Lecanemab: Was steckt hinter dem neuen Alzheimer-Medikament Leqembi®?

Pflegekraft unterstützt ältere Frau mit Alzheimer im Frühstadium – Hoffnung durch neues Demenz-Medikament Leqembi (Lecanemab).
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Inhaltsverzeichnis

Das Wichtigste in Kürze

Leqembi® (mit dem Wirkstoff Lecanemab) als Hoffnungsträger: Das erste Alzheimer-Medikament, das direkt an der vermuteten Ursache – den Amyloid-beta-Ablagerungen (Eiweißablagerungen) im Gehirn – ansetzen und damit über reine Symptomlinderung hinausgehen soll.

Neue Alzheimer-Therapie seit September 2025 in Deutschland zugelassen: Leqembi® ist nur für Patient*innen im Frühstadium zugelassen und gilt als Meilenstein in der modernen Demenzbehandlung.

Strenge Voraussetzungen für die Behandlung: Der Nachweis von Amyloid-Plaques (z. B. durch Amyloid-PET) sowie ein Gentest auf das Risiko-Gen ApoE4 sind Pflicht, bevor die Alzheimer-Medikation beginnen kann.

Komplexer Behandlungsplan für Pflegekräfte und Angehörige: Alle zwei Wochen Infusionen in spezialisierten Alzheimer-Zentren sowie regelmäßige MRT-Kontrollen machen die Therapie aufwendig.

Verlangsamung des Krankheitsverlaufs: Studien zeigen, dass Leqembi® den geistigen Abbau bei Alzheimer-Patienten um bis zu 31 % hinauszögern kann – ein innovativer Durchbruch, der Pflege und Lebensqualität nachhaltig beeinflussen kann.

Wie wirkt das neue Alzheimer-Medikament Leqembi®?

Der neue Wirkstoff Lecanemab, der in der EU unter dem Handelsnamen Leqembi® vom japanischen Pharmaunternehmen Eisai und vom US-Amerikanischen Hersteller Biogen vertrieben wird, verfolgt einen innovativen Ansatz im Kampf gegen Alzheimer. Lecanemab gehört als pharmazeutischer Wirkstoff zu einer Klasse von Arzneimitteln, die als monoklonale Antikörper bezeichnet werden. Diese speziellen Antikörper sind so entwickelt, dass sie gezielt die löslichen Vorstufen der Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn erkennen und daran binden.

Durch die Bindung an diese Vorstufen aktiviert Lecanemab das körpereigene Immunsystem, welches daraufhin die schädlichen Proteine abbaut und ihre weitere Ansammlung hemmt. Ziel der Therapie mit Lecanemab ist es, den Abbau der Nervenzellen im Gehirn zu verlangsamen, was wiederum den kognitiven Verfall der Betroffenen verzögern soll.

Die Ergebnisse der CLARITY AD Studie, die vom Hersteller Eisai seit 2019 durchgeführt wird, zeigten vielversprechend, dass Lecanemab in der Lage ist, den geistigen Abbau über einen Zeitraum von 18 Monaten zwischen 27 und 31 Prozent im Vergleich zu Placebo zu verlangsamen.

The adjusted least-squares mean change from baseline at 18 months was 1.21 with lecanemab and 1.66 with placebo (difference, −0.45; 95% confidence interval [CI], −0.67 to −0.23; P<0.001).

(van Dyck et al., 2023, N Engl J Med 388:9–21)

Übersetzt in die Realität von Alzheimer-Patienten oder Pflegepersonal bedeutet dies: Betroffene Patienten können unter der Behandlung von Leqembi® länger und selbstbestimmter ihren Alltag leben und erfahren eine Steigerung ihrer Lebensqualität. Das Medikament kann jedoch nicht heilen, aber den Krankheitsfortschaft verlangsamen.

Für wen ist die Behandlung mit Leqembi® geeignet?

Die Alzheimer-Behandlung mit Leqembi® ist nicht für alle Patientinnen und Patienten mit Alzheimer geeignet. Es gibt strenge Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit Leqembi® angewandt und von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden kann.

