Tarifverträge in der Pflege

Ein Buchhalter überprüft die Zahlungseingänge auf einem Blatt Papier. Neben den Rechnungen liegt ein Taschenrechner.
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Inhaltsverzeichnis

Momentan gibt es einen Pflegemindestlohn in der Pflegebranche, allerdings keinen einheitlichen, allgemeingültigen Tarifvertrag. Das liegt unter anderem daran, dass sehr viele Akteure in der Branche tätig sind. Hierzu gehören neben stationären Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediensten unter anderem kirchliche Einrichtungen und große Pflegekonzerne. Diese alle an einen Tisch zu bekommen und eine einheitliche Lösung zu finden, die alle zufriedenstellt, scheint eine schier undurchführbare Aufgabe zu sein. Genau dieser widmet sich der aktuelle Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil. Dieser Artikel beschäftigt sich mit den Chancen und Schwierigkeiten eines Tarifvertrags in der Pflegebranche. Sie lernen wichtige Hintergründe zu Tarifverträgen kennen und erfahren, welche besonderen Regelungen in der Pflegebranche von Bedeutung sind.

Was genau ist ein Tarifvertrag?

Ein Tarifvertrag ist eine allgemeinverbindliche Vereinbarung zwischen zwei oder mehr Tarifpartnern. In der Regel handelt es sich hierbei um Vertreter der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften. In der Pflegebranche spielen zudem die Kirchen eine wichtige Rolle, da diese in diesem Bereich zu den größten und wichtigsten Arbeitgebern zählen. Die jeweiligen Interessenvertretungen setzen sich mit den anderen Tarifpartnern zusammen und versuchen, die Wünsche ihrer jeweiligen Mitglieder bestmöglich durchzusetzen. Der Tarifvertrag, der hierbei zustande kommt, ist ein Kollektivvertrag. Er gibt die rechtlichen Bedingungen vor, unter denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenarbeiten. Individuelle Arbeitsverträge müssen sich am Tarifvertrag orientieren und dürfen dessen Vorgaben nicht zuwiderlaufen.

Ein Arbeitgeberverband vertritt bei Verhandlungen um einen Tarifvertrag die Seite der Arbeitgeber. Diese ist daran interessiert, möglichst geringe Kosten zu tragen und möglichst wenige Zugeständnisse beim Gehalt oder bei den Arbeitszeiten machen zu müssen. Demgegenüber vertreten Gewerkschaften wie Verdi die Arbeitnehmer. Deren Ziel ist es, möglichst arbeitnehmerfreundliche Arbeitszeiten und hohe Löhne für ihre Arbeit auszuhandeln.

Ein Tarifvertrag wird zwischen zwei Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen bzw. einzelnen Arbeitgebern geschlossen.

Ein Tarifvertrag gilt in der Regel für mehrere Jahre. In dieser Zeit herrscht die sogenannte Friedenspflicht. Das bedeutet, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine Streiks, Ausschließungen oder andere Maßnahmen durchführen, die während der Verhandlungen und während des Ringens um einen Tarifvertrag zu ihren legitimen Druckmitteln gehören. Ein einmal abgeschlossener Tarifvertrag hat für alle tarifgebundenen Unternehmen und Belegschaften Gültigkeit und muss von diesen berücksichtigt werden. Alle Arbeitnehmer, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind, und alle Arbeitgeber, die nicht Teil eines Arbeitgeberverbands sind, müssen individuelle Regelungen treffen und können sich nicht auf einen existierenden Tarifvertrag berufen.

Haben Sie´s gewusst?

Im Grundgesetz Artikel 9 Absatz 3 ist der verfassungsrechtliche Grundsatz der Tarifautonomie festgeschrieben. Das bedeutet, dass Tarifverhandlungen ausschließlich die Tarifvertragsparteien führen. Die Bundesregierung mischt sich in solche Verhandlungen nicht ein und kann höchstens als Schlichter fungieren.

