Leistungsübernahme bei Pflege: Was zahlen Krankenkassen?

Eine Pflegerin und eine Angehörige schieben eine lächelnde Seniorin im Rollstuhl durch den Flur eines hellen Altenheims.
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Inhaltsverzeichnis

Wann zahlt die Krankenkasse? Wann die Pflegekasse? Nicht immer liegt die Antwort auf diese Fragen auf der Hand. Grundsätzlich gilt: Die Versorgung von Pflegebedürftigen mit anerkanntem Pflegegrad wird von den Pflegekassen übernommen. Allerdings ist häufig auch bei Pflegekunden eine zusätzliche medizinische Behandlungspflege nötig. Diese wiederum zahlt die zuständige Krankenkasse. 

Leistungsübernahme der Krankenkassen in der Pflege

Pflege ist teuer. Wenn der Pflegefall eingetreten ist, müssen die Betroffenen häufig viel Geld in Hand nehmen, weil die staatlichen Leistungen oft nicht ausreichen. Besonders schwer für Menschen, die keine Zusatzversicherung für die Pflege abgeschlossen haben. 

Denn wer für die Pflege einer Person aufkommen muss, hängt von mehreren Faktoren ab: Unter anderem vom Pflegegrad und von den Umständen, wegen denen ein Mensch hilfsbedürftig geworden ist. Ein anerkannter Pflegegrad sorgt zunächst dafür, dass die Pflegekasse als Kostenträger für die Zahlung zuständig ist, denn mit einem Pflegegrad erfüllt die betroffene Person Kriterien, die sich aus dem Pflegebedürftigkeitsbegriff ableiten. 

Anders ausgedrückt: Der Pflegegrad belegt, dass der Betroffene in seiner Selbstständigkeit eingeschränkt ist. Wie stark, hängt vom jeweiligen Grad ab. In diesem Fall deckt die soziale Pflegeversicherung einen Teil der üblichen Kosten ab – zum Beispiel bei einem stationären Aufenthalt in einem Seniorenheim oder bei Inanspruchnahme eines ambulanten Pflegedienstes. 

Krankenkassen als Kostenträger: Medizinische Indikation zählt

Die Krankenkassen kommen laut Sozialgesetzbuch (SGB) V als Kostenträger in Frage, wenn eine Behandlung medizinisch notwendig ist. Das sind vor allem Maßnahmen, die dazu dienen, den Patienten entweder zu heilen, Symptome zu lindern oder mögliche Beschwerden gar zu verhüten. Das gilt für Betroffene, die gesetzlich versichert sind ebenso wie für Menschen, die privat versichert sind. 

Beispiel: 

Herr B ist dement und lebt mit seiner Frau in einer Wohnung. Herr B spricht nicht mehr und möchte die meiste Zeit des Tages im Bett bleiben. Besondere Vorerkrankungen bestehen nicht. Seine Frau und die Fachkräfte des Pflegedienstes reichen ihm mehrmals am Tag Essen an, mobilisieren ihn am Nachmittag in den Rollstuhl und bringen ihn gegen 19 Uhr ins Bett. – In diesem Fall übernimmt die Pflegekasse die Kosten: Herr B ist stark in seiner Selbstständigkeit eingeschränkt, benötigt jedoch keine medizinisch notwendige Behandlung. 

Herr D ist dement und liegt seit einem Verkehrsunfall mit schwerem Schädelhirntrauma zu Hause im Wachkoma. Herr D hat ein Tracheostoma (Luftröhrenschnitt), weil die Gefahr besteht, dass er Flüssigkeit in die Lunge aspiriert. Um dem vorzubeugen, wurde das Tragen des Tracheostomas ärztlich angeordnet. Die Pflegekräfte (1:1 Pflege) müssen mehrfach am Tag Sekret absaugen, häufig die Kanüle wechseln sowie die entstandene Wunde pflegen. – Die Kosten werden sowohl von der Pflege-, als auch von der Krankenkasse übernommen: Während die Pflegekasse die pflegerischen Maßnahmen (wie zum Beispiel Grundpflege) übernimmt, zahlt die Krankenkasse alle Kosten für die medizinische Versorgung des Patienten (Behandlungspflege). 

Würde Herr D nicht zu Hause leben, sondern wäre Heimbewohner, müssten alle Leistungen von der Pflegeversicherung übernommen werden (Paragraf 43 Abs. 2, Satz 1 SGB XI). 