Nur im Alzheimer-Frühstadium

Das Medikament Leqembi® ist ausschließlich für Menschen mit einer frühen Alzheimer-Erkrankung zugelassen. Dazu zählen Personen mit einer leichten kognitiven Beeinträchtigung (Mild Cognitive Impairment, MCI) oder einer leichten Alzheimer-Demenz. In diesem Stadium sind die kognitiven Einbußen gering und die Betroffenen können ihren Alltag weitgehend selbstständig bewältigen.

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft definiert das Frühstadium von Alzheimer als Phase mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen, in der Betroffene meist noch selbstständig leben können. Sie zeigen jedoch zunehmend Symptome wie Vergesslichkeit, Konzentrationsprobleme und Stimmungsschwankungen. In diesem frühen Stadium  der Alzheimer-Krankheit sind Alltagshilfen bei komplexen Aufgaben bei vielen Patienten notwendig, während die Grundfunktionen meist erhalten bleiben.

Prävalenz

Schätzungsweise befinden sich in Deutschland etwa 350.000 bis 450.000 Menschen im Frühstadium der Alzheimer-Erkrankung. Diese Zahl basiert auf den jährlichen Neuerkrankungen von circa 364.000 bis 445.000 Menschen mit Demenz, von denen viele im Frühstadium diagnostiziert werden.

Nachweis von Amyloid-Ablagerungen

Eine wesentliche Voraussetzung zur Verordnung und Kostenerstattung von Leqembi® ist der Nachweis von krankhaften Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn. Dieser Nachweis kann durch eine Untersuchung des Nervenwassers aus dem Gehirn erbracht werden. Die Untersuchung wird entweder minimalinvasiv mittels einer Lumbalpunktion im Bereich der Lendenwirbelsäule durchgeführt. Schonender ist der Einsatz einer speziellen Bildgebung, die sogenannte Amyloid-Positronen-Emissions-Tomografie (Amyloid-PET).

Bei der Amyloid-PET wird ein radioaktiver Marker in den Körper injiziert, der sich gezielt an die Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn bindet. Anschließend erstellt ein spezielles Kamerasystem detaillierte Bilder, die die Verteilung der Ablagerungen sichtbar machen.

Genetische Voraussetzungen und Ausschlusskriterien

Vor Therapiebeginn muss ein Gentest durchgeführt werden, um die Variante des Apolipoprotein-E-Gens (ApoE) zu bestimmen.

Patientinnen und Patienten, die zwei Kopien der Risikovariante ApoE4 tragen (ApoE4-Homozygote), sind von der Behandlung mit Leqembi® ausgeschlossen. Der Grund dafür ist ein stark erhöhtes Risiko für schwere Nebenwirkungen wie Hirnblutungen, Schwellungen im Gehirn oder andere neurologische Komplikationen. Personen mit einer oder keiner ApoE4-Kopie können hingegen behandelt werden.

ApoE4 bezeichnet eine der drei Varianten des Gens für das Apolipoprotein E (ApoE). Dieses Protein transportiert im Körper Fettstoffe, wie Cholesterin. Studien stellten fest, dass Menschen mit 2 ApoE4-Genen früher und häufiger an Alzheimer erkranken als zum Beispiel Menschen mit nur einem ApoE4-Gen und einem ApoE3-Gen. Ein weiteres wichtiges Ausschlusskriterium ist die Einnahme von gerinnungshemmenden Medikamenten, da diese das Risiko für Hirnblutungen im Rahmen der Therapie erheblich steigern.

Wichtig im Alten- und Pflegeheim

Pflegekräfte in Alten- und Pflegeheimen sollten bei Patienten, die mit Leqembi® behandelt werden, besondere Sorgfalt im Umgang mit gerinnungshemmenden Medikamenten walten lassen. Ältere Patienten nehmen häufig Gerinnungshemmer wie NOAK (neue orale Antikoagulanzien), Marcumar oder auch niedrig dosiertes Aspirin (Aspirin 100) ein. Selbst bei der Einnahme von Aspirin 100 besteht ein erhöhtes Risiko für mögliche Hirnblutungen während der Therapie. Um lebensbedrohliche Komplikationen zu verhindern, ist der Einsatz aller Medikamente genau zu dokumentieren und engmaschig mit dem behandelnden Arzt abzustimmen, um potenzielle Risiken rechtzeitig zu minimieren.