Der Unterschied zwischen Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung

Eine Betriebsvereinbarung ist eng mit einem Tarifvertrag verwandt. Im Unterschied zu diesem fokussiert sie sich aber auf die konkrete Arbeit in einem einzelnen Betrieb und hat keine allgemeinverbindliche Gültigkeit für alle Unternehmen. Sehr wohl aber ist sie rechtsverbindlich und bietet den Arbeitnehmern zahlreiche Vorteile, die sie geltend machen können. In der Regel wird eine Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgebern und Betriebsrat geschlossen. Es wird zwischen freiwilligen Betriebsvereinbarungen und Betriebsvereinbarungen zu mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten unterschieden. Freiwillige Betriebsvereinbarungen kommen bei nicht-mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten zum Einsatz. Sie können nur mit gegenseitigem Einverständnis von Arbeitgebern und Betriebsrat in Kraft treten. Bei Betriebsvereinbarungen zu mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten hat der Betriebsrat hingegen ein Initiativrecht.

Ein Tarifvertrag beschäftigt sich mit den zentralen Eckpunkten der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Er regelt unter anderem die Arbeitsbedingungen, die Löhne und die Arbeitszeiten. Eine Betriebsvereinbarung nimmt hingegen Detailfragen zum alltäglichen Miteinander im Betrieb in den Blick. Hierzu gehören ganz unterschiedliche Themen wie

  • Rauchverbote
  • Bildschirmarbeit
  • Betriebliches Eingliederungsmanagement
  • Urlaubsregelungen
  • Arbeitszeitmodelle
  • Arbeitsschutz
  • Umgang mit sozialen Medien
  • Datenschutz
  • Betriebsordnungen
  • Probezeiten
  • u.a.m.

Ferner unterscheidet sich der Geltungsbereich von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen. Ein Tarifvertrag gilt ausschließlich für diejenigen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die in einem Arbeitgeberverband oder in einer Gewerkschaft organisiert sind. Alle anderen müssen individuelle Konditionen aushandeln, die nur in seltenen Fällen besser als die in einem Tarifvertrag getroffenen Vereinbarungen sind. Eine Betriebsvereinbarung hat hingegen ausnahmslos für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Betriebs Gültigkeit. Das gilt sogar für diejenigen, die erst nach Abschluss der Betriebsvereinbarung zu dem jeweiligen Betrieb dazustoßen.

Hinweis

Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen haben jeweils unterschiedliche gesetzliche Grundlagen. Ein Tarifvertrag orientiert sich am Tarifvertragsgesetz von 1949 und Absatz 9 des Grundgesetzes. Demgegenüber ist die rechtliche Grundlage für eine Betriebsvereinbarung das Betriebsverfassungsgesetz.

In welchen Branchen gelten Tarifverträge?

In Deutschland gibt es etwa 50.000 unterschiedliche Tarifverträge, von denen jährlich etwa 6.000-7.000 neu ausgehandelt werden. Diese Verträge haben unterschiedliche Geltungsbereiche und haben in jeweils anderen Branchen Bedeutung. So sind Tarifverträge in der Industrie sehr stark verbreitet. Vor allem die Metall- und Elektroindustrie, aber auch die chemische Industrie und die Autoindustrie arbeiten häufig mit diesem Werkzeug. Ingenieure profitieren hierbei sehr stark von einem Tarifvertrag. Untersuchungen zeigen, dass gewerkschaftlich organisierte Ingenieure deutlich bessere Gehälter beziehen als Ingenieure ohne Tarifbindung.

Neben der Industrie gelten zum Beispiel im Einzelhandel Tarifverträge. Diese unterscheiden sich jedoch teilweise stark in ihrem Geltungsbereich und ihren Regelungen. Beispielsweise muss in den Bundesländern in Ost und West häufig unterschiedlich lange gearbeitet werden, um ein bestimmtes Gehalt zu verdienen. Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, gibt es seit 2015 den gesetzlichen Mindestlohn. Dieser schreibt Lohnuntergrenzen vor, die auch durch einen Tarifvertrag nicht unterschritten werden dürfen. Das gilt auch für andere Branchen wie das Baugewerbe, das Bankgewerbe oder das Versicherungsgewerbe.

Nicht zuletzt gelten auch im öffentlichen Dienst Tarifverträge für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Höhe des Gehalts hängt hierbei unter anderem davon ab, welcher Entgeltgruppe die jeweiligen Angestellten zuzuordnen sind. Bei den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes gelten jedoch etwas andere Regelungen als bei Unternehmen der Privatwirtschaft. Das betrifft unter anderem das Streikrecht und die Friedenspflicht. Denn Angestellte im öffentlichen Dienst haben sowieso kein Streikrecht und sind ihrem Arbeitgeber gegenüber weisungsgebunden. Das bedeutet, dass sie ihre Interessen anders durchsetzen müssen.