Ähnlich verhielte es sich zum Beispiel bei einem Dekubitus: Die Kosten für die Wundversorgung der Druckstellen in der Häuslichkeit übernimmt die Krankenkasse. Im Pflegeheim jedoch ist diese Maßnahme Sache der Pflegeversicherung. 

Übersicht häusliche Pflege

Unter medizinische Behandlungspflege in der häuslichen Pflege fällt beispielsweise auch

  • Spritzen verabreichen
  • Verbände wechseln
  • Wundversorgung 
  • Medikamente geben
  • Blutzuckermessung
  • Blutdruckmessung
  • Thromboseprophylaxe (Beinwickel etc.)

Welche Hilfsmittel bezahlt die Krankenkasse?

Schwieriger gestaltet sich die Frage, wie die Leistungsübernahme bei Hilfsmitteln geregelt ist. Dabei muss zunächst zwischen den Begriffen Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel unterschieden werden: Während Pflegehilfsmittel die häusliche Pflege erleichtern oder auch erst möglich machen, sind Hilfsmittel Anschaffungen, mit denen eine Beeinträchtigung oder Behinderung behandelt wird. 

Grob gesagt: Für Pflegehilfsmittel wird keine ärztliche Verordnung benötigt, für Hilfsmittel hingegen schon. Hilfsmittel, die von den Krankenkassen übernommen werden, sind im Hilfsmittelverzeichnis aufgelistet. 

Manchmal aber ist eine Zuordnung nicht ganz einfach. In diesem Fall ist von doppelfunktionalen Hilfsmitteln die Rede. Diese werden bei der Frage nach der Kostenübernahme entlang der sogenannten Hilfsmittelrichtlinie eingeordnet. Kranken- sowie Pflegekasse teilen sich dann die Kosten. 

Pflegehilfsmittel können sein: 

  • Betteinlagen
  • Pflegerollstuhl
  • Lagerungshilfen
  • Hausnotruf
  • Pflegebetten
  • Lifter
  • Einmalhandschuhe

Hilfsmittel können zum Beispiel sein: 

  • Inkontinenzeinlagen
  • Prothesen
  • Rollstühle
  • Kompressionsstrümpfe
  • Verbandsmaterial

Krankenkassen: Leistungsübernahme bei häuslicher Pflege

Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen auch in einem Krankheitsfall auf Antrag die Kostenübernahme für die Krankenpflege. Und zwar dann, wenn dadurch ein Krankenhausaufenthalt verkürzt oder ganz vermieden werden kann. Manchmal ist der Aufenthalt in einem Krankenhaus aus verschiedenen Gründen nicht möglich: Auch dann tragen die Krankenkassen die Kosten. Voraussetzung ist, dass keine andere, im Haushalt des Betroffenen lebende Person, diese Leistung erbringen kann. 

Allerdings zahlt die Kasse nicht unbegrenzt, sondern bis zu maximal vier Wochen. Nur in Ausnahmefällen erfolgt die Kostenübernahme auch länger. Ob eine Ausnahme vorliegt, klärt vorher der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK). 

Gezahlt werden in diesem Zeitraum die Grund- und Behandlungspflege und die Versorgung des Haushalts. Der Anspruch auf eine Krankenpflege zu Hause ist gesetzlich verankert. Die Pflegeperson muss sich jedoch an den Kosten mit einem Eigenanteil beteiligen (zehn Prozent der Kosten pro Tag). Dabei gilt der Begriff der häuslichen Krankenpflege nicht ausschließlich für die eigenen vier Wände, sondern auch für Bewohner von Wohngemeinschaften und ähnlichen Wohnformen. 

Laut Bundesgesundheitsministerium besteht kein Anspruch, für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht.

Häusliche Pflege bis zu 26 Wochen möglich

Außerdem haben seit 2016 unter bestimmten Voraussetzungen auch zeitweise pflegebedürftige Menschen ohne Pflegegrad Anspruch auf gesetzliche Leistungen der häuslichen Pflege. Nach einer Operation (Krankenhausanschlussbehandlung) oder wegen einer schweren, akuten Krankheit können Betroffene Leistungen der Krankenkasse für Grundpflege, Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung über einen Zeitraum von ebenfalls vier Wochen beanspruchen. 

Wenn Kinder unter zwölf Jahren im Haushalt leben oder behindert sind, kann die häusliche Pflege bis zu 26 Wochen verlängert werden. Möglich ist auch eine Kurzzeitpflege, an deren Kosten sich die Krankenkasse mit einem Betrag von 1612 Euro pro Jahr beteiligt. Das gilt nicht nur für gesetzlich Versicherte, sondern auch für Personen, die freiwillig versichert sind.