Wie läuft die Alzheimer-Behandlung mit Leqembi® ab? 

Die Therapie mit Leqembi® ist zum aktuellen Zeitpunkt komplex. Sie erfordert anders als bei der  bisherigen oralen Medikamenteneinnahme von Antidementiva eine engmaschige medizinische Betreuung in spezialisierten Zentren.

Regelmäßige Infusionen 

Leqembi® wird im 2-Wochen-Intervall als intravenöse Infusion angeboten. Jede Infusion dauert etwa eine Stunde und findet unter medizinischer Aufsicht in einer Klinik oder einer spezialisierten Ambulanz statt. Dieser Prozess stellt sicher, dass Alzheimer-Patienten während der Behandlung optimal betreut und potenzielle Nebenwirkungen frühzeitig erkannt werden können. 

Strenge Überwachung durch bildgebende Verfahren 

Die Behandlung mit Leqembi® ist zusätzlich an regelmäßige Kontrolluntersuchungen mittels Magnetresonanztomografie (MRT) gebunden. Diese sind wichtig, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen (ARIA-E) oder Blutungen (ARIA-H) frühzeitig zu entdecken. MRT-Untersuchungen sind vor der 5., 7. und 14. Infusion vorgeschrieben. Sollten typische Symptome auftreten, die auf Nebenwirkungen hinweisen, beispielsweise Kopfschmerzen, Verwirrung oder Sehstörungen, sind zusätzliche MRT-Scans notwendig.

Behandlungsdauer und Abbruchkriterien 

Die Therapie ist als langfristige Behandlung konzipiert. Sie wird so lange fortgesetzt, bis in den regelmäßigen Untersuchungen ein mittelschweres Demenzstadium festgestellt wird. Um diesen Zeitpunkt zu bestimmen, werden die kognitiven Fähigkeiten der Patienten etwa alle sechs Monate sorgfältig überprüft. Können die vorgeschriebenen MRT-Kontrollen nicht eingehalten werden, muss die Behandlung mit Leqembi® ebenfalls abgebrochen werden. Ein erhöhtes Blutungsrisiko während der Behandlung hat ebenfalls einen Abbruch der Therapie mit Leqembi® zur Folge.

Die Behandlung mit Leqembi® erfordert zusammenfassend nicht nur eine sorgfältige Planung und klinische Kontrolle. Ebenfalls wesentlich ist die enge Zusammenarbeit zwischen Patienten, Angehörigen, Pflegeperson, Ärzten und spezialisierten Zentren. Durch eine schnelle und proaktive Informationsweitergabe kann der größtmögliche Therapienutzen bei minimalen Nebenwirkungsprofil gewährleistet werden.

Nebenwirkungen und Risiken bei der Behandlung mit Leqembi®

Wie bei jeder anderen Behandlung mit innovativen psychiatrischen Arzneimitteln, ist auch die Anwendung von Leqembi® mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden. Die häufigsten einfachen Nebenwirkungen sind infusionsbedingte Reaktionen wie Fieber und Schüttelfrost.

Zu den schwerwiegendsten Risiken bei der Behandlung mit Leqembi® zählen die sogenannten Amyloid-bezogene Bildgebungsanomalien, bekannt als ARIA.

  • ARIA-E (Ödem): Hirnschwellungen, die bei etwa 9 Prozent der behandelten Patientinnen und Patienten auftraten, die für die EU-Zulassung relevant waren.
  • ARIA-H (Hämorrhagie): Kleine Hirnblutungen, die bei rund 13 Prozent dieser Patientengruppe beobachtet wurden.

