Notdienst und sorgt für transparente Informationswege zwischen Pflege, Pflegedienstleitung, Qualitätsmanagement und den behandelnden Hausärzten. So wird sichergestellt, dass alle relevanten Informationen vorliegen.

Wichtig ist, nicht nur die Symptome und Vitalwerte, sondern auch den zeitlichen Verlauf festzuhalten: Wann traten die Beschwerden erstmalig auf, wie hat sich die Trinkmenge entwickelt und gab es Veränderungen im Verhalten?

Eine klare und gut strukturierte Kommunikation zwischen Pflege und ärztlichem Dienst verhindert Missverständnisse und reduziert Fehlbehandlungen sowie unnötige Antibiotikagaben bei Seniorinnen. So kann frühzeitig entschieden werden, ob eine Urinkultur oder ärztliche Untersuchung notwendig ist oder ob unterstützende Maßnahmen bereits ausreichen.

Ärztliche Therapieoptionen bei GSM & pflegerische Begleitung

Die Behandlung des Genitourinary Syndrome of Menopause (GSM) zielt darauf ab, die trockene und gereizte Schleimhaut wiederaufzubauen und Beschwerden wie Brennen beim Wasserlassen oder die Symptome einer Reizblase zu lindern.

Lokale Östrogene und nicht-hormonelle Alternativen

Bei ausgeprägten Beschwerden kann eine lokale Östrogentherapie mit Estriol-Cremes oder -Zäpfchen helfen. Dadurch wird die Schleimhaut gestärkt und die Durchblutung verbessert. Auch das Brennen beim Wasserlassen kann dadurch abnehmen. Alternativ bieten sich nicht-hormonelle Präparate mit Hyaluronsäure oder feuchtigkeitsspendenden Gelen an. Sie stabilisieren den pH-Wert im Intimbereich und schützen die Hautbarriere.

Pflegekräfte sollten die Therapie unterstützen, indem sie auf regelmäßige Anwendung und Hautbeobachtung achten, die Patientin anleiten und Rückmeldungen strukturiert dokumentieren.

Kommunikation mit Ärzten und Betreuung

Vor dem Beginn einer Behandlung sollte geprüft werden, ob die pflegebedürftige Seniorin einwilligungsfähig ist oder eine Betreuung bzw. Vollmacht vorliegt. Eine enge Abstimmung mit dem Hausarzt oder Gynäkologen ist wichtig, um die Wirkung und Verträglichkeit der verordneten Therapie zu beurteilen. Pflegekräfte haben die Aufgabe, über Symptome und Verlauf zu informieren und dabei auch den Hautzustand im Blick zu halten. So kann die Behandlung gezielt angepasst und sicher begleitet werden.

„Ich erinnere mich an Frau L., 82. Sie hatte seit Wochen das Gefühl, ständig eine Blasenentzündung zu haben – Brennen, Harndrang, unruhige Nächte. Jeder Teststreifen war positiv, doch sie hatte kein Fieber, keine Schmerzen in der Seite. Ich mir Zeit genommen und gefragt:

‚Wie geht es beim Toilettengang?‘ statt ‚Haben Sie Schmerzen beim Wasserlassen?‘

‚Gibt es Trockenheit oder ein Brennen, wenn Sie sitzen?‘

Da erzählte sie, dass es beim Sitzen ziehe und die Haut sich wund anfühle. Da wusste ich: Es geht nicht um die Blase, sondern um die Schleimhaut.

Ich habe die Ärztin informiert – Diagnose: Genitourinary Syndrome of Menopause (GSM). Wir begannen mit pH-neutraler Reinigung, Feuchtigkeitsgel und später einer Creme. Nach drei Wochen war das Brennen weg.

Mein Fazit: Der wichtigste Test ist nicht der Streifen, sondern das Gespräch. Pflege kann Infekte verhindern, wenn sie hinhört, wie die Frau über ihren Körper spricht.“

(Hector A., Potsdam)

Fazit: Nicht jeder Bakterienfund ist ein Harnwegsinfekt

Vaginale Atrophie (GSM) und asymptomatische Bakteriurie werden bei Seniorinnen häufig mit einem Harnwegsinfekt verwechselt, was unnötige Antibiotikatherapien zur Folge hat. Pflegekräfte spielen dabei eine Schlüsselrolle, unterstützt durch Pflegedienstleistung sowie die enge Zusammenarbeit mit hausärztlichen Praxen, um solche Fehlbehandlungen zu vermeiden.

Entscheidend ist, dass die Pflege Symptome sorgfältig beobachtet, Befunde richtig einordnet und strukturiert mit den Ärzten kommuniziert. Eine gute Flüssigkeitszufuhr und regelmäßige Toilettenroutinen sind ebenso wie ein entsprechender Hautschutz im Intimbereich zentrale pflegerische Maßnahmen, um Beschwerden zu lindern und Infektionen vorzubeugen. Bei GSM können lokale Östrogene oder feuchtigkeitsspendende Alternativen helfen, die Schleimhaut zu stabilisieren. So trägt die Pflege entscheidend dazu bei, Seniorinnen sicher zu versorgen und keine unnötigen Antibiotika einzusetzen. Das trägt zur Erhaltung der Lebensqualität bei.

FAQ: Häufige Fragen der Pflege

Rund um das Thema Vaginale Atrophie und UTI gibt es zahlreiche Fragen:

Ist übelriechender Urin ein Infekt?

Nicht zwingend, er kann auch auf bestimmte Lebensmittel, Dehydration oder asymptomatische Bakteriurie hinweisen.

Warum ist der Teststreifen positiv, obwohl keine Beschwerden vorliegen?

Meist liegt dann eine ABU vor, die ohne Symptome keinen Handlungsbedarf erfordert.

Wann braucht man bei Seniorinnen keine Antibiotika?

Bei ABU ohne Symptome und bei steriler Pyurie ohne klinische Verschlechterung ist es nicht nötig.

Was sind typische Zeichen der vaginalen Atrophie (GSM)?

Scheidentrockenheit, Brennen beim Wasserlassen, Dyspareunie und Reizblase sind die häufigsten Merkmale.

Welche Pflege hilft bei Trockenheit oder Brennen ohne Infekt?

Lokale Feuchtigkeitsgele, eine milde Reinigung, Hautschutz sowie Trinkmanagement.

Wann sollte eine Urinprobe angelegt werden und wann reichen Beobachtung und Flüssigkeitsgabe?

Eine Urinkultur sollte nur bei Symptomen angelegt werden. Bei asymptomatischen Auffälligkeiten sollte zunächst eine 24- bis 48-stündige Beobachtung erfolgen.

Wie dokumentiert die Pflege und was will die Praxis/der Notdienst wissen?

Am besten mit einem SBAR-Leitfaden arbeiten und Situation, Hintergrund, Einschätzung und Empfehlung weitergeben. Außerdem relevant sind Vitalwerte, Beobachtungen und der Verlauf.

Beeinflusst GSM die Häufigkeit von vermeintlichen „UTIs“?

Ja, Symptome wie Brennen oder Dranginkontinenz werden oft fälschlich als Infekt interpretiert.

Quellen