Frauengesundheit im Alter – Beckenboden, Intimität, Infekte & Versorgungspfade

Dame, Mitte 70, mit Brille, hält beide Hände schützend vor ihren Körper und schaut nachdenklich aus dem Fenster.
KI generiert mit ©Midjourney
Inhaltsverzeichnis

Frauengesundheit im Alter ist ein vielschichtiges Thema, das körperliche, psychische und soziale Aspekte umfasst und weit über Harninkontinenz oder gynäkologische Vorsorge hinausgeht. Besonders in Pflegeeinrichtungen und im häuslichen Umfeld kommen immer wieder Fragen rund um Beckenboden, Inkontinenz, vaginale Atrophie, Harnwegsinfekte und Intimität auf.

Trotz der Häufigkeit, in der solche Beschwerden vorkommen, werden diese selten aktiv angesprochen. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von Scham über Zeitmangel bis hin zu fehlender Zuständigkeit. Dabei können die gezielte Beobachtung von Beschwerden, strukturierte Versorgungspfade sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Hausarztpraxen, Gynäkologie, Pflege und Physiotherapie wesentlich zur Lebensqualität älterer Frauen beitragen. Für Pflegekräfte, Hausärzte und Therapeuten stellen sich folgende Fragen: Wer erkennt? Wer behandelt? Und wer begleitet?

Klare Rollen in der Versorgung sind entscheidend

Ein erster Überblick hilft bei der grundsätzlichen Einordnung:

  • Hausärzte koordinieren die medizinische Gesamtversorgung und behalten Grunderkrankungen im Blick.
  • Gynäkologen übernehmen die Diagnostik und Therapie gynäkologischer Befunde.
  • Pflegefachkräfte erkennen Veränderungen frühzeitig durch Beobachtung, dokumentieren alles strukturiert und halten den Informationsfluss zwischen den verschiedenen Bereichen (Ärzte, Physiotherpeuten, Pflegedienstleitung (PDL) und Qualitätsmanagement (QM) sowie Angehörigen) aufrecht.
  • Physiotherapeuten unterstützen bei Training, Reha und Prävention.
  • PDL und QM sichern die Prozessqualität und Schulung aller Beteiligten.

Einige Themen kommen bei Seniorinnen wiederholt vor, was sie zu zentralen Themen der Frauengesundheit im Alter macht. Dazu zählen:

  • Beckenboden & Senkungen (Prolaps)
  • Pessar-Management
  • Inkontinenz & Kontinenzförderung
  • Stuhlmanagement & IAD-Prävention
  • Beckenboden-Reha
  • Katheter
  • Vaginale Atrophie
  • Harnwegsinfekte & asymptomatische Bakteriurie

Beckenboden & Senkungen bei Seniorinnen

Der Beckenboden besteht aus mehreren Muskelschichten, Bändern und Faszien, die die Blase, die Gebärmutter und den Enddarm tragen. Im Alter wird dieses Netzwerk durch hormonelle Umstellungen, Geburten, Bewegungsmangel oder Bindegewebsschwäche zunehmend instabiler. Eine Senkung des Beckenbodens wird als Prolaps bezeichnet. Eine Organsenkung (Prolaps uteri) oder eine Blasen- bzw. Darmsenkung (Zystozele, Rektozele) treten deshalb bei älteren Frauen häufig auf. Viele Betroffene äußern ihre Beschwerden nicht, da sie sie als Begleiterscheinung des „normalen Alterns“ ansehen oder Scham empfinden.

Prolaps erkennen – Symptome & Red Flags

Damit das Pflegepersonal oder pflegende Angehörige wissen, wann sie handeln müssen, ist es wichtig die Symptome eines Prolaps zu kennen und zu wissen, wann eine ärztliche Abklärung erfolgen sollte.

Zu den typischen Symptomen eines Prolaps gehören:

  • Fremdkörpergefühl in der Scheide
  • Das Gefühl, dass im Unterleib etwas nach unten drückt oder zieht
  • Im Liegen sind die Beschwerden weniger ausgeprägt, im Stehen wird es schlechter
  • Schwierigkeiten beim Wasserlassen oder Stuhlgang
  • Unkontrollierter Stuhl- oder Harnabgang
  • Wiederkehrende Harnwegsinfekte

Diese Red Flags für die ärztliche Abklärung gibt es:

  • Sichtbarer Vorfall von Gewebe außerhalb der Vulva
  • Es kommt zu Schmerzen, Blutungen oder zur Bildung von Geschwüren (Ulzerationen)
  • Harnverhalt, Fieber oder andere Anzeichen für eine Infektion

Die Pflege spielt eine wichtige Rolle in der Früherkennung: Beschwerden, Positionsänderungen beim Wasserlassen oder ein plötzlich verändertes Toilettenverhalten der Pflegeperson sollten dokumentiert und an den Haus- oder Facharzt weitergeleitet werden.