Diese schwerwiegenden Nebenwirkungen sind bei vielen Patienten symptomlos und werden nur auf den MRT-Bildern entdeckt. In seltenen Fällen können sie jedoch zu ernsten Symptomen wie Kopfschmerzen, Verwirrtheit oder Krampfanfällen führen. Das Risiko für schwere Nebenwirkungen ist bei Trägern von zwei ApoE4-Genkopien deutlich erhöht, weshalb diese von der Behandlung ausgeschlossen sind.

Leqembi® als Innovation bei der Behandlung von Alzheimer-Patienten

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Leqembi® einen ersten, innovativen Schritt in der gezielten Behandlung von Alzheimer darstellt. Auch wenn die Anwendung mittels Infusionstherapie derzeit noch umständlich ist und die Therapie nur für eine eingeschränkte Patientengruppe infrage kommt, sind die Fortschritte auf dem Forschungsgebiet der Alzheimer-Demenz vielversprechend.

Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass zukünftig weitere Innovationen folgen, die die Behandlung erleichtern und Nebenwirkungen reduzieren. Hinweise oder Studien zu einer subkutanen oder rein oralen Tablettenform sind bisher nicht dokumentiert. Insgesamt stellt die Forschung zu Leqembi® einen wichtigen und positiven Meilenstein für Patient*innen im Frühstadium mit Morbus Alzheimer dar.


Interview mit dem „Pharmalotsen“ Torsten Niermann

Torsten Niermann hat viele Jahre als geprüfter Pharmareferent und Health Consultant Diabetes im Pharmaaußendienst und als Führungskraft in der Pharmaindustrie gearbeitet. Er kennt auch den Markt der Antidementiva und hat als Regionalleiter selbst Neurologen und Psychiater besucht und Therapieformen vorgestellt. Seit 2018 arbeitet Torsten Niermann als Personalberater für die Pharmaindustrie und vermittelt Vertriebs- und Führungspersönlichkeiten als „Pharmalotse“ in die pharmazeutische Industrie.

Er beantwortet wichtige praktische Fragen zur neuen Alzheimer-Therapie mit Lecanemab (Leqembi®)

Für welche Patientinnen und Patienten kommt Leqembi® überhaupt infrage?

Leqembi® ist für Erwachsene im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit gedacht. Darunter fallen alle Patienten, bei denen vom Psychiater oder in spezialisierten Zentren eine leichte kognitive Beeinträchtigung oder eine leichte Demenz diagnostiziert wurde. Ob Lecanemab als pharmazeutischer Wirkstoff für einen Patienten infrage kommt, wird durch eine sorgfältige ärztliche Untersuchung und spezialisierte Diagnostik festgestellt.

Welche Rolle spielt der Nachweis bestimmter Biomarker?

Der Nachweis von Amyloid-Ablagerungen im Gehirn ist eine zwingende Voraussetzung für die Therapie. Dies geschieht durch eine Nervenwasseruntersuchung oder eine Amyloid-PET im bildgebenden Verfahren. Zusätzlich wird das ApoE4-Gen getestet. Träger von zwei Genkopien sind aufgrund des hohen Risikos für Nebenwirkungen von der Behandlung ausgeschlossen.

Welche Erwartungen können Patientinnen und Patienten realistischerweise haben?

Patientinnen und Patienten, bei denen eine beginnende Alzheimer-Erkrankung festgestellt wurde, können unter der Therapie mit Lecanemab (Leqembi®) eine Verlangsamung des kognitiven Abbaus erwarten. Leqembi® verspricht keine Heilung bei Alzheimer, kann aber wertvolle Zeit im frühen Krankheitsstadium schenken. Der individuelle Nutzen kann von Patient zu Patient variieren und ist nicht für jeden im Alltag spürbar.

Wie läuft der Gentest ab, der vor Therapiebeginn empfohlen wird?

Der Gentest erfolgt durch eine einfache Blutprobe, die in einem Labor analysiert wird. Er wird in der Regel durchgeführt, wenn nach der Diagnose der Alzheimer-Krankheit eine Behandlung mit Lecanemab in Betracht gezogen wird. Der Test ist nicht invasiv.

