Körperpflege ohne Kampf: Pflegesituationen mit Demenzpatienten

Menschen mit fortgeschrittener Demenz pflegen
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Inhaltsverzeichnis

Sehen Sie hier, mit welchen Tipps Sie für eine angemessene Pflegesituation sorgen können, um Auseinandersetzungen mit dem zu Pflegenden zu vermeiden. Thematisieren Sie diese 7 Tipps nacheinander mit Ihrem Team.

Vertrauenspersonen bei der Körperpflege einbeziehen

Oftmals werden Pflegemaßnahmen aus Angst abgelehnt. Hier kann es jetzt sinnvoll sein, dass Sie eine vertraute Person, z. B. einen nahen Angehörigen, in die Pflegemaßnahme einbeziehen. Auch genießen im stationären Bereich die Mitarbeiter der Sozialen Betreuung einen hohen Vertrauensbonus.

Bitten Sie daher bei sehr ängstlichen Pflegekunden einen Kollegen der Betreuungsarbeit mit in die Pflegesituation. Dieser ist nun in der Pflegesituation anwesend und versucht, den Pflegekunden auf der Beziehungsebene zu erreichen, indem er ruhig mit ihm spricht.

Mit diesen 7 Tipps vermeiden Sie einen „Kampf“ in der Körperpflege

1. Tipp: Erkunden Sie die Bedürfnislage des zu Pflegenden

Versuchen Sie, den zu Pflegenden zu verstehen, indem Sie vor der eigentlichen Pflegemaßnahme seine Bedürfnislage ergründen. Macht er einen ausgeglichenen Eindruck auf Sie, können Sie Ihre Pflegemaßnahme vorbereiten und ihm anbieten. Auch wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihr Pflegekunde Sie aufgrund seiner Demenz verbal nicht mehr versteht, müssen Sie dennoch Ihre Pflegemaßnahmen verbal ankündigen. Passen Sie dann die weiteren Abläufe den Bedürfnisäußerungen des zu Pflegenden an.

2. Tipp: Nutzen Sie die Beziehungsebene

Zu Beginn Ihrer Maßnahme sollten Sie erst einmal für „schönes Beziehungswetter“ sorgen. Das bedeutet, Sie versuchen, den Betroffenen erst einmal auf der Beziehungsebene zu erreichen. Treten Sie in sein Sichtfeld – das bedeutet, Sie sprechen ihn von vorne an –, gehen Sie auf Augenhöhe und warten Sie erst einmal ab, bis der Betroffene Sie erkennt. Setzen Sie ein Lächeln als Verstärkung ein. Sprechen Sie ruhig und langsam. Nutzen Sie eine vertraute Ansprache, z. B. den Vor- oder Kosenamen des Betroffenen.

3. Tipp: Passen Sie die Umgebung Ihren Pflegemaßnahmen an

Ergründen Sie mögliche Stressfaktoren und minimieren Sie diese weitestgehend, z. B. Ausschalten von Radiogeräten oder Fernseher. Schließen Sie Fenster und Türen und sorgen Sie für eine angemessene Raumtemperatur. Vermeiden Sie lautes und schnelles Sprechen. Handeln Sie nicht schneller, als Ihr Pflegekunde mit Demenz reagieren kann.

4. Tipp: Brechen Sie bei Ablehnung die Pflegemaßnahme ab

Reagiert Ihr zu Pflegender mit Demenz auf Ihre Pflegemaßnahme ablehnend, müssen Sie diese umgehend abbrechen. Damit akzeptieren Sie sein Nein und stärken seine Autonomie. Zudem wird er bemerken, dass er die Regie für die Situation innehat. Das wiederum schafft Vertrauen.

5. Tipp: Ergründen Sie Ursachen und Auslöser für die Ablehnung

Zeigt Ihr Pflegekunde mit Demenz mitten in der Pflegemaßnahme Ablehnung, sollten Sie versuchen, den Auslöser zu ergründen. Überlegen Sie daher, welche Handlungen und Ereignisse der Ablehnung vorausgingen. Haben Sie den Auslöser entdeckt, sollten Sie diesen in der Pflegedokumentation vermerken, sodass auch andere Mitarbeiter dementsprechend reagieren können.

6. Tipp: Benennen Sie Ihre Pflegeziele realistisch

Überdenken Sie bei ängstlichen und unsicheren Pflegekunden mit Demenz Ihre eigentlichen Pflegeziele, nämlich Wohlbefinden erhalten und Vertrauen aufbauen. Stellen Sie die Reinigung des Körpers erst einmal hintenan. Setzen Sie Ihre Pflegeziele in Relation zu den Bedürfnissen des zu Pflegenden, auf diese Weise kommt es seltener zum Konflikt mit ihm.

7. Tipp: Gestalten Sie Ihre Pf lege kreativ und „lustvoll“

Bedenken Sie, dass Pflege Spaß machen kann. Testen Sie daher Alternativen, z. B. Mundpflege mit wohlschmeckenden Getränken. Zudem können Sie Vollbäder als Wellnessbäder gestalten, nämlich bei Kerzenschein und schöner Begleitmusik.