Mini-Checkliste: Prolaps-Anzeichen erkennen

– Fremdkörpergefühl oder Druck im Unterleib

– Sichtbare Gewebeveränderung

– Beschwerden beim Urinieren oder Stuhlgang

– Wiederkehrende Infekte

– Verändertes Toilettenverhalten

Den Schweregrad des Prolaps können Pflegekräfte auch ohne Spekulum einschätzen und somit dokumentieren, sodass für die ärztliche Abklärung direkt ein Anhaltspunkt da ist:

LeichtDruckgefühl aber keine sichtbare Vorwölbung.
MittelVorwölbung beim Pressen oder im Stehen sichtbar.
SchwerAußerhalb der Vulva ist dauerhaft Gewebe sichtbar.
KomplettDas Organ ist vollständig sichtbar.

Rollenverteilung:

  • Die Pflege ist für Beobachtung, Dokumentation und Information der ärztlichen Kooperationspartner zuständig.
  • Ärzt:innen übernehmen Diagnostik und Therapie.
  • Physiotherapeuten unterstützen bei Beckenbodentraining und Bewegungsanleitung.
  • Das QM/PDL-Team sorgt für Schulung und Prozesssicherheit bei der Beobachtung und Dokumentation.

Pessar-Management in der Pflege

Ein Pessar ist ein bewährtes Hilfsmittel, um eine Senkung der Beckenorgane konservativ zu behandeln. Es stützt die Organe, entlastet den Beckenboden und ermöglicht vielen älteren Frauen, eine Operation zu vermeiden. Es gibt Pessare, die selber eingesetzt werden und welche, die durch Gynäkolog:innen eingesetzt werden, was für Seniorinnen oft die bessere Wahl ist.

Pflegehinweise bei Pessaren

Kontrolle und WechselJe nach Pessartyp sollte der Wechsel alle sechs bis acht Wochen durch den Gynäkologen erfolgen. Es gibt auch Pessare, die länger liegen können. Bei Pessaren, die selber eingesetzt werden, ist ein häufigerer Wechsel nötig. In Pflegeeinrichtungen sollte dokumentiert werden, wann die letzte Kontrolle stattfand und wer zuständig ist.
HygieneUm die Nutzung des Pessars hygienisch zu gestalten und Infektionen zu vermeiden, sollte das Pessar bei jedem Wechsel gereinigt und desinfiziert werden. Darüber hinaus kann die Intimgesundheit mit einer täglichen Intimpflege sowie der Verwendung milder Reinigungsmittel unterstützt werden. Falls das Einsetzen Schwierigkeiten bereitet, können eine feuchtigkeitsspendende Vaginalcreme oder ein Gleitgel verwendet werden.
Beschwerden beobachtenFalls es zu Brennen, Ausfluss, Blutungen oder einem unangenehmen Geruch kommt, sind das Warnzeichen, die eine ärztliche Kontrolle erfordern. Auch ein Druckgefühl oder Schmerzen beim Sitzen können Warnsignale sein.

Rollenverteilung:

  • Der Gynäkologe legt das Pessar ein und bestimmt das Kontrollintervall.
  • Die Pflege führt Sichtkontrollen durch, dokumentiert Auffälligkeiten und informiert bei Beschwerden oder Veränderungen.
  • Das QM/PDL stellt sicher, dass Kontrollintervalle eingehalten und Verantwortlichkeiten dokumentiert sind

Mini-Checkliste: Pessar-Pflege im Heim

– Datum des letzten Arztkontakts dokumentieren

– Sichtkontrolle bei der Intimpflege

– Rücksprache bei Schmerzen, Blutungen oder Ausfluss

– Pessar nur vom Arzt einsetzen oder entnehmen lassen oder nach Anweisung

– Mit milder Lösung reinigen und desinfizieren

– Schleimhaut auf Veränderungen kontrollieren

– Dokumentation im Pflegeplan zur Verantwortlichkeit

Kontinenzförderung statt nur Vorlagen

Viele Frauen leiden im Alter unter Blasenschwäche. Doch Inkontinenz muss nicht automatisch bedeuten, dauerhaft auf Hilfsmittel wie Einlagen oder Pants angewiesen zu sein. Ein systematisches Kontinenzförderungsprogramm kann Leckagen reduzieren und die Selbstständigkeit stärken.