Was tun, wenn die Krankenkasse die Leistungsübernahme ablehnt?

Manchmal kommt es dazu, dass eine Krankenkasse die Leistungsübernahme ablehnt. Was tun?

Ein Beispiel: 

Der Pflegedienst ABC erbringt bei Frau M. seit zwei Jahren Leistungen nach SGB V. Die Krankenkasse lehnt die Leistungsübernahme auf einmal ab. Nach Recherchen der PDL hatte sich die Krankenkasse der Pflegekundin schriftlich bei dieser gemeldet. Frau M. wurde aufgefordert, einen Fragebogen auszufüllen. Nach einem Anruf bei der Krankenkasse erfuhr die PDL, dass Frau M.`s Nachbarin nach Auswertung des Fragebogens die monatliche Pflegeleistungen gegen Entgelt erbringt. Das passiert häufiger: Unter dem Vorwand, den Leistungsanspruch auf häusliche Krankenpflege überprüfen zu wollen, müssen Krankenversicherte einen Fragebogen ausfüllen. 

So könnte ein Fragebogen aussehen: 

Prüffragen der Krankenkasse an Frau M.:

1. Bitte schildern Sie uns ausführlich, warum Sie die beantragte Maßnahme nicht selbst übernehmen können:

Achtung

Eine Krankenkasse ist nicht befugt, die medizinische Notwendigkeit von verordneten Leistungen der Behandlungspflege zu überprüfen. Das darf nur der MDK. Handelt die Kasse selbst, liegt ein klarer Gesetzesverstoß vor, insbesondere wenn die Krankenkasse mit eigenen Fragen die Notwendigkeit der Leistungen überprüft.

2. Welche Personen leben in Ihrem persönlichen Umfeld? (dazu gehören neben den Angehörigen auch Freunde und Nachbarn)

Achtung

Grundsätzlich haben Patienten gemäß Paragraf 37 Absatz 3 SGB V nur dann einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege (Behandlungspflege), wenn keine im Haushalt lebende Person den Kranken im erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Selbst dann, wenn diese Voraussetzung vorliegt, kann laut Rechtsprechung nicht jeder Haushaltsangehörige zur Übernahme verordneter Behandlungspflegemaßnahmen gezwungen werden. 

Lebt die Person nicht im selben Haushalt, sieht das Gesetz keine weitere Möglichkeit vor, andere Personen zu Leistungen zu verpflichten. Das ist auch richtig so, denn für Leistungen der häuslichen Krankenpflege sind nach dem Gesetz ambulante Pflegedienste vorgesehen.

3. Bitte schildern Sie, welche Personen die Maßnahme(n) übernehmen können: 

Achtung

Die Krankenkasse darf keine Daten von Nachbarn, Bekannten oder Angehörigen anfordern. Der Versicherte darf die Daten nicht herausgeben. Laut Bundesdatenschutzgesetz gilt: Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten ist nur zulässig, soweit das Bundesdatenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat (Paragraf 4 BDSG). Nachbarn, Freunde und Angehörige müssen einer Weitergabe also zustimmen. 

4. Können weder Sie selbst noch eine Person aus Ihrem Umfeld die notwendigen Maßnahmen unmittelbar sicher und auf Dauer durchführen, ist eine Anleitung durch medizinisches Fachpersonal möglich. Wer soll diese Anleitung in Anspruch nehmen?

Achtung

Vertragliche Vereinbarungen zwischen Pflegediensten und Krankenkassen legen fest, dass Behandlungspflege nur von qualifizierten Pflegefachkräfte geleistet werden darf. In Zusammenhang mit der obigen Fragestellung ist das für Krankenkassen offenbar uninteressant. Deswegen suchen sie nach Angehörigen und Bekannten eines Pflegebedürftigen, die pflegerische Maßnahmen erlernen sollen. Dieser Anspruch auf Anleitung muss nicht in Anspruch genommen werden. 

5. Können Sie Ihre Wohnung verlassen, um die Arztpraxis aufzusuchen?

Achtung

Ihre Patienten haben einen gesetzlichen Anspruch, zu Hause durch ambulante Pflegedienste versorgt zu werden. Die Kassen dürfen daher nicht verlangen, dass der Patient diese Leistungen in einer Arztpraxis in Anspruch nimmt.