Wo kann man den Tarifvertrag einsehen?

Grundsätzlich haben alle Tarifpartner das Recht, gültige Tarifverträge einzusehen. Das gilt sowohl für die Arbeitgeber als auch für die Arbeitnehmer. Arbeitgeber wenden sich für die Einsicht in einen Tarifvertrag am besten an ihren jeweiligen Arbeitgeberverband. Demgegenüber sind für die Arbeitnehmer in der Regel die Gewerkschaften oder der Betriebsrat die richtige Anlaufstelle, wenn Einsicht in einen Tarifvertrag genommen werden soll. Bei allgemeingültigen Tarifverträgen kann zudem das Bundesarbeitsministerium angesprochen werden. Dieses besitzt zumeist ebenfalls eine Ausführung des gültigen Tarifvertrags. In einigen Fällen verweist ein individueller Arbeitsvertrag auf einen gültigen Tarifvertrag. Hier bietet es sich an, den Arbeitgeber um den jeweiligen Vertragstext zu bitten.

Inhalte: Was ist in einem Tarifvertrag geregelt?

Ein Tarifvertrag befasst sich inhaltlich mit allen arbeitsrechtlich relevanten Fragestellungen. Es geht folglich darum, unter welchen Bedingungen ein Arbeitsverhältnis zustande kommt, abläuft und wieder beendet wird. Hierbei kommen unterschiedliche Themen wie die Arbeitszeiten, die Arbeitsbedingungen und das Gehalt zur Sprache. Es steht den Tarifpartnern offen, branchenspezifische Lösungen zu finden und individuelle Vereinbarungen zu treffen. Diese müssen aber mit dem deutschen Gesetz vereinbar sein und zum Beispiel dem Gesetz zum Mindestlohn Rechnung tragen. Neben diesen grundlegenden Elementen der Zusammenarbeit geht ein Tarifvertrag auf Detailfragen zu bestimmten Fragestellungen ein. Hierzu gehört unter anderem die Frage, wie viel Urlaubsanspruch die jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben und ob ein Anspruch auf Sonderzahlungen besteht.

Grundsätzlich wird in Tarifverträgen zwischen normativen Bestimmungen und schuldrechtlichen Bestimmungen unterschieden. Normative Bestimmungen regeln unter anderem den zeitlichen, räumlichen, sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags. Die schuldrechtlichen Bestimmungen umfassen zudem die Einwirkungspflicht und die Friedenspflicht. Die Tarifpartner haben die Verpflichtung, so auf ihre Mitglieder einzuwirken, dass diese die im Tarifvertrag festgelegten Regelungen einhalten. Die Friedenspflicht besagt zudem, dass während der Laufzeit eines Tarifvertrags keine arbeitsrechtlichen Kampfmaßnahmen wie Streiks oder Aussperrungen vorgenommen werden dürfen.

Tarifvertrag für Pflegekräfte

Für die Pflegebranche und speziell die Altenpflege gibt es aktuell keinen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag. Das liegt unter anderem daran, dass es in der Pflege eine Vielzahl an Arbeitgebern und Trägern gibt, die für die unterschiedlichen Pflegekräfte zuständig sind. Gewerkschaften wie Verdi haben also nicht einen großen Arbeitgeberverband als Ansprechpartner, sondern müssen sich mit vielen unterschiedlichen Stellen auseinandersetzen. Diese Zersplitterung macht es kompliziert, allgemeingültige Regelungen zu treffen und diese in einem Tarifvertrag festzuhalten und durchzusetzen.

Zudem ist es schwierig, die kirchlichen Träger mit an den Verhandlungstisch zu bekommen. Diese haben kirchliche Sonderregelungen, auf die sie aus nachvollziehbaren Gründen nicht verzichten wollen. Dennoch versuchen die Gewerkschaften mit den Wohlfahrtsverbänden ins Gespräch zu kommen und vor allem die großen Player Diakonie und Caritas mit ins Boot zu holen. Denn in der Pflege ist die Kirche einer der wichtigsten Arbeitgeber überhaupt. Ein Tarifvertrag und flächendeckend gültige Regelungen für Pflegekräfte sind daher nur im Dialog mit den Wohlfahrtsverbänden vorstellbar.