Das Ergebnis kann psychologische und ethische Fragen aufwerfen, da Alzheimer in der autosomal-dominaten Form, die eine genetische Mutation darstellt, vererbbar sein kann. Die vererbbare Form von Alzheimer ist jedoch sehr selten und betrifft etwa 1 bis 2 Prozent der Erkrankten. Eine ausführliche Beratung vor dem Gentest ist gesetzlich vorgeschrieben.

Wie sieht der typische Behandlungsplan mit Leqembi® aus?

Patientinnen und Patienten erhalten alle zwei Wochen eine einstündige Infusion. Die Therapie ist als langfristige Behandlung konzipiert und wird fortgesetzt, solange sie wirksam ist und gut vertragen wird. Feste Zyklen oder ein temporäres Aussetzen der Therapie sind nicht vorgesehen.

Was können Patientinnen und Patienten parallel zur Behandlung tun?

Ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung, regelmäßiger Bewegung und kognitivem Training kann den Krankheitsverlauf bei Alzheimer grundsätzlich positiv beeinflussen. Ergotherapie und logopädische Maßnahmen können ebenso hilfreich sein, wie psychosoziale Unterstützung durch Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen.

Welche logistischen Herausforderungen gibt es?

Die regelmäßigen Termine für Infusionen und MRT-Kontrollen bedeuten einen erheblichen logistischen Aufwand für Patienten, deren Angehörige oder auch für Pfleger im Alten- und Pflegeheim. Die Anfahrten zu spezialisierten Zentren können für Betroffene und ihre Angehörigen eine Belastung darstellen. Dies gilt im Besonderen in ländlichen Regionen.

Ist die Versorgung in Deutschland flächendeckend möglich, oder gibt es regionale Unterschiede?

Die Versorgung mit Leqembi® ist nach der Zulassung zum 01.09.2025 in Deutschland möglich. Das Medikament wird in spezialisierten Alzheimer- und Gedächtniszentren angeboten, die über die erforderliche Infrastruktur und das geschulte Personal für Diagnostik, Infusionen und Überwachung verfügen.

Vier exemplarische Zentren, die Leqembi®-Behandlungen durchführen, liegen verteilt in Deutschland:

  • Im Osten das Klinikum der Universität Halle (Saale) und die Charité in Berlin,
  • Im Norden das Klinikum Bremen-Ost und
  • Im Süden die Schön Klinik in Bad Aibling.

Diese und weitere Zentren bieten bereits Zugang zur Therapie. Aus anderen, ländlichen Regionen müssen Patienten teilweise längere Anfahrtswege oder Wartezeiten in Kauf nehmen, bis eine flächendeckende Versorgung aufgebaut ist.

Wer trägt die Kosten der Behandlung mit Leqembi®?

Nach der EU-Zulassung und dem Marktstart in Deutschland im September 2025 wird derzeit noch der Nutzen des Medikaments bewertet und Preisverhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen geführt. Der Abschluss der Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) wird für Mitte Februar 2026 erwartet.

Die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland übernehmen bereits jetzt bei sachgemäßer Anwendung die Kosten für die Behandlung mit Leqembi®, da das Medikament nach EU-Zulassung verfügbar und als notwendig erachtet wird. Die Kostenübernahme basiert auf der sogenannten „vorläufigen Erstattung“ im Rahmen der frühen Nutzenbewertung nach § 35a SGB V.

Die Behandlung erfolgt alle zwei Wochen als Infusion in spezialisierten Kliniken und ist mit jährlichen Medikamentenkosten von rund 24.000 Euro sowie zusätzlichen Ausgaben für Diagnostik und Therapiebegleitung verbunden.

Wie ordnen Sie Leqembi® im Vergleich zu bisherigen Alzheimer-Therapien ein?

Leqembi® stellt einen Paradigmenwechsel in der Behandlung von Alzheimer-Patienten dar. Während bisherige Medikamente nur symptomatisch wirkten, greift Lecanemab als erste Therapie direkt in den Krankheitsprozess ein. Dieser Meilenstein in der Alzheimer-Forschung ist sehr positiv. Selbst wenn Lecanemab als monoklonaler Antikörper keine Heilung bei Morbus Alzheimer bewirkt, ist Leqembi® ein erster wichtiger Schritt und Ansporn für die weitere Forschung an innovativen Arzneimitteln.

