Die Krankheit Demenz ist eine der häufigsten Krankheiten im Alter. Sie wird von einem fortschreitenden Verlust der geistigen Fähigkeiten begleitet, der auch die Persönlichkeit des Betroffenen beeinträchtigt. Weltweit sind knapp 50 Millionen Menschen von Demenz betroffen.
Angesichts der steigenden Lebenserwartung ist damit zu rechnen, dass es in Zukunft deutlich mehr Demenzkranke geben wird. Diesen muss eine umfassende, aufmerksame Pflege zu Teil werden. Dazu gehört auch die Schmerzlinderung – vor allem, weil Betroffene häufig nicht mehr selbst über ihre Empfindungen Auskunft geben können. Pflegekräfte können sich dabei an den Expertenstandards für das Schmerzmanagement orientieren. Im folgenden Artikel erläutern wir diesen in Zusammenhang mit der Demenz.
Schmerzmanagement bei Demenz in der Pflege
Eine große Problematik im Kontext von Demenzerkrankungen sind altersbedingte Schmerzen und das Schmerzmanagement bzw. die Schmerzbehandlung. Schmerzen treten bei einem Großteil von Demenzpatienten auf, können allerdings kaum oder gar nicht geäußert werden. Das erschwert Schmerzerkennung und -erfassung sowie letztlich auch die Schmerztherapie bzw. Schmerzbehandlung. Die Erkrankung selbst wirkt sich nach neueren Erkenntnissen nicht auf das Schmerzempfinden im Allgemeinen aus, was die bedachte Behandlung und aufmerksame Beobachtung von Demenzpatienten umso wichtiger erscheinen lässt.
Die funktionellen Veränderungen im Gehirn führen teilweise auch zu einer Veränderung der Schmerzreaktion, die sich äußerlich besonders durch eine Verstärkung von demenzbedingten Symptomen bemerkbar macht. Neuere Methoden der Schmerzerfassung ermöglichen es dennoch, auch im fortgeschrittenen Stadium von Demenz, Schmerzen zuverlässig zu erkennen, die Schmerzintensität einzuordnen, um sie anschließend mithilfe einer entsprechenden Schmerztherapie behandeln und lindern zu können. Durch die Linderung der Schmerzen kann nicht nur das Wohlbefinden und damit die Lebensqualität von Demenzpatienten gefördert werden, sondern letztlich auch der Verlauf der Demenz positiv beeinflusst werden.
Schmerzerfassung & Erfassungsinstrumente von Schmerzen bei Demenz
Derartige Maßnahmen zur Schmerzerkennung und Einordnung der Schmerzintensität umfassen mehrere Verfahren, die in folgender Tabelle näher beschrieben werden.
Verfahren | Beschreibung |
Selbsteinschätzung | Die Patienten bewerten ihre eigenen Schmerzen selbst auf einer Skala. Diese kann textuell sein oder aber auch verschiedene Gesichter umfassen, um die Verständlichkeit zu vereinfachen. Nicht immer können Demenzpatienten ihre Schmerzen auf diesen Skalen wahrheitsgemäß einordnen. Daher gibt es weitere Verfahren der Fremdeinschätzung von Schmerzen. |
BESD-Skala (Beurteilung von Schmerz bei Demenz) | Schmerzmanagement Demenz: In den Rubriken Atmung, negative Lautäußerung, Mimik, Körpersprache und Trostwahrnehmung werden Schmerzen konzeptualisiert. Die Verwendung dieser Schmerzskala erfordert, dass die Bewertungsperson den Patienten kennt und Abweichungen im Verhalten richtig deuten kann. |
BISAD-Skala | Diese Schmerzskala funktioniert ähnlich wie die BESD-Skala, umfasst allerdings auch die Veränderungen in der Beweglichkeit und im Sozialverhalten des Patienten. Hier ist es wichtig, Lähmungen vor der Bewertung auszuschließen, um ein Schmerzmanagement zu ermöglichen. |
Serial Trial Intervention (STI) | Bei diesem neuartigen Verfahren wird davon ausgegangen, dass Schmerzen immer in einem negativen Verhalten resultieren und es spezifische Schmerzäußerungen gibt, welches auffordernden Charakter hat, also herausfordernd ist. Das bedeutet, dass eine negative Verhaltensänderung daraufhin untersucht wird, ob ihre Ursache schmerzlicher Natur ist und es sich um eine Schmerzäußerung handelt. Zuerst werden körperliche Bedürfnisse befriedigt und untersucht, ob sich das Verhalten um mehr als 50 % reduziert. Ist dies nicht der Fall, werden affektive Bedürfnisse befriedigt. In einem ersten Schritt des Schmerzmanagements erfolgen nicht-medikamentöse Maßnahmen, dann medikamentöse und im letzten Schritt Psychopharmaka. Nach jedem dieser Schritte wird untersucht, ob sich die Verhaltensweisen um mehr als 50 % reduzieren. |
Pflege & Betreuung bei Demenz
Auch eine stationäre Pflege von Demenzpatienten ist möglich, allerdings eine besondere Herausforderung. Oft wird sie erst begonnen, wenn Angehörige die Pflege nicht mehr allein leisten können und die Krankheit weit fortgeschritten ist. Der späte Umgebungswechsel in eine völlig unbekannte Umgebung ist dann meist eine große Belastung für die Bewohner und alle Beteiligten.
Was ist bei Demenzkranken im Krankenhaus zu beachten?
Viele Krankenhäuser sind nicht ausreichend auf einen langen Aufenthalt von Demenzkranken vorbereitet. Eine intensive Betreuung ist nur eingeschränkt möglich. Vielen Pflegern fehlt es an dem nötigen Fachwissen.
Das können Krankenhäuser tun:
- Die Kooperation mit Angehörigen muss transparent und umfangreich sein.