Der aktuelle Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, bemüht sich aktuell um einen Tarifvertrag für die Pflege. Heil hält es für wichtig, höhere Löhne in der Altenpflege und Krankenpflege zu zahlen, um den Beruf für gut ausgebildete Pflegekräfte interessant zu machen. Angesichts des demografischen Wandels bleibe keine Zeit zum Abwarten, sondern es müssten schnellstmöglich verbindliche Regelungen getroffen werden.

Als Vertreter des Bundesarbeitsministeriums engagierte sich Hubertus Heil für einen Tarifvertrag in der Pflege. Bislang konnten sich die Partner jedoch nicht auf einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag einigen. Zumindest was eine Anhebung des Gehalts in der Pflege betrifft, setzte Heil zuletzt auf die Pflegekommission.

Dieses – aus Arbeitnehmern, Arbeitge­bern sowie Gewerkschaften bestehende – Expertengremium kam dem gesetzlichen Auftrag der Bundesregierung nach, faire Wettbewerbsbedingungen sowie angemessene Mindestarbeitsbedingungen in Pflegeberufen zu schaffen. Seit September 2022 steigt das Gehalt für Pflegende in drei Schritten – je nach Qualifikationsstufe. Ebenso erfolgt eine Anhebung der bezahlten Urlaubstage.

An welchen Tarifverträgen orientiert sich der Pflegebereich aktuell?

Die Vergütungsstruktur in der Pflege ist aktuell recht unübersichtlich. Das liegt unter anderem daran, dass einige Pflegeeinrichtungen gewinnorientiert arbeiten und andere stärker am Gemeinwohl ausgerichtet sind. Letztere haben vor allem die Aufgabe die öffentliche Daseinsvorsorge sicherzustellen und somit alten und kranken Menschen eine würdiges Leben im Alter zu ermöglichen. Das zeigt sich auch an der Bezahlung von Pflegekräften.

Eine Bezahlung nach Tarifvertrag erfolgt fast ausschließlich bei kommunalen und freigemeinnützigen Arbeitgebern. Hierbei ist aber zu beachten, dass auch diese tariflichen Zahlungen Unterschiede aufweisen. Die kommunalen Pflegeeinrichtungen orientieren sich bei ihren Gehältern an den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes. Die Gehälter der anderen Arbeitgeber liegen deutlich darunter.

Die Kirche ist ein besonders wichtiger Arbeitgeber in der Pflegebranche. Sie besitzt ein Selbstbestimmungsrecht und kann daher beim Gehalt ihrer Belegschaften Sonderregelungen vereinbaren. Bei kirchlichen Trägern gibt es daher meist eigene Tarifverträge. Ein allgemeingültiger Tarifvertrag bei den freien Trägern existiert nicht. Diese Zahlen in der Regel den Pflege Mindestlohn. Lediglich sehr gut ausgebildete Fachkräfte mit Zusatzqualifikationen bekommen ein Gehalt, das etwas oberhalb des Pflegemindestlohns liegt. Diese müssen ihren Lohn aber in der Regel eigenständig aushandeln.

Wann wird es einen Tarifvertrag für die Pflege geben?

Aktuell lässt sich noch nicht einmal sagen, ob ein Tarifvertrag für die Pflege tatsächlich zustande kommt, geschweige denn wann.

Alle Beteiligten sind sich aber einig, dass keine Zeit mehr zum Abwarten bleibt. Aktuell sind deutschlandweit rund 1,6 Millionen Menschen in Pflegeberufen tätig. Vor allem in der Altenpflege und Krankenpflege werden sehr viele Fachkräfte gebraucht. Dennoch sind etwa 40.000 Stellen in Pflegeberufen unbesetzt. Deswegen ist es wichtig, Pflegeberufe möglichst bald deutlich attraktiver zu machen und eine faire Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu erreichen.

Wie wird der Tarifvertrag für Pflegekräfte aussehen?

Wie der Tarifvertrag für Pflegekräfte aussehen wird, kann und will die Bundesregierung nicht vorgeben. Wie bei anderen Verträgen dieser Art auch gilt in der Pflege die Tarifautonomie. Das bedeutet, dass die Tarifpartner selbst darüber entscheiden, welche Regelungen sie für sinnvoll erachten. Die Vorgaben werden also nicht von Politikern bestimmt, sondern von Branchenexperten, die sich mit dem Arbeitsalltag und den Funktionsmechanismen in der Pflege auskennen. Diese müssen sich darauf einigen, welche Regelungen sie in den Vertrag aufnehmen und somit für alle Pflegekräfte mit Tarifbindung gültig werden lassen.