Toilettenprogramm & Trinkrhythmus

Regelmäßige Toilettengänge, zum Beispiel alle zwei bis drei Stunden tagsüber, helfen, die Blase zu trainieren und unkontrollierte Entleerungen zu vermeiden. Dabei ist folgendes wichtig:

  • Individuelle Blasenprotokolle
  • Feste Trinkzeiten (z. B. morgens und vormittags mehr trinken, abends weniger)
  • Toilettenhilfen (Hocker oder Sitzhöhenanpassung)
  • Auch für die Nacht braucht es eine Strategie mit guter Beleuchtung, rutschfesten Wegen und dem immer griffbereiten Rufsystem

Mini-Checkliste: Toilettenprogramm

Trinkmenge dokumentieren

– Toilettengänge in festen Zeitabständen planen

– Einträge zu Leckagen oder Drangepisoden

– Anpassung der Einlagen bei Bedarf

Rollenverteilung:

  • Pflegekräfte setzen das Toilettentraining und Trinkprogramm um, dokumentieren die Ergebnisse und besprechen Auffälligkeiten mit den ärztlichen Partnern.
  • Physiotherapeuten unterstützen durch Beckenbodentraining.
  • Hausärzte prüfen mögliche Ursachen und Medikamente, die Inkontinenz begünstigen könnten.

Stuhlmanagement & IAD-Prävention

Der Druck auf den Beckenboden kann durch Verstopfung noch verstärkt werden und fördert Inkontinenz. Um die Darmentleerung zu unterstützen, bieten sich ballaststoffreiche Kost, ausreichend Flüssigkeit, Bewegung sowie eventuell ein Toilettenhocker an, der die physiologisch vorteilhafte Position auf der Toilette unterstützt. Um Inkontinenz-assoziierter Dermatitis (IAD) vorzubeugen, bieten sich atmungsaktive Inkontinenzprodukte sowie Hautschutzcremes an.

Rollenverteilung:

  • Die Pflege beobachtet Stuhlgewohnheiten und unterstützt mit Ernährung und Bewegung.
  • Ärzte prüfen bei chronischer Verstopfung oder Medikamentenwechselwirkungen die Therapie.
  • Das QM/PDL achtet auf die Umsetzung von Hautschutz– und IAD-Standards.

Beckenboden-Reha im Heim: einfache Übungen auf Bett und Stuhl

Um die Beckenbodengesundheit zu verbessern, empfiehlt sich aktives Training. Auch im Alter ist das gut möglich, schließlich geht es dabei nicht um sportliche Leistung, sondern die bewusste Wahrnehmung des Beckenbodens, das Anspannen sowie das gezielte Loslassen.

Einfache Übungen: 3× täglich 3 Minuten – Sitz/Bett

Einfache Übungen lassen sich sowohl im Liegen als auch im Sitzen durchführen:

Im SitzenAufrecht hinsetzen, Füße flach aufstellen, den Beckenboden leicht anspannen (als wolle man Urin zurückhalten), kurz halten und dann lösen. 20 Wiederholungen sind gut.
Im LiegenBeine anwinkeln, Gesäß leicht anheben, sodass der Rücken in eine Art Brücke kommt, Spannung für einige Atemzüge halten und wieder absenken. Drei bis fünf Mal wiederholen.
AtmungRuhig weiteratmen, den Atem nicht „pressen“ und die Luft auch nicht anhalten. Am besten beim Anspannen Ausatmen und beim lockerlassen einatmen.

Kontraindikationen und Sicherheit

Es gibt einige Kontraindikationen, bei denen diese Übungen nicht durchgeführt werden sollten. Dazu zählen:

  • Frische Operationen im Beckenbereich
  • Unbehandelte Infekte
  • Schmerzen
  • Blutungen

Um sicherzugehen, dass die Seniorinnen alles richtig machen, können Pflegekräfte und Therapeuten die Übungen anleiten. Kurze Bewegungseinheiten lassen sich in der Regel gut in die Schichtlogik integrieren.

Rollenverteilung:

  • Physiotherapeuten planen und zeigen die Übungen.
  • Pflegekräfte unterstützen bei der Durchführung und Dokumentation im Alltag (zum Beispiel im Pflegeplan).
  • Das QM stellt sicher, dass Schulungsunterlagen und Übungsprotokolle vorliegen.

Katheter? Möglichst vermeiden – wenn nötig: sicher managen

Liegen Blasenentleerungsstörungen vor, kann ein Katheter nötig sein. Auch neurologische Erkrankungen oder die Phase nach einer Operation können das Legen eines Katheters nötig machen. Allerdings erhöht ein Katheter auch immer das Risiko für katheterassoziierte Harnwegsinfekte (CAUTI). Grundsätzlich gilt für Katheter: Indikation prüfen, Tragedauer minimieren und Alternativen nutzen.