- Das Fachwissen zu Demenz muss in jedem Krankenhaus vorhanden sein.
- Die Krankenhaus-Abläufe müssen auf Demenzpatienten abgestimmt werden können.
Das können Angehörige tun:
- Das Personal muss über alle Erkrankungen aufgeklärt werden, es gibt einen speziellen „Informationsbogen für Patienten mit einer Demenz bei Aufnahme ins Krankenhaus“.
- Angehörige sollten sich gut über die Krankheit und das Krankenhaus informieren.
- Der Betroffene sollte möglichst häufig besucht werden, im Wechsel von mehreren Familienmitgliedern.
- Betreuende Familienmitglieder können Einsicht in die Krankenunterlagen beantragen. Dies hilft, Verschlechterungen und Konflikte im Krankenhausalltag zu erkennen, auch wenn im Konfliktfall gerade kein Angehöriger vor Ort war.
Was müssen Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen für an Demenz erkrankte Personen beachten?
Auch für die Pfleger in Pflegeeinrichtungen stellt die Pflege von Demenzpatienten immer eine gesteigerte Problematik dar. Der Pflegebedarf ist sehr individuell und zeitintensiv. Nicht immer ist es einfach, die theoretisch erworbenen Fähigkeiten auch praktisch umzusetzen.
Das können Pfleger tun:
- Es gibt viele Handreichungen und Broschüren, die den praktischen Umgang mit Demenzpatienten erleichtern und auf unangemessene Verhaltensweisen hinweisen. Die beiden Expertenstandards Schmerzmanagement können dabei als grundlegende Leitfäden herangezogen werden.
- Den Patienten darf die im Pflegekontext immer fehlende Zeit nicht gewahr werden, denn sonst wird der Stress des Patienten verstärkt.
- Die Betroffenen müssen auch im Pflegekontext das Gefühl haben, in einem sicheren Umfeld zu sein. Das Pflegepersonal ist die erste Reihe an Personen, die dafür sorgt, dass dies umgesetzt werden kann.
Minimierung der Verletzungsgefahr: Ausgestaltung der Umgebung
Für den richtigen Umgang mit Demenzpatienten ist es wichtig, eine angenehme und bekannte Umgebung für den Patienten zu schaffen. Sie nimmt den an Demenz erkrankten Bewohnern Ängste und sorgt für Stabilität.
Manchmal bedeutet dies auch, dass man sich in die verschobene Welt des Patienten hineinversetzen muss. So kann es durchaus hilfreich sein, einem Betroffenen von einer Erinnerung mit einem längst verstorbenen Familienangehörigen zu erzählen, als sei sie erst kürzlich geschehen. Dies kann für emotionale Stabilität sorgen und bestätigt den Patienten in seinen eigenen Gedanken.
Gleichzeitig sollte die Umgebung allerdings auch möglichst altersgerecht sein. Derartige Veränderungen müssen selbstverständlich vorgenommen werden, da sie ansonsten zu anderweitigen Problemen im Alltag führen. Dies umfasst Rauchmelder, Haltegriffe und beispielsweise nach dem ROT-System erstellte Hilfen und Beschriftungen.
Die richtige Kommunikation mit Demenzkranken
Häufig führt Demenz zu Konflikten im alltäglichen Miteinander. Die Patienten haben ihren eigenen Stolz und wollen ihre Selbstbestimmung nicht in allen Bereichen abgeben. Zudem führt die fortschreitende Leistungsdegenerierung zu einer psychischen Belastung bei dem Betroffenen selbst.
Es ist demnach wichtig, sowohl Geduld als auch Verständnis für den Patienten zu haben und ihnen Sicherheit zu geben. Unwohlsein muss frühzeitig erkannt werden und wenn nötig durch Maßnahmen der Schmerzlinderung reduziert werden. Die Entscheidungen von Pflegenden sind für Patienten zudem häufig nicht oder nur wenig nachvollziehbar. Dies muss beachtet werden, um Misstrauen entgegenzuwirken.
Tipps für die richtige Kommunikation mit Demenzkranken:
- Nutzen Sie eine einfache Sprache und kurze Sätze.
- Vermeiden Sie Fragen, die den Betroffenen überfordern könnten.
- Haben Sie Geduld, wenn der Patient länger für eine Antwort oder Aktion benötigt als erwartet.
- Überhören Sie Anschuldigungen und Vorwürfe.
- Reden Sie mit dem Betroffenen weiterhin auf einer gleichwertigen Ebene. Bevormunden Sie ihn nicht.
Pflege von Demenzpatienten erfordert Zusammenarbeit
Jeder Demenz-Patient hat seine eigene Symptomatik, was die Therapie mit Medikamenten und psychosozialen Methoden erschwert. Es lassen sich zudem verschiedene Formen von Demenz unterscheiden, die auf organische oder nicht-organische Schäden zurückgeführt werden können. Auch wenn eine klassische, primäre Demenz nicht heilbar ist, kann doch einiges getan werden, um Betroffenen den Alltag so lange eigenständig zu ermöglichen wie möglich.
Bei stark fortgeschrittener Demenz steht das Schmerzmanagement und insbesondere die Schmerzerkennung und Schmerzlinderung im Vordergrund, denn Betroffenen fällt es im Verlauf der Krankheit immer schwerer, ihre Empfindungen zu benennen. Im Pflegebereich kommen darum häufig eine Schmerzskala zum Einsatz, die das Pflegepersonal bei der Erfassung und Linderung unterstützen.
Letztlich ist es aber hauptsächlich die umfangreiche Kooperation zwischen Angehörigen, Ärzten und Pflegekräften, die eine ambulante oder stationäre Behandlung von Demenzpatienten optimal auf die Bedürfnisse des Patienten abstimmt.