Nutzen Sie Türöffner für die Pflege

Der Sozialpsychologe Tom Kitwood hat für die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz sogenannte türöffnende Handlungsempfehlungen formuliert. Diese können bei fast allen Interaktionen mit dem Betroffenen eingesetzt und genutzt werden. Besprechen Sie diese Handlungsempfehlungen, die auch als Leitsätze in Ihre Altenarbeit überführt werden können. Verschriftlichen Sie diese Handlungsempfehlungen und hängen Sie diese im Dienstzimmer aus. Auf diese Weise können sich Ihre Kollegen immer wieder daran orientieren.

9 türöffnende Handlungsempfehlungen (nach T. Kitwood)

  • Akzeptiere den Menschen mit Demenz so, wie er ist.
  • Lass einen Menschen mit Demenz seinen eigenen Willen behaupten und seine Gefühle ausdrücken.
  • Biete dem Menschen mit Demenz Nähe und Wertschätzung.
  • Gib dem Menschen mit Demenz die Möglichkeit, Selbstachtung zu erleben.
  • Fördere und ermögliche soziale Kontakte.
  • Biete dem Menschen mit Demenz die Möglichkeit vertrauter Beschäftigung und sein Leben normal zu gestalten (Vertrautheit durch Normalität).
  • Stimuliere seine Sinne, lass ihn genießen und sich entspannen.
  • Arbeite mit Humor.
  • Schaffe eine sichere und fördernde Umgebung.

Was sind persönliche Voraussetzungen für die Arbeit mit Menschen mit Demenz?

Für eine individuelle und personenzentrierte Arbeit mit Menschen mit Demenz sind aufseiten der Mitarbeiter bestimmte persönliche Eigenschaften notwendig. Kitwood hat diese wie folgt beschrieben:

  • Innere Ruhe: Als Mitarbeiter müssen Sie innerlich ausgeglichen und ruhig sein, da diese Gemütslage vom Menschen mit Demenz wahrgenommen wird. Hierüber wird er sogar „angesteckt“, da sich Ihre Gemütslage auf ihn überträgt.
  • Empathie: Um einem Menschen wirklich gerecht werden zu können, müssen Sie sich in ihn hineinversetzen können. Das gelingt mithilfe der Spiegelneurone.
  • Flexibilität: Insbesondere Menschen mit einer Demenz vom Alzheimer- Typ und bei der Lewy-Body-Demenz müssen Sie mit starken Schwankungen der Kognition über den Tag rechnen. Hierzu müssen Sie sich flexibel an diese Schwankungen anpassen können.
  • Stabilität: Als Bezugsmitarbeiter geben Sie Ihren Pflegekunden mit Demenz Halt und Sicherheit. Wichtig ist daher, dass Sie für Ihren Pflegekunden berechenbar und stabil wirken. Erhebungen haben zudem ergeben, dass für Pflegekunden die Mitarbeiter zu den engsten Bezugspersonen geworden sind.
  • Ungezwungenheit in der Kontaktaufnahme: Menschen mit Demenz dürfen in Ihnen keine Angst oder Ablehnung auslösen. Nur so sind Sie fähig zu einem ungezwungenen Umgang mit Ihren betroffenen Pflegekunden.
  • Belastbarkeit: Da Sie sich ständig verändernden Situationen in der Arbeit mit Menschen mit Demenz anpassen müssen, ist ein gewisses Maß an Belastbarkeit erforderlich. Diese Belastbarkeit kann aber nur innerhalb eines starken Teams bestehen.

Besprechen Sie diese persönlichen Voraussetzungen mit Ihrem Team. Zeigen Sie auf, dass hierin die wesentlichen Voraussetzungen für eine ausgeglichene und konfliktarme Körperpflegesituation mit Menschen mit Demenz liegen.

Arbeitsdruck kontra Fähigkeiten

Klären Sie aber auch, dass Sie und Ihr Team nicht in einem Vakuum arbeiten, denn die Arbeitsbedingungen haben ebenfalls einen großen Einfluss auf die oben genannten persönlichen Voraussetzungen. Eine knappe Personaldecke und ein hoher zeitlicher Arbeitsdruck verhindern, dass die persönlichen Fähigkeiten der Pflegemitarbeiter sich voll und gut entfalten können. Diesen Zusammenhang müssen Sie dann mit Ihrer Leitung besprechen.

Benennen Sie den externen Druck in der Pflege

Sammeln Sie im Rahmen einer Teamsitzung zusammen mit Ihren Kollegen, welchem externen Druck sie sich ausgesetzt fühlen. Tragen Sie hierzu Beispiele aus der täglichen Praxis zusammen, z. B. Angehörige möchten, dass der Bewohner mit Demenz ein ordentliches Erscheinungsbild abgibt. Überlegen Sie nun, wie Sie als Team mit diesen mitunter unrealistischen Ansprüchen umgehen möchten. Nutzen Sie dann das Element der Fallbesprechung unter Einbezug der Angehörigen.