Indikation, Wechsel, CAUTI-Prävention

Eine Indikation, die aber kritisch geprüft werden sollte, liegt möglicherweise vor bei:

HarnverhaltDer Katheter sollte dann aber nur gelegt werden, wenn keine Entleerung möglich ist.
InkontinenzHier empfiehlt es sich, Alternativen zu bevorzugen (Toilettenhilfen, Toilettenstuhl, Kontinenztraining).
WundversorgungIn diesem Fall sollte der Katheter nur bei zwingender medizinischer Notwendigkeit gelegt werden.

    Indikationsprüfung – wer entscheidet?

    Wenn es um die Indikationsprüfung für einen Katheter geht, sind die Rollen klar verteilt:

    • Ärztliche Kooperationspartner wie Hausärzte, Urologen oder Gynäkologen prüfen die Situation und entscheiden über die medizinische Notwendigkeit.
    • Pflegefachkräfte beobachten, dokumentieren und melden Auffälligkeiten (z. B. Restharn, Schmerzen, trüber Urin, Fieber, verstopfter Katheter).
    • Qualitätsmanagement (QM)/Pflegedienstleitung (PDL) stellt sicher, dass Katheter-Indikationen regelmäßig überprüft und dokumentiert werden, zum Beispiel im Rahmen von Wund- oder Inkontinenzkonferenzen.

    Als Grundsatz gilt:

    Kein Katheter legen, weil es „bequemer“ ist, sondern die Entscheidung dafür sollte nur auf Grundlage einer ärztlichen Entscheidung und nach einer schriftlicher Dokumentation der Indikation getroffen werden.

    Alternativen (Pessar ≠ Katheter, Toilettenhilfen)

    Alternativen zum Katheter können Kontinenztraining, Toilettenhilfen, eine Urinflasche oder Einlagen sein. Falls eine Beckenbodensenkung vorliegt, kann ein Pessar zum Einsatz kommen, welches perspektivisch auch den Bedarf nach einem Katheter reduziert.

    Pflegestandards:

    • Geschlossene Systeme und eine keimfreie Wechseltechnik
    • Tägliche Inspektion
    • Dokumentation von Einlage, Wechsel, Farbe und Geruch des Urins
    • Hautschutz im Intimbereich (für die IAD-Prävention)

    Vaginale Atrophie (GSM): Beschwerden lindern sowie Haut und Schleimhaut schützen

    Aufgrund von Östrogenmangel kann sich im Alter das Scheidengewebe zurückbilden. Vaginale Atrophie, auch als Genitourinary Syndrome of Menopause (GSM) bezeichnet, geht oft mit verschiedenen Beschwerden einher:

    • Eine dünnere, trockenere und empfindlichere Schleimhaut
    • Das führt zu Brennen, Jucken, Schmerzen beim Wasserlassen oder wiederkehrenden Infekten

    Therapieoptionen für vaginale Atrophie gibt es mehrere:

    • Lokal-Östrogene: Diese werden zum Beispiel als Creme, Vaginaltablette oder Ring vom Arzt verordnet.
    • Feuchtigkeitsspendende Gele und Gleitmittel: Diese sind rezeptfrei und bei täglicher Pflege bedenkenlos anwendbar.
    • Intimpflege: Auf eine pH-neutrale, milde Reinigung setzen und atmungsaktive Wäsche tragen.
    • Vermeidung von Reizstoffen: Auf parfümierte Seifen oder Sprays verzichten.

    Falls eine vaginale Atrophie vorliegt und die Person ein Pessar trägt, sollte die Schleimhaut regelmäßig kontrolliert und mit feuchtigkeitsspendenden oder östrogenhaltigen Cremes gepflegt werden. So können Druckstellen und die Bildung von Geschwüren (Ulzerationen) durch das Pessar vermieden werden.

    Pflegekräfte können Veränderungen früh erkennen und sollten sie ansprechen, denn auf diese Weise wird ein wichtiger Beitrag zur Lebensqualität der Frauen geleistet.

    Rollenverteilung:

    • Pflegekräfte beobachten Haut- und Schleimhautveränderungen und informieren bei Beschwerden den behandelnden Arzt.
    • Gynäkologen übernehmen die Diagnostik und Verordnung und passen die Therapie bei Bedarf an.
    • Hausärzte koordinieren bei Begleiterkrankungen oder bei Pflegeheimbewohnerinnen ohne Facharztkontakt.