In den USA ist Leqembi® seit 2023 zugelassen. Gibt es bereits konkrete Ergebnisse?

Eine zweijährige Real-World-Studie, die im Juli 2025 auf der Alzheimer’s Association International Conference (AAIC) präsentiert wurde, untersuchte die tatsächliche klinische Behandlung von Leqembi® an 15 medizinischen Zentren in den USA. In dieser Studie wurden 178 Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung oder leichter Alzheimer-Demenz erfasst. Die Patienten hatten ein Durchschnittsalter von etwa 74 Jahren. Die durchschnittliche Behandlungsdauer lag bei rund 375 Tagen.

87,4 Prozent der Patienten, setzten die Behandlung langfristig fort. Nebenwirkungen führten nur selten zum Abbruch der Therapie mit Leqembi®. Diese ersten Patientendaten bestätigen die Sicherheits- und Wirksamkeitsprofile aus früheren klinischen Studien zu Lecanemab.

Sehen Sie Leqembi® als Gamechanger?

Als Pharmareferent war es mir immer wichtig, die Mehrwerte eines Medikaments für den Patienten in den Vordergrund zu rücken. Ich sehe die Entwicklung des Wirkstoffs Lecanemab als einen wichtigen Meilenstein und den Beginn einer neuen Ära in der Alzheimer-Behandlung. Die Studiendaten und erste Patientendaten aus den USA sind hoffnungsvoll und zeigen, dass eine Verlangsamung von Morbus Alzheimer möglich ist. Zukünftige Forschung wird wahrscheinlich auf diesem Ansatz aufbauen und zu noch wirksameren, innovativen Therapien führen.


Die Diagnose Alzheimer trifft Betroffene und ihre Familien hart. Auch für Pflegerinnen und Pfleger stellt die individuelle und professionelle Betreuung von Patienten mit Alzheimer eine beachtliche Herausforderung dar. Menschen, die an Alzheimer erkrankt sind, benötigen mehr Zeit und je nach Ausprägung der Krankheit viel Zuspruch und Verständnis.

Die pharmazeutische Forschung beschäftigt sich seit Jahren damit, Medikamente auf den Markt zu bringen, die mehr als nur die Symptome der Alzheimer-Erkrankung lindern können. Nun gibt es mit Leqembi®, dessen Wirkstoff Lecanemab ist, ein neues Alzheimer-Medikament, das erstmals an einer der vermuteten Ursachen der Krankheit ansetzt. Leqembi® wurde am 01. September 2025 auch in Deutschland als Medikament zugelassen, während es in den USA bereits seit mehr als 2 Jahren unter dem Handelsnamen Lecanemab® verfügbar ist. Der Wirkstoff soll den Krankheitsverlauf von Alzheimer verlangsamen und somit die Lebensqualität von Menschen mit Alzheimer verbessern.  

Was ist die Alzheimer-Krankheit und wie wurde sie bisher behandelt?

Alzheimer ist eine fortschreitende, neurodegenerative Erkrankung, bei der Nervenzellen im Gehirn allmählich absterben. Dieser Prozess führt mit der Zeit zu einem zunehmenden Verlust von Gedächtnis, Denkvermögen und Orientierung.

In Deutschland leben aktuell mehr als 1,8 Millionen Menschen mit der Diagnose Demenz, von der die Mehrheit an Alzheimer leiden. Prognosen gehen heute davon aus, dass die Zahl der Betroffenen durch den demografischen Wandel in Deutschland bis zum Jahr 2050 auf mehr als 2,5 Millionen Patienten ansteigen wird. Weltweit leiden mehr als 55 Millionen Menschen an den unterschiedlichen Formen der Demenz.