6. Bitte schildern Sie uns, warum die beantragten Maßnahmen nicht in der Arztpraxis erbracht werden können.

Achtung

Solche Fragen brauchen Ihre Patienten nicht zu beantworten. Nicht der Patient, sondern der Arzt entscheidet darüber, welche Leistungen beim Pflegekunden in einer Praxis und welche zu Hause durchgeführt werden. Ihr Patient sollte die Kasse bitten, diese Frage dem Arzt zu stellen.

Vorgehen der Kassen wird selten kritisiert

Wenn Kassen derartig handeln, sollte der Versicherte dieses Vorgehen beanstanden. Leider füllen viele Versicherte die Fragebögen gewissenhaft aus, ohne aber zu ahnen, damit einen Stein ins Rollen zu bringen. Es ist schon passiert, dass eine im Fragebogen angegebene Privatperson auf Nachfrage der Krankenkasse unbedacht zusagt, pflegerische und betreuerische Maßnahmen zu übernehmen. 

Sollte einer Ihrer Pflegekunden einen Fragebogen ausfüllen müssen, raten Sie besser dringend ab. Außerdem ist es klug, in solchen Fällen das zuständige Aufsichtsamt einzuschalten. Informieren Sie auch Nachbarn, Angehörigen oder Freunde darüber.

Mit diesem Musterschreiben können Sie Ihre Pflegekunden auf Fragebögen der Krankenkassen vorbereiten: 

Muster: Informationsschreiben über Kassenbesuch

Sehr geehrte Patienten,

seit einiger Zeit versorgen wir Sie mit medizinischen Leistungen, die Ihr Arzt für Ihre Behandlung als medizinisch notwendig und erforderlich erachtet. Wenn wir diese Leistungen für Sie erbringen, unterliegt unsere Arbeit höchsten Qualitätsansprüchen, die für uns nicht nur selbstverständlich sind, sondern auch von den Medizinischen Diensten der Krankenkassen kontinuierlich überprüft werden. Aus diesem Grund arbeiten wir ausschließlich mit qualifiziertem Personal und entwickeln unsere Qualität ständig weiter, damit Sie auch weiterhin mit unseren Leistungen zufrieden sind und sich jederzeit gut von uns versorgt sehen.

Einige wenige Krankenkassen versuchen leider immer wieder, darauf zu dringen, dass die vom Arzt verordnete Behandlungspflege von Dritten, zum Beispiel von Angehörigen, Nachbarn oder Bekannten gegen ein kleines Entgelt übernommen werden soll. Auch wenn diese Personen dazu nicht verpflichtet sind, kommt es vor, dass sich der ein oder andere von den Sachbearbeitern überzeugen lässt und die Leistungen übernimmt.  

Wir halten diesen Weg für falsch. Obwohl im Gesundheitssystem Geld gespart werden muss, darf dieses nicht zulasten Ihrer Gesundheit gehen: Für eine optimale Versorgung kommt es gerade auf eine kontinuierliche und qualitätsgesicherte Leistung an. Dafür stehen wir Ihnen an 365 Tagen im Jahr – auch an Sonn- und Feiertagen – zur Verfügung.

Wenn Ihre Kasse Ihnen einen Fragebogen zur Überprüfung des Leistungsanspruches zuschickt, sollten Sie uns dringend informieren. Einige gängige Fragen darf Ihnen die Krankenkasse nicht stellen – darüber hinaus auch keine Daten von Nachbarn oder Bekannten anfordern. Wenn Sie selbst diese Daten weitergeben, verstoßen Sie gegen das Datenschutzgesetz.

Selbst wenn  sich eine Privatperson dazu bereit erklärt, sollten Sie sich Ihrer Gesundheit zuliebe gut überlegen, ob Sie dies möchten. In diesem Fall müsste diese Person auch an Wochenenden und Feiertagen an 365 Tagen pro Jahr parat stehen, was kaum zu gewährleisten ist.

Außerdem fehlt dieser Person die fachliche Qualifikation. Diese erhalten Sie bei uns immer. Wir sind verpflichtet, die für Sie verordneten Leistungen immer durch qualifiziertes Personal durchzuführen.

Mit freundlichen Grüßen

Fazit

Wann die Krankenkasse im Fall von Pflegebedürftigkeit Leistungen übernimmt, hängt davon ab, ob es sich um Behandlungspflege handelt oder nicht. Behandlungspflege bedarf immer einer medizinischen Indikation durch einen Arzt. Bei Unsicherheiten im Fall eines Einsatzes von Hilfsmitteln lohnt sich ein Blick in das Hilfsmittelregister. Besonders dann, wenn es sich bei der Versorgung um Pflegebedürftige mit Pflegegrad handelt, die auch auf medizinische Pflege angewiesen sind. 

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