    Harnwegsinfekt vs. asymptomatische Bakteriurie:  Entscheidungsbaum für die Pflege

    Viele Seniorinnen haben Bakterien im Urin, was aber nicht immer einen Infekt bedeutet. Die asymptomatische Bakteriurie (ABU) kommt häufig vor und bedarf keiner Antibiotikatherapie, wenn keine Beschwerden wie Schmerzen oder Brennen beim Wasserlassen bestehen. Ein Harnwegsinfekt hingegen muss fast immer mit einem Antibiotikum behandelt werden.

    KriteriumHarnwegsinfekt (UTI)Asymptomatische Bakteriurie (ABU)
    SymptomeBrennen, Schmerzen, FieberKeine Beschwerden, keine Schmerzen
    UrinteststreifenWeiße Blutkörperchen und Nitrit häufig positivEbenfalls oft positiv
    BehandlungAntibiotikum, der Arzt entscheidetKeine Behandlung nötig
    Risiko bei einer FehldiagnoseEntwicklung von Resistenzen gegen Antibiotika, NebenwirkungenUnnötige Gabe von Antibiotika, wodurch ebenfalls Resistenzen und Nebenwirkungen entstehen können
    Diese Tabelle gibt einen Überblick zur Unterscheidung von Harnwegsinfekt und Asymptomatischer Bakteriurie

    „Ich erinnere mich an Frau M., 79, die sich beim Waschen immer weggedreht hat. Kein Wort, aber sie hielt den Atem an, wenn ich sie im Unterbauchbereich berührte. Ich habe dann die Routine unterbrochen, mich zu ihr gesetzt und nur gefragt: ‚Ist da etwas unangenehm?‘

    Erst da erzählte sie, dass sie seit Wochen ein Brennen verspürte, sich aber schämte, es zu sagen. Die Diagnose war eine starke vaginale Atrophie. Schweigen ist oft das lauteste Symptom. Wenn man Raum lässt, entsteht Vertrauen – und Heilung beginnt oft mit Zuhören.“

    (Renate D., Pflegerin in Pforzheim)

    Pflegehinweis

    Ein positiver Teststreifen ohne Symptome bedeutet nicht automatisch einen Harnwegsinfekt. Entscheidend ist die klinische Beobachtung: Hat die Person Fieber? Wie viel trinkt sie? Wie ist das Verhalten beim Wasserlassen?

    Rollenverteilung:

    • Hausarztpraxis entscheidet über Diagnostik und Therapie.
    • Pflege übermittelt relevante Beobachtungsdaten.

    Dokumentation & Kommunikation: Was will die Praxis/der Notdienst wissen?

    Eine gute Dokumentation und strukturierte Kommunikation sind entscheidend, um medizinische Entscheidungen zu unterstützen. Auch können dadurch doppelte Arbeit vermieden und Fehldiagnosen verhindert werden. In der Pflegepraxis gehören Dokumentation und Kommunikation zu den wichtigsten Werkzeugen für die Qualitätssicherung und die Patientensicherheit, insbesondere bei sensiblen Themen wie Inkontinenz, Katheterpflege, vaginaler Atrophie oder unklaren Veränderungen im Genitalbereich.

    Das Ziel ist, relevante Informationen so zu erfassen und weiterzugeben, dass sie für Ärzte, den ärztlichen Bereitschaftsdienst oder den Notdienst sofort verständlich sind und direkt genutzt werden können. Mit einem vollständigen und klar strukturierten Bericht lässt sich Zeit sparen und unnötige Rückfragen können vermieden werden. Auch lässt sich so sicherstellen, dass die medizinische Einschätzung auf der Basis einer verlässlichen Datengrundlage erfolgt. Dadurch werden sowohl Pflegekräfte als auch die ärztlichen Kooperationspartner entlastet.

    Was sollte dokumentiert werden?

    Für eine sinnvolle Weitergabe ist es hilfreich, dass in der Pflegedokumentation folgende Punkte nachvollziehbar festgehalten sind:

    • Aktueller Status: Wann wurde das Problem erstmals beobachtet? Seit wann besteht es?
    • Symptombeschreibung: Was genau wurde festgestellt (zum Beispiel Rötungen, Schwellungen, Schmerzen, veränderter Urin oder unwillkürlicher Harnabgang)?
    • Verlauf: Hat sich der Zustand seit der letzten Beobachtung verschlechtert, verbessert oder ist gleichgeblieben?
    • Begleitsymptome: Treten Fieber, Schmerzen, Verwirrtheit, Hautirritationen, eine veränderte Flüssigkeitsaufnahme oder Einschränkungen in der Mobilität auf?
    • Maßnahmen: Was wurde bereits unternommen (zum Beispiel Hautpflege durchgeführt, Toilettengang begleitet, Katheter gespült oder Flüssigkeitsgabe angepasst)?
    • Reaktion: Wie hat die Bewohnerin bzw. die Patientin reagiert? Hat sich der Zustand nach einer Maßnahme verändert?
    • Beteiligte Personen: Wer hat die Auffälligkeit festgestellt? Wer wurde informiert (zum Beispiel Arztpraxis, PDL oder Angehörige)?

