Pflegegrade verstehen (2025/26)

Gruppe an Senior*innen geht zu Fuß, am Krückstock oder mit einem Rollator über einen hellen Gang einer Altenpflegeeinrichtung.
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Inhaltsverzeichnis

Definition, Einstufung, Leistungen – der PDL-Leitfaden mit Ausblick

Seit 2017 haben Pflegegrade die Pflegestufen abgelöst. Bewertet wird nicht mehr Pflegezeit, sondern die Selbstständigkeit in sechs Lebensbereichen (NBA). Leistungen wurden zum 1. Januar 2025 dynamisiert; seit 1. Juli 2025 gilt ein gemeinsames Jahresbudget für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege. Für 2026 wird eine größere Reform diskutiert (u. a. Umgang mit Pflegegrad 1).

Was ist ein Pflegegrad?

Pflegebedürftigkeit liegt vor, wenn eine Person gesundheitsbedingt in ihrer Selbstständigkeit/Fähigkeiten dauerhaft (≈ ≥ 6 Monate) beeinträchtigt ist. Der Pflegegrad wird per Begutachtungsinstrument ermittelt (NBA).

Nach der Definition des Gesetzes gelten Personen als pflegebedürftig, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen.

BMG zur Pflegebedürftigkeit

Die Pflegegrade werden in 5 Einstufungskategorien (Pflegegrad 1-5) unterteilt. Entsprechend der jeweiligen Einstufung erbringt die Pflegekasse bestimmte Pflegesachleistungen und zahlt finanzielle Pflegeleisteungen aus. Die Einstufung der Pflegebedürftigkeit wurde im Pflegestärkungsgesetz 2 (PSG) neu geregelt. Zur Feststellung des Pflegegrades nimmt ein Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MD) in der gewohnten Umgebung des Pflegebedürftigen eine Prüfung vor. Die noch vorhandene Selbstständigkeit des Betroffenen wird dabei anhand folgender sechs Kriterien überprüft:

Modul 1Mobilität
Modul 2Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
Modul 3Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
Modul 4Selbstversorgung
Modul 5Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
Modul 6Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Im Rahmen der Prüfung kann das neue Begutachtungsassesment bis zu 100 Punkte vergeben. Ab einer Punktzahl von 12,5 werden Pflegebedürftige in den Pflegegrad 1 eingestuft. Bei 90 Punkten wird der höchste Pflegegrad 5 erreicht. Je höher der Pflegegrad, desto höher fallen die Leistungen der Pflegeversicherung aus.

Die 5 Pflegegrade im Überblick

Die Pflegebedürftigkeit wird anhand folgender fünf Pflegegrade eingestuft:

Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit12,5 bis unter 27 Punkte
Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit27 bis unter 47,5 Punkte
Pflegegrad 3:Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit47,5 bis unter 70 Punkte
Pflegegrad 4:Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit70 bis unter 90 Punkte
Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgungab 90 Punkten

Für die Praxisplanung 2025/26 gilt

Alle Leistungsbeträge der Pflegeversicherung sind seit 1.1.2025 dynamisiert – maßgeblich sind Pflegegeld und Pflegesachleistungen (ambulant), zusätzlich nutzbare Tages-/Nachtpflege (keine Anrechnung auf Sachleistungen) sowie bei vollstationärer Pflege die pauschalen Pflegeaufwendungen plus leistungsbezogene Zuschläge zur Dämpfung des pflegerischen Eigenanteils (15 %/30 %/50 %/75 % nach Verweildauer).

Ergänzend stehen der Entlastungsbetrag von 131 €/Monat, Pflegehilfsmittel von 42 €/Monat, Wohnumfeldverbesserungen bis 4.180 € je Maßnahme und Digitale Pflegeanwendungen (DiPA) bis 53 €/Monat zur Verfügung (amtliche Übersicht: BMG-Leistungsbeträge 2025 (PDF).

Seit 1.7.2025 lassen sich Verhinderungs- und Kurzzeitpflege über ein gemeinsames Jahresbudget von bis zu 3.539 € flexibel kombinieren – ohne Vorpflegezeit; währenddessen wird das Pflegegeld bis zu acht Wochen hälftig weitergezahlt (Details: BMG – „Das ändert sich zum 1. Juli“).