Begriffserklärung

Die medizinische Bezeichnung Demenz bezeichnet einen Oberbegriff für verschiedene Erkrankungen, die jeweils mit dem Verlust geistiger Fähigkeiten wie Orientierung, Sprache und Erinnerungsvermögen eingehen. Neben Alzheimer gibt es weitere Demenzformen wie die vaskuläre Demenz, frontotemporale Demenz und Lewy-Körper-Demenz, die sich durch unterschiedliche Ursachen und Symptome auszeichnen. Morbus Alzheimer wurde nach dem deutschen Neurologen Alois Alzheimer benannt. Er beschrieb 1906 erstmals die charakteristischen neurodegenerativen Veränderungen im Gehirn einer Patientin.

Symptome von Alzheimer und bisherige Therapiemöglichkeiten

Patienten mit der Diagnose Alzheimer haben in einer ersten Phase der Erkrankung  Schwierigkeiten, sich an kürzlich Erlebtes zu erinnern oder alltägliche Aufgaben zu bewältigen. Mit fortschreitender Krankheit können jedoch auch grundlegende kognitive Fähigkeiten und die Fähigkeit zur Selbstständigkeit verloren gehen.

Ein charakteristisches Kennzeichen der Krankheit sind Ablagerungen des Proteins Amyloid-beta, die sogenannten Amyloid-Plaques. Sie sammeln sich im Gehirn an und stören die Kommunikation zwischen den Nervenzellen. Amyloid-Plaques haben einen erheblichen Einfluss bei der Schädigung und beim Absterben von Nervenzellen im Gehirn.

In den letzten zwei Jahrzehnten lag der Fokus der Alzheimer-Behandlung vor allem auf symptomatischen Therapien, die die Lebensqualität der Betroffenen verbessern sollten. Medizinische Wirkstoffe wie Acetylcholinesterase-Hemmer oder Memantin wurden und werden als Standard-Therapie bei vielen Alzheimer-Patienten eingesetzt. Diese Arzneimittel können die Funktion der Nervenzellen vorübergehend unterstützen, indem sie die Signalübertragung im Gehirn verbessern. Eine kurzfristige Steigerung der Hirnleistung ist die Folge, sodass Symptome wie Vergesslichkeit oder Verwirrtheit unterdrückt werden. Zudem helfen die pharmazeutischen Wirkstoffe, Begleiterscheinungen wie Unruhe oder Verhaltensänderungen zu lindern.

Trotz der schon sehr guten Möglichkeiten, die Alzheimer-Symptome temporär zu lindern, fehlte bisher ein Medikament, das den eigentlichen Krankheitsprozess aufhalten oder verlangsamen konnte.


Quellen

van Dyck, C. H., Swanson, C. J., Aisen, P., Bateman, R. J., Chen, C., Gee, M., Kanekiyo, M., Iwatsubo, T., et al. (2023).

Lecanemab in early Alzheimer’s disease. New England Journal of Medicine, 388(1), 9–21. https://doi.org/10.1056/NEJMoa2212948

A Study to Confirm Safety and Efficacy of Lecanemab in Participants With Early Alzheimer’s Disease (Clarity AD). ClinicalTrials.gov Identifier: NCT03887455. Verfügbar unter: https://clinicaltrials.gov/study/NCT03887455

Two-Year Real-World Study Leqembi in the United States Presented. Biogen News Release. Verfügbar unter: https://investors.biogen.com/news-releases/news-release-details/two-year-real-world-study-leqembir-united-states-presented

§ 35a Sozialgesetzbuch V (SGB V) – Einschränkung der Verordnungspflicht für Arzneimittel. Gesetze im Internet. Verfügbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__35a.html

Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. Alzheimer-Patienten im frühen Stadium. Alzheimer Info 4/11. Verfügbar unter: https://www.deutsche-alzheimer.de/archiv-alzheimer-info/demenz-im-fruehen-stadium/alzheimer-patienten-im-fruehen-stadium

Alzheimer Forschung Initiative e. V. Leqembi (Lecanemab): Neues Alzheimer-Medikament. Forschung Aktuell. Verfügbar unter: https://www.alzheimer-forschung.de/forschung/aktuell/ban2401/