    Diese strukturierte Erfassung erleichtert sowohl die interne Kommunikation im Team als auch die externe Abstimmung mit ärztlichen Partnern.

    Kostenloser Download für Sie

    Sie möchten Ihre Notruf- oder Arztkommunikation noch sicherer und effizienter gestalten?

    Laden Sie jetzt kostenlos unsere „Checkliste für die Notdienst-Kommunikation in der Pflege“ herunter.

    Der Leitfaden unterstützt Sie dabei, Beobachtungen strukturiert zu dokumentieren, Rückmeldungen klar festzuhalten und Übergaben im Team stressfrei zu gestalten.

    Kommunikation mit Praxis und Notdienst

    Eine gut strukturierte Kommunikation zwischen Pflege, ärztlichen Praxen und Notdiensten ist der Schlüssel zu einer sicheren Versorgung. Bei sensiblen gesundheitlichen Themen zählt jede Information und fehlende oder falsche Angaben führen zu Verzögerungen oder im schlimmsten Fall sogar zu Fehlentscheidungen.

    Das Ziel einer strukturierten Dokumentation und Kommunikation ist, dass Pflegekräfte relevante Beobachtungen und Maßnahmen so dokumentieren und weitergeben, dass Ärzte sie schnell einordnen können. Gerade bei einer telefonischen Kontaktaufnahme kommt es auf prägnante Informationen an. Pflegekräfte sollten bereits beim Anruf folgende Angaben parat haben:

    • Name und Geburtsdatum der Person, Einrichtung, Zimmernummer
    • Kurzbeschreibung der Auffälligkeit
    • Bisher ergriffene Maßnahmen
    • Relevante Vorerkrankungen und Medikation
    • aktueller Allgemeinzustand (ist die Person mobil, orientierungslos, appetitlos, hat sie Schmerzen)
    • Wunsch oder Einschätzung der Pflegekraft, wie weiter verfahren wird

    Durch eine solche Vorstrukturierung verlaufen Telefonate deutlich effizienter und es kommt zu weniger Rückfragen und Fehleinschätzungen.

    SBAR-Vorlage & Arzt-Steckbrief

    Einige Einrichtungen nutzen standardisierte Kommunikationsleitfäden oder Kurzprotokolle, zum Beispiel nach dem SBAR-Modell. SBAR steht für:

    SituationSituation Was ist los, worum geht es?
    BackgroundHintergrund Welche relevanten Informationen sind bekannt?
    AssessmentEinschätzung

    Was ist die Vermutung der Pflegekraft?
    RecommendationEmpfehlung Was ist die konkrete Erwartung, was getan werden sollte?

      In der Praxis sieht das zum Beispiel wie folgt aus:

      Situation„Frau Meier, 84 Jahre, klagt über Schmerzen beim Wasserlassen“
      Background„Seit 2 Tagen, leichtes Fieber, Pessar vorhanden, letzte Kontrolle vor 6 Wochen“
      Assessment„Urin trüb, kein Geruch, trinkt wenig, keine Schmerzen im Unterbauch“
      Recommendation„Bitte Rücksprache zur Urindiagnostik und Medikation“

      Ein SBAR-Formular kann schriftlich in der Pflegedokumentation hinterlegt oder digital erfasst werden. Auch als Telefonleitfaden ist es hilfreich, um sicherzustellen, dass bei Telefonaten mit Arztpraxen oder Bereitschaftsdiensten nichts vergessen wird. Besonders in stressigen Situationen oder bei Schichtwechseln hilft eine klare Struktur, Missverständnisse zu vermeiden.

      Einwilligung/Vertretung

      Viele Seniorinnen leben mit einer gesetzlichen Betreuung oder einer Vorsorgevollmacht. Mit klaren Strukturen können Entscheidungen rechtssicher und zum Wohle der Seniorin getroffen werden. Eine vertrauensvolle Kommunikation mit den Angehörigen ist dafür unerlässlich.