PDL-Aufgaben im NBA-System

Laut Statistischem Bundesamt leben in Deutschland mindestens 5,7 Mio. Pflegebedürftige, Tendenz steigend. Ebenso konstatiert der MD-Report zur Pflegebedürftikeit 2015 eine Verdopplung der Leistungsbeziehenden seit 2014. Beides hat Folgen für die Arbeitsweise und – umfang von Pflegedienstleitungen und ihre Teams.

Assessment & DokumentationPflegeplanung konsequent modulbasiert; Ziel-/Maßnahmenbezug je Modul anlegen (Audit-sicher). MD-Info als Referenz in QM-Ordner legen. (Mehr zum Begutachtungsinstrument)
LeistungsberatungMix aus Pflegegeld/Sachleistung + Tages-/Nachtpflege + Entlastungsbetrag + Hilfsmittel + Wohnumfeld pro Fall planen; Jahresbudget VH/KZ (3.539 €) aktiv anbieten.
Schnittstellen steuernHaus-/Fachärzt*innen, Hilfsmittel, Pflegestützpunkte; Widerspruch begleiten, wenn NBA-Bewertung nicht passt (Rechtsgrundlage § 15 SGB XI).

Wie beantragt man einen Pflegegrad?

Wer Pflegegeld und Pflegesachleistungen von der Pflegekasse beziehen möchte, muss zunächst einen entsprechenden Antrag stellen. In diesem Kapitel erfahren Sie, wann, wie und wo der Antrag von Betroffenen gestellt werden muss.

Wann sollte der Antrag gestellt werden?

Zwar gibt es manche Fälle, in denen die Pflegebedürftigkeit von einem Tag auf den anderen entsteht, wie es beispielsweise bei einem Unfall oder einem Schlaganfall denkbar ist. In den meisten Fällen entsteht eine Pflegebedürftigkeit jedoch langsam über einen längeren Zeitraum.

Grundsätzlich sollte ein Antrag auf Pflegeleistungen gestellt werden, sobald eine Person im Alltag häufiger Hilfe benötigt. Je früher der Antrag gestellt wird, desto besser. Denn entscheidend für den Leistungsbeginn ist nicht der Eintritt der Pflegebedürftigkeit, sondern das Datum, an dem der Antrag gestellt wurde.

Wo wird der Antrag auf Pflegeleistungen gestellt?

Der Antrag auf Pflegeleistungen muss bei der Pflegekasse der pflegebedürftigen Person gestellt werden. Diese ist grundsätzlich bei der Krankenkasse angesiedelt. Der Antrag kann also einfach an die entsprechende Krankenkasse gesendet werden, sollte dabei jedoch den Hinweis enthalten, dass er an die Pflegekasse weitergeleitet werden soll. Privatversicherte wenden sich bei der Antragsstellung an ihre private Pflegeversicherung.

Wie sollte der Antrag auf Pflegeleistungen gestellt werden?

  1. Der Antrag auf Pflegeleistungen kann sowohl formlos per Telefon, Fax, E-Mail oder per Brief gestellt werden. Bevorzugt sollten Betroffene ihren Antrag jedoch schriftlich per Fax, E-Mail oder Brief einreichen und auf eine Antragsstellung per Telefon verzichten. Denn im Zweifelsfall lässt es sich nur schwer nachweisen, wann der Antrag gestellt wurde.
  2. Im Normalfall sollte der Antrag von der betroffenen Person selbst gestellt werden. Sofern der Betroffene hierzu nicht mehr in der Lage ist, kann ein Betreuer oder Bevollmächtigter diese Aufgabe übernehmen. In diesem Fall muss zusätzlich zum Antrag der Betreuerausweis oder eine Kopie der Vollmacht beigelegt werden.
  3. Nachdem der Antrag bei der Pflegekasse eingegangen ist, erhalten Betroffene ein Formular für die Beantragung der Leistungen per Post zugeschickt. Hier müssen Angaben zu persönlichen Daten sowie zu den Leistungen, die beantragt werden sollen, gemacht werden. Welche Leistungen benötigt werden, hängt davon ab, ob der Pflegebedürftige zuhause durch Angehörige, einen ambulanten Pflegedienst oder aber in einer stationären Einrichtung versorgt werden soll.