Es gibt allerdings einige Baustellen in der Pflege, die in einem Tarifvertrag angegangen werden müssen. Hierzu gehört zum Beispiel das Gehalt. Die Einkommensunterschiede von Pflegekräften sind teils enorm und führen in einigen Regionen zu einer erheblichen Mehrbelastung für die Belegschaft. Außerdem sind die Regelungen zu Überstunden und Urlaubsansprüchen aktuell wenig zufriedenstellend. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben aufgrund des Fachkräftemangels kaum Möglichkeiten, um Überstunden abzubauen. Wenn sie nicht da sind, kümmert sich schließlich niemand um die alten und kranken Menschen.

Das große Ziel eines Tarifvertrags in der Pflege muss darin bestehen, Pflegeberufe attraktiv zu machen. Der demografische Wandel sorgt dafür, dass sich immer mehr junge Menschen um immer mehr ältere Menschen kümmern müssen, die Altenpflege wird ein immer größeres Feld. Das ist nur dann möglich, wenn die Pflegekräfte attraktive Arbeitsbedingungen vorfinden und für ihre Arbeit ein angemessenes Gehalt bekommen. Gleichzeitig müssen die Pflegeeinrichtungen wirtschaftlich arbeiten können, um das System am Laufen zu halten. Deswegen sind eine wachsende Bürokratie und steigende Kosten gefährlich für die Branche. Daher ist es sinnvoll, eine paritätisch besetzte Pflegekommission mit der Erarbeitung für einen möglichen Tarifvertrag in der Pflege zu beauftragen.

Was sind die Vorteile eines Tarifvertrags?

Grundsätzlich profitieren alle Beteiligten in der Pflegebranche von einem allgemeingültigen Pflegevertrag. Alle Seiten haben Planungssicherheit und können sich darauf verlassen, dass die getroffenen Vereinbarungen eingehalten werden. Sollte dies einmal nicht der Fall sein, können die Konfliktparteien ihre Rechte mit Bezug auf den Tarifvertrag auf dem Gerichtsweg geltend machen. Das funktioniert aber nur, wenn alle Beteiligten den Tarifvertrag kennen und wissen, welche Rechte und Ansprüche sie haben.

Ein Tarifvertrag bringt viele Vorteile für den Arbeitnehmer mit sich.

Denn die Interessen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Staat unterscheiden sich bei einem Tarifvertrag massiv. Während es den einen um die Produktivität geht, wollen die anderen eine möglichst hohe Vergütung aushandeln. Der Staat ist hingegen an einer funktionierenden Wirtschaft und hohen Steuereinnahmen interessiert. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Vorteile vorgestellt, die sich für die unterschiedlichen Tarifpartner aus einem Tarifvertrag ergeben:

Arbeitnehmer-Vorteile eines Tarifvertrags

Arbeitnehmer gewinnen durch einen Tarifvertrag ein Mitbestimmungsrecht in ihrem Unternehmen. Über die Gewerkschaften sind sie in größeren Gruppen organisiert und verschaffen ihren Forderungen und Wünschen Gehör. Sie müssen nicht einfach stur ausführen, was ihnen die Geschäftsführung vorgibt. Im Gegenteil können sie aktiv Einfluss auf ihre Arbeitsweise und ihre Arbeitszeit nehmen und für sich eine möglichst lukrative Vergütung herausholen. All die mit der Geschäftsleitung ausgehandelten Regelungen sind dann im Tarifvertrag festgehalten und sind für beide Seiten bindend.

Ein weiterer Vorteil bei einem Tarifvertrag besteht für die Belegschaft darin, dass keine so große Konkurrenz zwischen einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr besteht. Die einzelnen Angestellten müssen die Konditionen ihres Arbeitsvertrags nicht für sich allein und gegen die anderen durchsetzen, sondern die gesamte Arbeiterschaft setzt sich zusammen für gemeinsame Ziele ein. Somit ist die Verhandlungsposition gegenüber den Arbeitgebern deutlich besser und es lassen sich merklich größere Vorteile aushandeln.