      Angehörige sollten über geplante Maßnahmen im Vorfeld informiert werden und dann auch die Gelegenheit bekommen, Rückfragen zu stellen. Dabei geht es nicht nur um rechtliche Sicherheit, sondern auch darum, dass die Akzeptanz und das Vertrauen in die Pflegeeinrichtung gefördert werden.

      Grundprinzipien:

      • Einwilligungsfähigkeit prüfen (bei Demenz ist diese oft tagesformabhängig)
      • Bei nicht einwilligungsfähigen Bewohnerinnen sollten die Betreuung oder bevollmächtigte Person einbezogen werden
      • Behandlung und Diagnostik erfordern immer Zustimmung

      Leitfaden für die Pflege:

      1. Entscheidungssituation erkennen
      2. Dokumentation der Einschätzung
      3. Einbindung Angehöriger/Betreuer
      4. Ärztliche Rücksprache bei Unsicherheiten

      Zielrollen im Überblick

      • Pflegekräfte: Sie erkennen Entscheidungssituationen im Alltag, prüfen die Einwilligungsfähigkeit und dokumentieren ihre Einschätzungen. Wichtig ist, auch zu dokumentieren, wer die Entscheidung getroffen hat und wann Rücksprache erfolgte.
      • PDL und Verwaltung: Sie stellen sicher, dass aktuelle Vollmachten und Betreuungsunterlagen hinterlegt sind und im Notfall abrufbar bleiben.
      • Betreuung und Angehörige: Sie werden frühzeitig informiert und aktiv in Entscheidungsprozesse eingebunden.
      • Ärztliche Kooperationspartner: Sie unterstützen bei medizinischen Fragen, geben Einschätzungen zur Notwendigkeit von Maßnahmen und helfen bei der rechtlichen Einordnung.

      Kommunikation ohne Scham: Sprache, Bilder, Barrierefreiheit

      Intime Themen werden in der Pflege oft tabuisiert. Dabei kann eine offene und respektvolle Kommunikation viel bewirken.

      • Neutrale, wertfreie Sprache: Von „Beschwerden im Intimbereich“ sprechen, statt von „untenrum“.
      • Eine Aufklärung mit Bildern oder Modellen ist möglich, wenn Sachverhalte verbal nur schwierig auszudrücken sind.
      • Eine ruhige Umgebung sowie eine gleichgeschlechtliche Pflegekraft, wenn gewünscht, sind ebenfalls hilfreich.
      • Barrierefreie Informationen in einfacher Sprache für Angehörige verbessern die Transparenz.

      Ein professioneller Umgang signalisiert Respekt und Normalität und fördert das Vertrauen in die Pflege und Versorgung.

      Versorgungspfade & Zuständigkeiten: Wer macht was?

      Frauengesundheit im Alter braucht feste Strukturen. In vielen Pflegeeinrichtungen fehlt ein systematisches Vorgehen, wer wann und in welchem Intervall gynäkologische oder urologische Themen überprüft. Folgende Rollen mit entsprechenden Zuständigkeiten sind vorgesehen:

      • Hausarzt: Die erste Ansprechstelle bei Infekten, Beschwerden, Medikamenten und wenn es um die Koordination mit Fachärzten geht.
      • Gynäkologe: Übernimmt die Kontrolle bei Pessar, Blutungen, Atrophie und Senkungen.
      • Physiotherapie/Kontinenzberatung: Gibt Anleitung zu Beckenbodenübungen, Toilettenprogrammen und der Mobilitätsförderung.
      • Pflegefachkraft: Ist nah an den Seniorinnen dran, sollte daher gründlich beobachten, dokumentieren, strukturiert kommunizieren und Maßnahmen umsetzen.
      • PDL/QM: Sicherstellung der Standards, Kooperation mit Praxen, Schulung des Teams.

      Ein strukturierter Versorgungspfad erleichtert die Zusammenarbeit und verhindert Versorgungslücken. Das ist besonders bei Bewohnerinnen mit eingeschränkter Mobilität oder Demenz wichtig.

      Empfohlener Standard:

      • Pflegebasis-Assessment: Jährlich oder bei Neueinzug: Fragen zu Blasen-/Darmfunktion, Intimbeschwerden, Schmerzen, Ausfluss und Hautveränderungen.
      • Ärztliche Kontrolle: Hausärztliche Routineuntersuchung (sollte mindestens einmal jährlich stattfinden) und Gynäkologenkontakt bei auffälligen Befunden, Beschwerden oder Pessarversorgung.
      • Physiotherapie/Beckenbodentherapie: Bei diagnostizierter Inkontinenz, Organsenkung oder Immobilität.
      • Kooperation: Klare Kommunikationswege zwischen Pflege, Hausarztpraxis, Gynäkologie und Angehörigen sind entscheidend.