Debatte um die Abschaffung oder Reform von Pflegegrad 1

In jüngster Zeit mehren sich Berichte und Diskussionen darüber, ob der Pflegegrad 1 in seiner jetzigen Form beibehalten, grundlegend reformiert oder gar abgeschafft werden sollte. Diese Debatte ist eingebettet in eine übergeordnete Herausforderung: Die soziale Pflegeversicherung steht vor finanzpolitischen Belastungen, steigenden Ausgaben und dem politischen Druck, schnell Kosteneinsparungen zu erzielen.

Motivlagen und ökonomischer Druck

  • Als ein Argument für eine Abschaffung oder Kürzung von Leistungen im Pflegegrad 1 wird genannt, dass mittel- bis langfristig finanzielle Ressourcen geschont werden könnten, insbesondere zugunsten höherer Pflegegrade mit größeren Bedarfen.
  • Medienberichte schätzen, dass mehr als 860.000 Menschen von solchen Änderungen betroffen sein könnten.
  • Manche Vorschläge sehen vor, den Pflegegrad 1 stärker in Richtung Prävention, Beratung, Assistenzsysteme oder Barriereanpassungen weiterzuentwickeln, statt ihn vollständig zu streichen.
  • Kritiker und Interessenverbände warnen vor möglichen Versorgungslücken, insbesondere in der niedrigschwelligen Unterstützung von Menschen mit geringen Einschränkungen, deren Alltagshilfen und Stabilisierung im bisherigen System oft eine „Frühwarnfunktion“ innehaben.
  • Eine potenzielle Einsparsumme durch Abschaffung wird in Medienberichten oft in Millionenhöhe angegeben (z. B. 1,8 Mrd. Euro jährlich) – allerdings sind solche Zahlen mit Unsicherheiten behaftet.

Politische Reaktionen und Unsicherheiten

Einige Reformvorschläge zielen darauf ab, den Pflegegrad 1 weniger als eigenständige Leistungsstufe zu verstehen, sondern stärker zu verschmelzen mit Angeboten zur Prävention, Beratung oder digitaler Assistenz – womöglich mit veränderten Anspruchskriterien oder neuen Leistungsstrukturen.

Praxisbeispiele (für Beratung & Doku)

Fallkarte 1 – PG 4 zu Hause mit Kombinationsleistung

Profil: Herr K., 78 J., Pflegegrad 4 (≈ 75 Punkte). Ehefrau pflegt, ambulanter Dienst übernimmt morgens/abends Grundpflege.

Ziel: Pflege zu Hause sichern, Angehörige entlasten, Leistungen optimal kombinieren.

Leistungspaket (2025)

  • Pflegegeld PG 4: 800 €/Monat
  • Pflege-Sachleistung PG 4: 1.859 €/Monat
  • Tages-/Nachtpflege: 1.685 €/Monat zusätzlich nutzbar
  • Entlastungsbetrag: 131 €/Monat
  • Hilfsmittel zum Verbrauch: bis 42 €/Monat
  • Wohnumfeld: bis 4.180 € je Maßnahme

    Amtliche Übersicht: BMG-Tabelle 2025 (PDF)

Rechenbox (Kombinationsleistung)

Beispiel: Ambulanter Dienst nutzt 70 % der Sachleistung

→ 70 % von 1.859 € = 1.301 € (Sachleistung)

→ Pflegegeld-Rest 30 % von 800 € = 240 €

Dazu: Entlastungsbetrag 131 € abrechnen (anerkannte Anbieter), Hilfsmittel 42 € pauschal.

Optional: 1–2 Tage Tagespflege pro Woche aus dem zusätzlichen Budget (1.685 €).

Angehörigen-Atempause (seit 01.07.2025)

Verhinderungs- & Kurzzeitpflege = ein Jahresbudget bis 3.539 €, ohne Vorpflegezeit; Pflegegeld hälftig bis 8 Wochen weiter.

To-dos (PDL)

– Kombi-Quote (z. B. 70/30) mit Pflegekasse schriftlich fixieren

– Monatsplan: Tagespflege + Entlastungsbetrag + Hilfsmittel einplanen

– Jahreskalender: 3.539 € für Urlaubs-/Krankheitsvertretung blocken

– Pflegeplanung modulbasiert (NBA, v. a. Modul 4/5) dokumentieren

– Grundlagen NBA/MD: md-bund.de → Pflegebegutachtung

>> Hier haben wir Ihnen die Fallkarte für den PG4 zum Download aufbereitet.