Lohn- und GehaltstarifverträgeSie haben in der Regel eine kurze Laufzeit. Das bedeutet, dass sich die Belegschaft nicht langfristig auf bestimmte Konditionen festlegen muss. Das ist gut, da so Preis- und Lohnentwicklungen berücksichtigt und die Löhne entsprechend angepasst werden können.
Manteltarifverträge Demgegenüber haben Manteltarifverträge eine längere Laufzeit. Diese schützen die Angestellten davor, dass ihr Arbeitgeber kurzfristige Änderungen an ihrem Arbeitsvertrag vornimmt.

Achtung

Diese Vorteile gelten nur für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gewerkschaftlich organisiert sind. Ist das nicht der Fall, ist es deutlich schwieriger, die eigenen Interessen gegenüber den Arbeitgebern durchzusetzen.

Arbeitgeber-Vorteile eines Tarifvertrags

Ebenso wie die Belegschaft profitieren auch die Arbeitgeber von professionell ausgehandelten und erstellten Tarifverträgen. Ein großer Gewinn ist die enorme Zeitersparnis. Es müssen nicht für jede einzelne Mitarbeiterin und jeden einzelnen Mitarbeiter spezielle Konditionen ausgehandelt werden. Stattdessen gelten die im Tarifvertrag festgehaltenen Regelungen für die gesamte Belegschaft. Hierdurch passen sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Art Mittelwert bei den Löhnen an. Individuelle Kompetenzen und Qualifikationen kommen nicht so sehr zum Tragen. Gut ausgebildete Fachkräfte akzeptieren stattdessen die Tariflöhne, was den Arbeitgebern oft eine Menge Geld spart.

Außerdem ist es durch einen Tarifvertrag einfacher möglich, Lohnkosten zu kalkulieren. Die ausgehandelten Löhne werden einfach mit der Anzahl der vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter multipliziert und schon lässt sich gut abschätzen, mit welchen Kosten zu rechnen ist. Ebenfalls ein riesiger Vorteil ist, dass während der Laufzeit des Tarifvertrags die sogenannte Friedenspflicht besteht. Das bedeutet, dass die Belegschaft nicht einfach streiken kann und Arbeitgeber keine Ausschließungen vornehmen dürfen. Das gibt Verlässlichkeit und Sicherheit, sodass die Produktion reibungslos ablaufen kann. Zudem gehen nicht durch Streiks wertvolle Einnahmen verloren, sondern die Unternehmensprozesse gehen ganz normal ihren Gang.

Nicht zuletzt ist ein Vorteil von Tarifverträgen für die Arbeitgeber, dass sie einheitliche Wettbewerbsbedingungen in Bezug auf die Betriebskosten schaffen. Es kann mit einem solchen Vertrag nicht passieren, dass ein Betrieb deutlich höhere Lohnkosten hat als die Konkurrenz. Alle haben dasselbe Dokument als Grundlage und arbeiten folglich mit denselben Rahmenbedingungen. Das schafft ebenfalls Sicherheit und Verlässlichkeit, was in einer globalisierten Welt ein immenser Vorteil ist.

Haben Sie´s gewusst?

Eine Tarifbindung entsteht nur dann, wenn beide Vertragspartner tarifgebunden sind. Hierfür müssen zum einen die Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert sein. Gleichzeitig müssen die Arbeitgeber den Tarifvertrag selbst ausgehandelt haben oder Mitglied in dem Arbeitgeberverband sein, der den Tarifvertrag stellvertretend für die Mitglieder ausgehandelt hat. Nur wenn beides gegeben ist, hat der Tarifvertrag Gültigkeit.

Staatliche Vorteile eines Tarifvertrags

Nicht zuletzt genießt der Staat durch Tarifverträge zahlreiche Vorteile. Zum einen muss er sich nicht in die Lohnpolitik einmischen. Arbeitgeberverbände und Arbeitnehmerverbände vertreten die Interessen ihrer Mitglieder, ohne dass ein staatliches Eingreifen notwendig wäre. Das ist sinnvoll, da der Staat grundsätzlich neutral ist und beide Tarifpartner braucht. Eine florierende Wirtschaft ist für die Stärke eines Staates extrem wichtig. Zudem finanzieren Unternehmen durch ihre Umsatz- und Gewerbesteuern einen Großteil des Staatshaushaltes. Gleichzeitig sind wirtschaftlich abgesicherte Bürgerinnen und Bürger eine Grundvoraussetzung für gesellschaftlichen Frieden. Zudem sorgen sie durch ihre Lohnsteuer dafür, dass es auch dem Staat gutgeht.

Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern werden in der Regel intern geregelt. Manchmal versuchen die Gewerkschaften, durch Streiks ihre Anliegen öffentlich zu machen, die Verhandlungsrunden laufen dann aber hinter verschlossenen Türen ab. Der Staat muss somit keine Ressourcen in die Findung von Kompromissen und Lösungen investieren. Nur in schwierigen Streitfällen kommen Vertreter des Staates als Schlichter zum Einsatz. Diese vermitteln zwischen den beiden Tarifpartnern mit dem Ziel, eine für beide Seiten akzeptable und gesichtswahrende Lösung zu finden.

Was sind die Nachteile eines Tarifvertrags?

Der Vorteil von Lohn- und Gehaltstarifverträgen ist gleichzeitig ihr großer Nachteil: Sie haben eine kurze Laufzeit. Das bedeutet, dass sich die Arbeitnehmer immer wieder neu um verbesserte Konditionen für sich und ihre Kolleginnen und Kollegen bemühen müssen. Die einmal ausgehandelten Kompromisse haben somit nur kurz Bestand. Es gibt keine Automatismen, die zu einer kontinuierlichen Anpassung der Löhne führen würden, stattdessen müssen sie immer wieder neu angegangen werden.

Ein weiterer Nachteil ist, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter individuelle Stärken und Vorteile kaum ausspielen können. So gibt es bestimmte Kompetenzen und Zusatzqualifikationen, die höhere Löhne durchaus rechtfertigen würden. Allerdings haben einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht die Möglichkeit, individuelle Konditionen auszuhandeln. Sie sind an die von den Gewerkschaften für die gesamte Belegschaft vereinbarten allgemeinverbindlichen Löhne gebunden. Das bedeutet in Einzelfällen erhebliche finanzielle Einbußen für fachlich extrem gut ausgebildete Expertinnen und Experten.

Zudem kann sich die Friedenspflicht für die Belegschaft als Nachteil erweisen. Sie haben während der Gültigkeit des Tarifvertrags nicht die Möglichkeit, für ihre Interessen auf die Straße zu gehen und eine Öffentlichkeit gegenüber einem Missstand zu schaffen. Folglich können sie keinen Druck auf die Arbeitgeber ausüben und haben kaum Möglichkeiten, diese zu einem Umdenken und einem veränderten Handeln zu bewegen.

Ein großer Nachteil von Tarifverträgen für die Arbeitgeber sind die recht hohen Lohnkosten. Untersuchungen zeigen, dass tarifgebundene Unternehmen in der Regel deutlich höhere und bessere Löhne zahlen als ungebundene Firmen. Gerade Ingenieure profitieren von einer Tarifbindung sehr stark. Zudem dauern die Verhandlungen über einen Tarifvertrag häufig sehr lange. Immer wieder sind sie mit Streiks und anderen Maßnahmen seitens der Gewerkschaft verbunden. Das führt zu Produktionsausfällen und steigenden Kosten. Individuallösungen mit jeder einzelnen Mitarbeiterin und jedem einzelnen Mitarbeiter wären deutlich einfacher zu managen.

Fazit: Ein Tarifvertrag in der Pflege ist in unmittelbarer Zukunft nicht in Sicht

Arbeitsminister Heil und Gesundheitsminister Spahn bemühen sich um einen solchen allgemeinverbindlichen Vertrag, doch die zersplitterte Pflegebranche bewegt sich nur sehr langsam. Dabei bringen Tarifverträge sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber und den Staat zahlreiche Vorteile. Allerdings haben verschiedene Gruppen in der Pflegebranche Sonderrechte. Sie fürchten, dass sie auf diese verzichten müssten, wenn ein Tarifvertrag in der Pflege zum Einsatz käme.

Wichtig sind aktuell Bemühungen, alle Beteiligten in der Pflege an einen Tisch zu bekommen. Hierbei unterstützt die 5. Pflegekommission. Das Gremium besteht aus acht Mitgliedern der Pflegebranche und wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) berufen.

Ein Novum: Nach dem Pflegelöhneverbesserungsgesetz ist die Runde als erste ständige Kommission tätig. Zuletzt empfahl das Expertengremium eine Anhebung der Gehälter von Altenpflegern sowie eine Erhöhung des Urlaubsanspruchs.