      Im Akutfall

      – Wenn eine Auffälligkeit erkannt wird, sollte die Pflege die Arztpraxis informieren.

      – Dafür sollten relevante Infos vorliegen: Symptome, Beginn, Temperatur, Medikation, Trinkmenge, Mobilität.

      – Am besten nach dem SBAR-Prinzip kommunizieren, da es Missverständnisse und Rückfragen reduziert und klar strukturiert ist.

      Fazit: Frauengesundheit im Alter ist ein komplexes Thema

      Frauengesundheit im Alter erfordert Fachwissen und klare Strukturen. Beschwerden im Bereich von Beckenboden, Intimbereich oder Harnwegen sind häufig, werden aber zum Teil aus Scham oder Unsicherheit nicht angesprochen und auch nicht immer sofort erkannt. Umso wichtiger ist ein abgestimmtes Vorgehen zwischen Pflege, Hausarztpraxis, Gynäkologie, Physiotherapie und Qualitätsmanagement, um die Versorgung der Seniorinnen sicherzustellen.

      Mit klaren Rollen für alle Instanzen, einer aufmerksamen Beobachtung, einer strukturierten Dokumentation sowie einer respektvollen Kommunikation lässt sich eine Grundlage für eine sichere und würdevolle Versorgung schaffen. Wenn Beobachtungen ernst genommen und die Zuständigkeiten geklärt sind, lassen sich Versorgungspfade konsequent umsetzen. Das hilft dabei, Beschwerden früh zu erkennen und Komplikationen zu vermeiden. Die Lebensqualität älterer Frauen lässt sich auf diese Weise nachhaltig verbessern.  

      FAQ: Frauengesundheit im Alter

      Rund um das Thema Frauengesundheit im Alter gibt es zahlreiche relevante Fragen:

      Wird Frauenheilkunde im Pflegeheim regelmäßig überprüft?

      Nicht automatisch. Eine gynäkologische Kontrolle erfolgt nur bei Beschwerden oder auf ärztliche Anordnung. Pflegekräfte können auf Veränderungen hinweisen und eine Untersuchung anregen.

      Wer macht den Gyn-Check bei Seniorinnen: Hausarzt oder Gynäkologe?

      In der Regel Gynäkologen. Wenn kein Facharzt erreichbar ist, kann der Hausarzt eine Basisuntersuchung veranlassen.

      Wie erkennt die Pflege einen Prolaps?

      Durch die Kommunikation mit der Seniorin zu einem Druckgefühl sowie der Beobachtung von sichtbarem Gewebe in der Scheide, Inkontinenz oder vermehrtem Harndrang. Jede Veränderung sollte dokumentiert und ärztlich abgeklärt werden.

      Wie oft muss ein Pessar kontrolliert oder gewechselt werden?

      Je nach Material und individuellem Befund sind Tragezeiten von sechs bis acht Wochen üblich. Es gibt aber auch Pessare, die länger liegen können. Kontrolle und Wechsel sollten durch den Gynäkologen erfolgen.

      Was tun bei Scheidentrockenheit im Alter ohne Rezept?

      Feuchtigkeitsspendende Vaginalgels oder Cremes aus der Apotheke können helfen. Produkte mit Hyaluronsäure oder Milchsäure sind meist gut verträglich.

      Ist brennender Urin immer eine Blasenentzündung?

      Nein. Auch Reizungen, Trockenheit oder bestimmte Medikamente können ein Brennen verursachen. Eine Urinuntersuchung klärt die Ursache.

      Wann kein Antibiotikum bei Seniorinnen?

      Wenn keine Beschwerden bestehen, auch wenn Bakterien im Urin nachgewiesen werden (asymptomatische Bakteriurie), ist keine Behandlung nötig.

      Welche Beckenbodenübungen sind im Sitzen möglich?

      Anspannen und Halten der Beckenbodenmuskulatur, bewusstes Aufrichten, kontrolliertes Atmen und kurze Anspannungsintervalle können mehrmals täglich wiederholt werden.

      Wie spricht man Sexualität im Pflegeheim sensibel an?

      Offen, respektvoll, in neutraler Sprache und ohne Bewertung, am besten in einem empathischen Einzelgespräch. Wichtig dabei: Schweigepflicht wahren!

      Wie dokumentiert man Einwilligung bei Demenz?

      Tagesform prüfen, Gesprächsinhalt kurz festhalten und gegebenenfalls die Betreuung oder bevollmächtigte Person einbeziehen. Entscheidungen sollten immer schriftlich dokumentiert werden.

      Quellen