Fazit: Mehr Leistungen durch Pflegegrade

Vertreter:innen der SPD und andere politische Akteure haben Berichten zufolge Überlegungen zur Abschaffung zurückgewiesen und vor Verunsicherung gewarnt.

Es ist derzeit unklar, in welchem Stadium konkrete Gesetzespläne stehen, ob Bestandsschutzregelungen (für bereits eingestufte Personen) gelten würden oder wie Übergangsmodelle aussehen könnten.

Mit der Pflegereform 2017 wurden die alten Pflegestufen durch Pflegegrade ersetzt. Neben der Definition eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs wurde eine neue Begutachtungssystematik eingeführt.

Die neuen Pflegegrade berücksichtigen nicht nur körperliche Einschränkungen der Betroffenen, sondern auch psychische und kognitive Einschränkungen wie beispielsweise Demenz. Anders als beim bisherigen Begutachtungsverfahren, bei dem die geschätzte Zeit für die Pflege über die Pflegestufe entschieden hat, wird der Grad der Selbstständigkeit als Maßstab für die Einstufung des Pflegegrads herangezogen.

Der Antrag auf Pflegegeld und Pflegesachleistungen sollte möglichst früh gestellt werden. Für den Leistungsbeginn zählt nämlich nicht der Zeitpunkt des Eintritts der Pflegebedürftigkeit, sondern das Datum, an dem der Antrag gestellt wurde. Dies kann formlos per Telefon, Fax, E-Mail oder per Brief erfolgen.

FAQs: Pflegegrad und Pflegeleistung

Wie oft wird der Pflegegrad überprüft?

Die Pflegekasse kann regelmäßige Überprüfungen veranlassen, insbesondere wenn sich der Gesundheitszustand ändert. Bei Verbesserung oder Verschlechterung der Situation kann der Pflegegrad angepasst werden. Ein Beispiel: Frau Berger, die nach einem Schlaganfall in Pflegegrad 3 eingestuft wurde, konnte durch Rehabilitationsmaßnahmen teilweise ihre Mobilität zurückgewinnen und wurde daraufhin in Pflegegrad 2 zurückgestuft.

Können Angehörige den Antrag für Pflegeleistungen stellen?

Ja, Angehörige können den Antrag stellvertretend übernehmen, wenn der Pflegebedürftige nicht dazu in der Lage ist. Ein Nachweis wie eine Vollmacht oder ein Betreuerausweis muss der Pflegekasse vorgelegt werden. Zum Beispiel stellte Herr Maier, der die Betreuung seiner demenzkranken Mutter übernommen hat, den Antrag auf Pflegeleistungen mit einer notariellen Vollmacht.

Was passiert, wenn der Pflegegrad abgelehnt wird?

Wenn der Antrag abgelehnt wird, haben Sie das Recht, Widerspruch einzulegen. Der Widerspruch sollte schriftlich bei der Pflegekasse eingereicht werden. Ein erneutes Gutachten kann veranlasst werden. Beispiel: Frau Stein erhielt zunächst keine Einstufung, weil ihre psychischen Einschränkungen nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Nach einem erfolgreichen Widerspruch wurde sie in Pflegegrad 2 eingestuft.

Quellen

Tagesschau: „Milliardenloch in Pflegeversicherung – Pflegegrad 1 streichen – oder nicht?“ (Stand: 28.09.2025) | URL: https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/pflegestufe-koalition-100.html

Ärzteblatt: „Koalition diskutiert über Streichung von Pflegestufe 1″ (Stand: 28.09.2025) | URL: https://www.aerzteblatt.de/news/koalition-diskutiert-uber-streichung-von-pflegestufe-1-392b3000-d1dd-497e-854e-1ef28061c9e5

BR / BR24: „Pflegegrad 1 vor dem Aus: Kahlschlag oder Milliarden-Ersparnis?“ (Stand: 28.09.2025) | URL: https://www.br.de/nachrichten/wirtschaft/pflegegrad-1-abschaffen-kahlschlag-oder-milliarden-ersparnis,UyBE3qm